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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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Setze deine hochherzigen Anstrengungen fort, mein Freund. Brutus verzweifelte zu früh bei der Schlacht von Philippi, an der Rettung Roms. So lange ein Republikaner noch atmet, seine Freiheit hat, seinen Mut besitzt, muss er, kann er nützlich sein. Der Süden Frankreichs bietet dir für alle Fälle eine Zuflucht, es wird das Asyl der ehrenhaften Menschen sein. Dort ist's, wohin du deine Blicke wenden und deine Schritte lenken muss. Dort wirst du leben müssen, denn dort wirst du deinesgleichen nützen und deine Tugenden ausüben können.

Was mich betrifft, so werde ich ruhig die Rückkehr der Herrschaft der Gerechtigkeit abzuwarten wissen, oder ich werde die letzten Gewalttaten der Tyrannei über mich ergehen lassen, in einer Weise, dass auch mein Beispiel nicht ohne Nutzen sei. Wenn ich etwas gefürchtet habe, so war es nur, dass du für mich unüberlegte Anstrengungen machen wirst.

Mein Freund! Indem du unser Vaterland rettest, kannst du mein Heil bewirken, und ich möchte es nicht auf Kosten des anderen. Aber ich werde zufrieden mein Leben aushauchen, wenn ich weiss, dass du dem Vaterlande wirksam dienst. Tod, Qualen, Schmerzen bedeuten nichts für mich, ich kann es mit allem aufnehmen. Lass gut sein, ich werde bis zu meiner letzten Stunde leben, ohne auch nur einen Augenblick mit der Unruhe würdeloser Aufregung zu verlieren.

Uebrigens, wie immer auch die Wut sei, haben sie doch eine Art Schamgefühl, mein Verhaftsbefehl ist nicht begründet. Sie haben mich mündlich zu geheimer Haft verurteilt, aber sie haben es nicht gewagt, diesen strengen Befehl zu Papier zu bringen. Dank der Menschenfreundlichkeit meiner Wächter geniesse ich gewisse Erleichterungen, die ich verberge, um sie nicht zu kompromittieren. Aber dieses freundliche Verfahren knüpft fester als Ketten, und wenn ich mich auch durch die Flucht retten könnte, würde ich es nicht tun wollen, um den guten Kerkermeister nicht

Setze deine hochherzigen Anstrengungen fort, mein Freund. Brutus verzweifelte zu früh bei der Schlacht von Philippi, an der Rettung Roms. So lange ein Republikaner noch atmet, seine Freiheit hat, seinen Mut besitzt, muss er, kann er nützlich sein. Der Süden Frankreichs bietet dir für alle Fälle eine Zuflucht, es wird das Asyl der ehrenhaften Menschen sein. Dort ist’s, wohin du deine Blicke wenden und deine Schritte lenken muss. Dort wirst du leben müssen, denn dort wirst du deinesgleichen nützen und deine Tugenden ausüben können.

Was mich betrifft, so werde ich ruhig die Rückkehr der Herrschaft der Gerechtigkeit abzuwarten wissen, oder ich werde die letzten Gewalttaten der Tyrannei über mich ergehen lassen, in einer Weise, dass auch mein Beispiel nicht ohne Nutzen sei. Wenn ich etwas gefürchtet habe, so war es nur, dass du für mich unüberlegte Anstrengungen machen wirst.

Mein Freund! Indem du unser Vaterland rettest, kannst du mein Heil bewirken, und ich möchte es nicht auf Kosten des anderen. Aber ich werde zufrieden mein Leben aushauchen, wenn ich weiss, dass du dem Vaterlande wirksam dienst. Tod, Qualen, Schmerzen bedeuten nichts für mich, ich kann es mit allem aufnehmen. Lass gut sein, ich werde bis zu meiner letzten Stunde leben, ohne auch nur einen Augenblick mit der Unruhe würdeloser Aufregung zu verlieren.

