Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.vermuten, durch die Kritik zu verletzen, und ich verstehe mich nicht darauf, mich mit dem Töten von Fliegen zu unterhalten. Aber ich liebe es, Gerechtigkeit durch die Macht der Wahrheit widerfahren zu lassen; ich sage die furchtbarsten Dinge den Beteiligten ins Gesicht, ohne zu erschrecken, ohne mich aufzuregen, noch mich zu erzürnen, welchen Eindruck sie auf sie machen mögen.*) Dies die Einleitung zu dem dritten Bande ihrer herrlichen Memoiren, in denen sich Madame Roland ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Der Vater Madame Rolands hiess Gatien Phlipon, Kupferstecher von Beruf, nebstbei auch Maler. Er wollte sich ganz der Emailmalerei widmen, weniger aus Neigung als aus Geschäftssinn. Aber seine Augen zwangen ihn, dieses Gebiet aufzugeben, er beschränkte sich dann bloss auf das Kupferstechen. Trotzdem er sehr fleissig war und die Mode gerade diese Kunstart bevorzugte und er überdies eine grosse Anzahl Arbeiter beschäftigen konnte, so trieb ihn der Wunsch, Reichtum zu erwerben, zum Handel. Er kaufte Schmuck, Diamanten oder nahm solche als Zahlung für seine Arbeiten an, um sie bei günstiger Gelegenheit wieder zu verkaufen. Dieses Streben, Reichtum auf unbekannten Gebieten zu erwerben, scheint den meisten verderblich zu werden. In den seltensten Fällen kommt ein Einzelner auf Umwegen zu fabelhaftem Reichtum und verführt durch sein Beispiel eine Menge anderer, die dann durch diese Nachahmung schmählich zugrunde gehen. Seine Kunst hätte genügt, ihm eine auskömmliche Existenz zu bieten, er aber wollte reich werden und endigte damit, sich zu ruinieren. *) Als Goethe Im Jahre 1820 Madame Rolands Memoiren gelesen hatte, schrieb er in den "Tag- und Jahresheften" folgendes darüber "Die Werke der Madame Roland erregten bewunderndes Erstaunen. Dass solche Charaktere und Talente zum Vorschein kommen, wird wohl der Hauptvorteil bleiben, welche unselige Zeiten der Nachwelt überliefern. Sie sind es denn auch, welche den abscheulichsten Tagen der Weltgeschichte in unsern Augen einen so hohen Wert geben
vermuten, durch die Kritik zu verletzen, und ich verstehe mich nicht darauf, mich mit dem Töten von Fliegen zu unterhalten. Aber ich liebe es, Gerechtigkeit durch die Macht der Wahrheit widerfahren zu lassen; ich sage die furchtbarsten Dinge den Beteiligten ins Gesicht, ohne zu erschrecken, ohne mich aufzuregen, noch mich zu erzürnen, welchen Eindruck sie auf sie machen mögen.*) Dies die Einleitung zu dem dritten Bande ihrer herrlichen Memoiren, in denen sich Madame Roland ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Der Vater Madame Rolands hiess Gatien Phlipon, Kupferstecher von Beruf, nebstbei auch Maler. Er wollte sich ganz der Emailmalerei widmen, weniger aus Neigung als aus Geschäftssinn. Aber seine Augen zwangen ihn, dieses Gebiet aufzugeben, er beschränkte sich dann bloss auf das Kupferstechen. Trotzdem er sehr fleissig war und die Mode gerade diese Kunstart bevorzugte und er überdies eine grosse Anzahl Arbeiter beschäftigen konnte, so trieb ihn der Wunsch, Reichtum zu erwerben, zum Handel. Er kaufte Schmuck, Diamanten oder nahm solche als Zahlung für seine Arbeiten an, um sie bei günstiger Gelegenheit wieder zu verkaufen. Dieses Streben, Reichtum auf unbekannten Gebieten zu erwerben, scheint den meisten verderblich zu werden. In den seltensten Fällen kommt ein Einzelner auf Umwegen zu fabelhaftem Reichtum und verführt durch sein Beispiel eine Menge anderer, die dann durch diese Nachahmung schmählich zugrunde gehen. Seine Kunst hätte genügt, ihm eine auskömmliche Existenz zu bieten, er aber wollte reich werden und endigte damit, sich zu ruinieren. *) Als Goethe Im Jahre 1820 Madame Rolands Memoiren gelesen hatte, schrieb er in den „Tag- und Jahresheften“ folgendes darüber „Die Werke der Madame Roland erregten bewunderndes Erstaunen. Dass solche Charaktere und Talente zum Vorschein kommen, wird wohl der Hauptvorteil bleiben, welche unselige Zeiten der Nachwelt überliefern. Sie sind es denn auch, welche den abscheulichsten Tagen der Weltgeschichte in unsern Augen einen so hohen Wert geben
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vermuten, durch die Kritik zu verletzen, und ich verstehe mich nicht darauf, mich mit dem Töten von Fliegen zu unterhalten. Aber ich liebe es, Gerechtigkeit durch die Macht der Wahrheit widerfahren zu lassen; ich sage die furchtbarsten Dinge den Beteiligten ins Gesicht, ohne zu erschrecken, ohne mich aufzuregen, noch mich zu erzürnen, welchen Eindruck sie auf sie machen mögen. *)
Dies die Einleitung zu dem dritten Bande ihrer herrlichen Memoiren, in denen sich Madame Roland ein unvergängliches Denkmal gesetzt.
Der Vater Madame Rolands hiess Gatien Phlipon, Kupferstecher von Beruf, nebstbei auch Maler. Er wollte sich ganz der Emailmalerei widmen, weniger aus Neigung als aus Geschäftssinn. Aber seine Augen zwangen ihn, dieses Gebiet aufzugeben, er beschränkte sich dann bloss auf das Kupferstechen. Trotzdem er sehr fleissig war und die Mode gerade diese Kunstart bevorzugte und er überdies eine grosse Anzahl Arbeiter beschäftigen konnte, so trieb ihn der Wunsch, Reichtum zu erwerben, zum Handel. Er kaufte Schmuck, Diamanten oder nahm solche als Zahlung für seine Arbeiten an, um sie bei günstiger Gelegenheit wieder zu verkaufen. Dieses Streben, Reichtum auf unbekannten Gebieten zu erwerben, scheint den meisten verderblich zu werden. In den seltensten Fällen kommt ein Einzelner auf Umwegen zu fabelhaftem Reichtum und verführt durch sein Beispiel eine Menge anderer, die dann durch diese Nachahmung schmählich zugrunde gehen. Seine Kunst hätte genügt, ihm eine auskömmliche Existenz zu bieten, er aber wollte reich werden und endigte damit, sich zu ruinieren.
*) Als Goethe Im Jahre 1820 Madame Rolands Memoiren gelesen hatte, schrieb er in den „Tag- und Jahresheften“ folgendes darüber „Die Werke der Madame Roland erregten bewunderndes Erstaunen. Dass solche Charaktere und Talente zum Vorschein kommen, wird wohl der Hauptvorteil bleiben, welche unselige Zeiten der Nachwelt überliefern. Sie sind es denn auch, welche den abscheulichsten Tagen der Weltgeschichte in unsern Augen einen so hohen Wert geben
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