Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Nun ergriff ihr Verteidiger das Wort. Wir lassen hier die Schilderung des Eindruckes, den Chauveau-Lagarde später einmal darstellte, folgen: "Als ich mich erhob, hörte man einen dumpfen und verworrenen Lärm, wie vom Schrecken herrührend, und gleich darauf trat eine Totenstille ein, die einem bis ins innerste Herz erstarren machte. Während der öffentliche Ankläger sprach, liessen mir die Geschworenen sagen, ich sollte schweigen, und der Präsident verlangte, ich solle mich darauf beschränken zu behaupten, dass die Angeklagts wahnsinnig sei. Sie wollten alle, dass ich sie demütige. Was sie selbst betrifft, so war ihr Gesicht immer das gleiche. Nur sah sie mich in einer Weise an, die mir sagte, dass sie nicht gerechtfertigt sein wolle! Uebrigens konnte ich nach dem Verhör nicht daran zweifeln, dies war unmöglich, da unabhängig von ihrem Geständnis der gerichtliche Beweis vorlag, dass sie einen vorsätzlichen Mord begangen habe. Indessen, ganz entschlossen, meine Pflicht zu erfüllen, wollte ich nichts sagen, was mein Gewissen und die Angeklagte missbilligen könnten. Mit einemmale kam mir der Gedanke, mich auf eine einfache Beobachtung zu beschränken, die in einer Volksversammlung oder in einer gesetzgebenden Versammlung als Grundstoff zu einer ganzen Verteidigung hätte dienen können, und ich sagte: "Die Angeklagte gesteht kaltblütig die lange vorhergehende Ueberlegung, mit einem Wort, sie gesteht alles und sucht sich nicht einmal zu rechtfertigen. Das ist, Geschworene, Mitbürger, ihre ganze Verteidigung. Diese unveränderliche Gemütsruhe, diese Selbstverleugnung, die nicht einmal im Angesicht des Todes irgend welche Reue empfindet, diese Ruhe und Selbstaufopferung, erhaben in einem gewissen Betracht, existieren nicht in der Natur. Sie können sich nur durch die Begeisterung des politischen Fanatismus erklären, die ihr den Dolch in die Hand gedrückt haben. An Ihnen, meine Geschworenen, ist es zu urteilen, von welchem Gewichte diese Betrachtung in der Wagschale Nun ergriff ihr Verteidiger das Wort. Wir lassen hier die Schilderung des Eindruckes, den Chauveau-Lagarde später einmal darstellte, folgen: „Als ich mich erhob, hörte man einen dumpfen und verworrenen Lärm, wie vom Schrecken herrührend, und gleich darauf trat eine Totenstille ein, die einem bis ins innerste Herz erstarren machte. Während der öffentliche Ankläger sprach, liessen mir die Geschworenen sagen, ich sollte schweigen, und der Präsident verlangte, ich solle mich darauf beschränken zu behaupten, dass die Angeklagts wahnsinnig sei. Sie wollten alle, dass ich sie demütige. Was sie selbst betrifft, so war ihr Gesicht immer das gleiche. Nur sah sie mich in einer Weise an, die mir sagte, dass sie nicht gerechtfertigt sein wolle! Uebrigens konnte ich nach dem Verhör nicht daran zweifeln, dies war unmöglich, da unabhängig von ihrem Geständnis der gerichtliche Beweis vorlag, dass sie einen vorsätzlichen Mord begangen habe. Indessen, ganz entschlossen, meine Pflicht zu erfüllen, wollte ich nichts sagen, was mein Gewissen und die Angeklagte missbilligen könnten. Mit einemmale kam mir der Gedanke, mich auf eine einfache Beobachtung zu beschränken, die in einer Volksversammlung oder in einer gesetzgebenden Versammlung als Grundstoff zu einer ganzen Verteidigung hätte dienen können, und ich sagte: „Die Angeklagte gesteht kaltblütig die lange vorhergehende Ueberlegung, mit einem Wort, sie gesteht alles und sucht sich nicht einmal zu rechtfertigen. Das ist, Geschworene, Mitbürger, ihre ganze Verteidigung. Diese unveränderliche Gemütsruhe, diese Selbstverleugnung, die nicht einmal im Angesicht des Todes irgend welche Reue empfindet, diese Ruhe und Selbstaufopferung, erhaben in einem gewissen Betracht, existieren nicht in der Natur. Sie können sich nur durch die Begeisterung des politischen Fanatismus erklären, die ihr den Dolch in die Hand gedrückt haben. 