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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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grössten Bemühung von Grandpres Seite, noch immer nicht verlesen worden!

Madame Roland stand das Recht zu, sich für ihr Geld alle möglichen Erleichterungen und Verbesserungen anzuschaffen, aber sie machte von diesem Rechte keinen Gebrauch und wollte ihre Kraft im Entbehren üben und erproben. Es überkam sie die Lust, den Versuch zu machen, zu sehen, bis zu welchem Grade der menschliche Körper imstande sei, seine Bedürfnisse einzuschränken. Aber sie fand, dass es nötig sei, stufenweise vorzugehen, wenn man es darin weit bringen will. Nach und nach liess sie die Chokolade und den Kaffee vom Frühstück fort und begnügte sich mit Wasser und Brot; zu Mittag nahm sie nur ein Stück gewöhnliches Fleisch und etwas Gemüse, abends nur etwas Gemüse. Getränke gab es zu keiner Mahlzeit. Wenn sie diese ungenügende, frugale Kost einnahm, freute sie jedesmal der Gedanke an die Ersparnis, die den armen Teufeln zugute kam, wie auch über die unbekannten Segenswünsche, die ihr gewidmet wurden. Sie gab auch den Dienstleuten, als ob sie für sie arbeiteten und ihr allerlei Besorgungen zu machen hätten, trotzdem sie, wie schon gesagt, alle Arbeit selbst verrichtete; aber sie wollte die armen Leute nicht verkürzen, die von diesen kleinen Verdiensten ihren Unterhalt bestritten.

Madame Rolands Freund, Bosc, nahm sich ihrer kleinen Tochter an, indem er sie der Obhut einer ausgezeichneten Frau, namens Creuze-la-Touche anvertraute, sie wurde dort wie das eigene Kind der Familie aufgenommen und liebevoll gepflegt. Wir lassen hier eine Schilderung dieses Kindes folgen, die in Madame Rolands Memoiren enthalten ist: "Ich habe eine junge, liebenswürdige Tochter, die aber von Natur kalt und träge ist. Ich habe ihr Beispiele gegeben, die man in ihrem Alter nicht mehr vergisst, und sie wird eine gute Frau mit einigen Talenten sein, aber nie wird ihre stagnierende Seele und ihr Geist ohne Schwung, meinem Herzen jene süssen Freuden bieten, die es sich versprochen

grössten Bemühung von Grandprés Seite, noch immer nicht verlesen worden!

Madame Roland stand das Recht zu, sich für ihr Geld alle möglichen Erleichterungen und Verbesserungen anzuschaffen, aber sie machte von diesem Rechte keinen Gebrauch und wollte ihre Kraft im Entbehren üben und erproben. Es überkam sie die Lust, den Versuch zu machen, zu sehen, bis zu welchem Grade der menschliche Körper imstande sei, seine Bedürfnisse einzuschränken. Aber sie fand, dass es nötig sei, stufenweise vorzugehen, wenn man es darin weit bringen will. Nach und nach liess sie die Chokolade und den Kaffee vom Frühstück fort und begnügte sich mit Wasser und Brot; zu Mittag nahm sie nur ein Stück gewöhnliches Fleisch und etwas Gemüse, abends nur etwas Gemüse. Getränke gab es zu keiner Mahlzeit. Wenn sie diese ungenügende, frugale Kost einnahm, freute sie jedesmal der Gedanke an die Ersparnis, die den armen Teufeln zugute kam, wie auch über die unbekannten Segenswünsche, die ihr gewidmet wurden. Sie gab auch den Dienstleuten, als ob sie für sie arbeiteten und ihr allerlei Besorgungen zu machen hätten, trotzdem sie, wie schon gesagt, alle Arbeit selbst verrichtete; aber sie wollte die armen Leute nicht verkürzen, die von diesen kleinen Verdiensten ihren Unterhalt bestritten.

Madame Rolands Freund, Bosc, nahm sich ihrer kleinen Tochter an, indem er sie der Obhut einer ausgezeichneten Frau, namens Creuzé-la-Touche anvertraute, sie wurde dort wie das eigene Kind der Familie aufgenommen und liebevoll gepflegt. Wir lassen hier eine Schilderung dieses Kindes folgen, die in Madame Rolands Memoiren enthalten ist: „Ich habe eine junge, liebenswürdige Tochter, die aber von Natur kalt und träge ist. Ich habe ihr Beispiele gegeben, die man in ihrem Alter nicht mehr vergisst, und sie wird eine gute Frau mit einigen Talenten sein, aber nie wird ihre stagnierende Seele und ihr Geist ohne Schwung, meinem Herzen jene süssen Freuden bieten, die es sich versprochen

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[122/0141] grössten Bemühung von Grandprés Seite, noch immer nicht verlesen worden! Madame Roland stand das Recht zu, sich für ihr Geld alle möglichen Erleichterungen und Verbesserungen anzuschaffen, aber sie machte von diesem Rechte keinen Gebrauch und wollte ihre Kraft im Entbehren üben und erproben. Es überkam sie die Lust, den Versuch zu machen, zu sehen, bis zu welchem Grade der menschliche Körper imstande sei, seine Bedürfnisse einzuschränken. Aber sie fand, dass es nötig sei, stufenweise vorzugehen, wenn man es darin weit bringen will. Nach und nach liess sie die Chokolade und den Kaffee vom Frühstück fort und begnügte sich mit Wasser und Brot; zu Mittag nahm sie nur ein Stück gewöhnliches Fleisch und etwas Gemüse, abends nur etwas Gemüse. Getränke gab es zu keiner Mahlzeit. Wenn sie diese ungenügende, frugale Kost einnahm, freute sie jedesmal der Gedanke an die Ersparnis, die den armen Teufeln zugute kam, wie auch über die unbekannten Segenswünsche, die ihr gewidmet wurden. Sie gab auch den Dienstleuten, als ob sie für sie arbeiteten und ihr allerlei Besorgungen zu machen hätten, trotzdem sie, wie schon gesagt, alle Arbeit selbst verrichtete; aber sie wollte die armen Leute nicht verkürzen, die von diesen kleinen Verdiensten ihren Unterhalt bestritten. Madame Rolands Freund, Bosc, nahm sich ihrer kleinen Tochter an, indem er sie der Obhut einer ausgezeichneten Frau, namens Creuzé-la-Touche anvertraute, sie wurde dort wie das eigene Kind der Familie aufgenommen und liebevoll gepflegt. Wir lassen hier eine Schilderung dieses Kindes folgen, die in Madame Rolands Memoiren enthalten ist: „Ich habe eine junge, liebenswürdige Tochter, die aber von Natur kalt und träge ist. Ich habe ihr Beispiele gegeben, die man in ihrem Alter nicht mehr vergisst, und sie wird eine gute Frau mit einigen Talenten sein, aber nie wird ihre stagnierende Seele und ihr Geist ohne Schwung, meinem Herzen jene süssen Freuden bieten, die es sich versprochen

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/141>, abgerufen am 24.11.2024.