Uebrigens, wie immer auch die Wut sei, haben sie doch eine Art Schamgefühl, mein Verhaftsbefehl ist nicht begründet. Sie haben mich mündlich zu geheimer Haft verurteilt, aber sie haben es nicht gewagt, diesen strengen Befehl zu Papier zu bringen. Dank der Menschenfreundlichkeit meiner Wächter geniesse ich gewisse Erleichterungen, die ich verberge, um sie nicht zu kompromittieren. Aber dieses freundliche Verfahren knüpft fester als Ketten, und wenn ich mich auch durch die Flucht retten könnte, würde ich es nicht tun wollen, um den guten Kerkermeister nicht

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        <p>Mein Freund! Indem du unser Vaterland rettest, kannst du mein Heil bewirken, und ich möchte es nicht auf Kosten des anderen. Aber ich werde zufrieden mein Leben aushauchen, wenn ich weiss, dass du dem Vaterlande wirksam dienst. Tod, Qualen, Schmerzen bedeuten nichts für mich, ich kann es mit allem aufnehmen. Lass gut sein, ich werde bis zu meiner letzten Stunde leben, ohne auch nur einen Augenblick mit der Unruhe würdeloser Aufregung zu verlieren.</p>
        <p>Uebrigens, wie immer auch die Wut sei, haben sie doch eine Art Schamgefühl, mein Verhaftsbefehl ist nicht begründet. Sie haben mich mündlich zu geheimer Haft verurteilt, aber sie haben es nicht gewagt, diesen strengen Befehl zu Papier zu bringen. Dank der Menschenfreundlichkeit meiner Wächter geniesse ich gewisse Erleichterungen, die ich verberge, um sie nicht zu kompromittieren. Aber dieses freundliche Verfahren knüpft fester als Ketten, und wenn ich mich auch durch die Flucht retten könnte, würde ich es nicht tun wollen, um den guten Kerkermeister nicht
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[151/0170] Setze deine hochherzigen Anstrengungen fort, mein Freund. Brutus verzweifelte zu früh bei der Schlacht von Philippi, an der Rettung Roms. So lange ein Republikaner noch atmet, seine Freiheit hat, seinen Mut besitzt, muss er, kann er nützlich sein. Der Süden Frankreichs bietet dir für alle Fälle eine Zuflucht, es wird das Asyl der ehrenhaften Menschen sein. Dort ist’s, wohin du deine Blicke wenden und deine Schritte lenken muss. Dort wirst du leben müssen, denn dort wirst du deinesgleichen nützen und deine Tugenden ausüben können. Was mich betrifft, so werde ich ruhig die Rückkehr der Herrschaft der Gerechtigkeit abzuwarten wissen, oder ich werde die letzten Gewalttaten der Tyrannei über mich ergehen lassen, in einer Weise, dass auch mein Beispiel nicht ohne Nutzen sei. Wenn ich etwas gefürchtet habe, so war es nur, dass du für mich unüberlegte Anstrengungen machen wirst. Mein Freund! Indem du unser Vaterland rettest, kannst du mein Heil bewirken, und ich möchte es nicht auf Kosten des anderen. Aber ich werde zufrieden mein Leben aushauchen, wenn ich weiss, dass du dem Vaterlande wirksam dienst. Tod, Qualen, Schmerzen bedeuten nichts für mich, ich kann es mit allem aufnehmen. Lass gut sein, ich werde bis zu meiner letzten Stunde leben, ohne auch nur einen Augenblick mit der Unruhe würdeloser Aufregung zu verlieren. Uebrigens, wie immer auch die Wut sei, haben sie doch eine Art Schamgefühl, mein Verhaftsbefehl ist nicht begründet. Sie haben mich mündlich zu geheimer Haft verurteilt, aber sie haben es nicht gewagt, diesen strengen Befehl zu Papier zu bringen. Dank der Menschenfreundlichkeit meiner Wächter geniesse ich gewisse Erleichterungen, die ich verberge, um sie nicht zu kompromittieren. Aber dieses freundliche Verfahren knüpft fester als Ketten, und wenn ich mich auch durch die Flucht retten könnte, würde ich es nicht tun wollen, um den guten Kerkermeister nicht

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/170>, abgerufen am 24.11.2024.