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Nur sah sie mich in einer Weise an, die mir sagte, dass sie nicht gerechtfertigt sein wolle!</p> <p>Uebrigens konnte ich nach dem Verhör nicht daran zweifeln, dies war unmöglich, da unabhängig von ihrem Geständnis der gerichtliche Beweis vorlag, dass sie einen vorsätzlichen Mord begangen habe. Indessen, ganz entschlossen, meine Pflicht zu erfüllen, wollte ich nichts sagen, was mein Gewissen und die Angeklagte missbilligen könnten. Mit einemmale kam mir der Gedanke, mich auf eine einfache Beobachtung zu beschränken, die in einer Volksversammlung oder in einer gesetzgebenden Versammlung als Grundstoff zu einer ganzen Verteidigung hätte dienen können, und ich sagte: „Die Angeklagte gesteht kaltblütig die lange vorhergehende Ueberlegung, mit einem Wort, sie gesteht alles und sucht sich nicht einmal zu rechtfertigen. Das ist, Geschworene, Mitbürger, ihre ganze Verteidigung. Diese unveränderliche Gemütsruhe, diese Selbstverleugnung, die nicht einmal im Angesicht des Todes irgend welche Reue empfindet, diese Ruhe und Selbstaufopferung, erhaben in einem gewissen Betracht, existieren nicht in der Natur. Sie können sich nur durch die Begeisterung des politischen Fanatismus erklären, die ihr den Dolch in die Hand gedrückt haben. An Ihnen, meine Geschworenen, ist es zu urteilen, von welchem Gewichte diese Betrachtung in der Wagschale </p> </div> </body> </text> </TEI> [44/0062]
Nun ergriff ihr Verteidiger das Wort. Wir lassen hier die Schilderung des Eindruckes, den Chauveau-Lagarde später einmal darstellte, folgen: „Als ich mich erhob, hörte man einen dumpfen und verworrenen Lärm, wie vom Schrecken herrührend, und gleich darauf trat eine Totenstille ein, die einem bis ins innerste Herz erstarren machte. Während der öffentliche Ankläger sprach, liessen mir die Geschworenen sagen, ich sollte schweigen, und der Präsident verlangte, ich solle mich darauf beschränken zu behaupten, dass die Angeklagts wahnsinnig sei. Sie wollten alle, dass ich sie demütige. Was sie selbst betrifft, so war ihr Gesicht immer das gleiche. Nur sah sie mich in einer Weise an, die mir sagte, dass sie nicht gerechtfertigt sein wolle!
Uebrigens konnte ich nach dem Verhör nicht daran zweifeln, dies war unmöglich, da unabhängig von ihrem Geständnis der gerichtliche Beweis vorlag, dass sie einen vorsätzlichen Mord begangen habe. Indessen, ganz entschlossen, meine Pflicht zu erfüllen, wollte ich nichts sagen, was mein Gewissen und die Angeklagte missbilligen könnten. Mit einemmale kam mir der Gedanke, mich auf eine einfache Beobachtung zu beschränken, die in einer Volksversammlung oder in einer gesetzgebenden Versammlung als Grundstoff zu einer ganzen Verteidigung hätte dienen können, und ich sagte: „Die Angeklagte gesteht kaltblütig die lange vorhergehende Ueberlegung, mit einem Wort, sie gesteht alles und sucht sich nicht einmal zu rechtfertigen. Das ist, Geschworene, Mitbürger, ihre ganze Verteidigung. Diese unveränderliche Gemütsruhe, diese Selbstverleugnung, die nicht einmal im Angesicht des Todes irgend welche Reue empfindet, diese Ruhe und Selbstaufopferung, erhaben in einem gewissen Betracht, existieren nicht in der Natur. Sie können sich nur durch die Begeisterung des politischen Fanatismus erklären, die ihr den Dolch in die Hand gedrückt haben. An Ihnen, meine Geschworenen, ist es zu urteilen, von welchem Gewichte diese Betrachtung in der Wagschale
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