Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.treten, es würde ihr vielleicht in ihrer Eigenschaft als Frau mehr Gunst erwiesen werden. Uebrigens werde gerade über einen Gesetzentwurf mit sechs Paragraphen verhandelt und sicherlich könne ihr Brief vor anderthalb Stunden nicht zur Verlesung gelangen. Sie entschloss sich diese Zwischenzeit zu benützen, um zu Hause nachzusehen, was vorgehe. Als sie in ihr Haus trat, sagte ihr der Portier leise, dass Roland in die Wohnung des Hausherrn, im rückwärtigen Hof, gegangen sei; sie eilte hin, sie war in Schweiss gebadet, man reichte ihr ein Glas Wein und benachrichtigte sie, dass der Abgesandte mit dem Haftsbefehl wieder gekommen sei und sich im Gemeinderat kein Gehör verschaffen konnte, dass Roland später gegen den Befehl protestiert habe, und dass schliesslich die guten Leute verlangt hätten, er solle diesen Protest zu Protokoll geben, worauf sie sich zurückgezogen hätten. Daraufhin hätte Roland ihre Wohnung von der rückwärtigen Stiege aus verlassen. Madame Roland verliess auf die gleiche Weise das Haus und begab sich auf die Suche nach ihrem Manne, um ihm das, was sie bis nun unternommen hatte, mitzuteilen und ihn auch über ihre weiteren Schritte in Kenntnis zu setzen. Sie ging in verschiedene Häuser, um ihn zu suchen und fand ihn endlich. An der Stille der beleuchteten Strassen mutmasste sie, dass es schon spät sein müsse, es war tatsächlich mehr denn 10 Uhr. Das war ihr erster Ausgang nach einer schweren Erkrankung. Als sie wieder zum Karrussel kam, war die Sitzung aufgehoben. Als sie ihren Wagen besteigen wollte, rannte ein herrenloser Hund ganz zutraulich mit, sie nahm ihn mitleidig in ihren Wagen. Kaum war sie eine Strecke gefahren, musste der Kutscher auf den Zuruf einer Wache anhalten, der Wagenschlag wurde aufgerissen. "Wer da?" - "Eine Bürgerin!" - "Von wo kommen Sie?" - "Aus dem Konvent!" Der Kutscher bestätigte diese Aussage, als hätte er Angst, man könnte ihren Worten nicht Glauben schenken. "Wohin begeben Sie sich jetzt?" - "Nach Hause!" - "Haben Sie treten, es würde ihr vielleicht in ihrer Eigenschaft als Frau mehr Gunst erwiesen werden. Uebrigens werde gerade über einen Gesetzentwurf mit sechs Paragraphen verhandelt und sicherlich könne ihr Brief vor anderthalb Stunden nicht zur Verlesung gelangen. Sie entschloss sich diese Zwischenzeit zu benützen, um zu Hause nachzusehen, was vorgehe. Als sie in ihr Haus trat, sagte ihr der Portier leise, dass Roland in die Wohnung des Hausherrn, im rückwärtigen Hof, gegangen sei; sie eilte hin, sie war in Schweiss gebadet, man reichte ihr ein Glas Wein und benachrichtigte sie, dass der Abgesandte mit dem Haftsbefehl wieder gekommen sei und sich im Gemeinderat kein Gehör verschaffen konnte, dass Roland später gegen den Befehl protestiert habe, und dass schliesslich die guten Leute verlangt hätten, er solle diesen Protest zu Protokoll geben, worauf sie sich zurückgezogen hätten. Daraufhin hätte Roland ihre Wohnung von der rückwärtigen Stiege aus verlassen. Madame Roland verliess auf die gleiche Weise das Haus und begab sich auf die Suche nach ihrem Manne, um ihm das, was sie bis nun unternommen hatte, mitzuteilen und ihn auch über ihre weiteren Schritte in Kenntnis zu setzen. Sie ging in verschiedene Häuser, um ihn zu suchen und fand ihn endlich. An der Stille der beleuchteten Strassen mutmasste sie, dass es schon spät sein müsse, es war tatsächlich mehr denn 10 Uhr. Das war ihr erster Ausgang nach einer schweren Erkrankung. Als sie wieder zum Karrussel kam, war die Sitzung aufgehoben. Als sie ihren Wagen besteigen wollte, rannte ein herrenloser Hund ganz zutraulich mit, sie nahm ihn mitleidig in ihren Wagen. Kaum war sie eine Strecke gefahren, musste der Kutscher auf den Zuruf einer Wache anhalten, der Wagenschlag wurde aufgerissen. „Wer da?“ – „Eine Bürgerin!“ – „Von wo kommen Sie?“ – „Aus dem Konvent!“ Der Kutscher bestätigte diese Aussage, als hätte er Angst, man könnte ihren Worten nicht Glauben schenken. „Wohin begeben Sie sich jetzt?“ – „Nach Hause!“ – „Haben Sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0131" n="112"/> treten, es würde ihr vielleicht in ihrer Eigenschaft als Frau mehr Gunst erwiesen werden. Uebrigens werde gerade über einen Gesetzentwurf mit sechs Paragraphen verhandelt und sicherlich könne ihr Brief vor anderthalb Stunden nicht zur Verlesung gelangen. Sie entschloss sich diese Zwischenzeit zu benützen, um zu Hause nachzusehen, was vorgehe.</p> <p>Als sie in ihr Haus trat, sagte ihr der Portier leise, dass Roland in die Wohnung des Hausherrn, im rückwärtigen Hof, gegangen sei; sie eilte hin, sie war in Schweiss gebadet, man reichte ihr ein Glas Wein und benachrichtigte sie, dass der Abgesandte mit dem Haftsbefehl wieder gekommen sei und sich im Gemeinderat kein Gehör verschaffen konnte, dass Roland später gegen den Befehl protestiert habe, und dass schliesslich die guten Leute verlangt hätten, er solle diesen Protest zu Protokoll geben, worauf sie sich zurückgezogen hätten. Daraufhin hätte Roland ihre Wohnung von der rückwärtigen Stiege aus verlassen. Madame Roland verliess auf die gleiche Weise das Haus und begab sich auf die Suche nach ihrem Manne, um ihm das, was sie bis nun unternommen hatte, mitzuteilen und ihn auch über ihre weiteren Schritte in Kenntnis zu setzen. Sie ging in verschiedene Häuser, um ihn zu suchen und fand ihn endlich. An der Stille der beleuchteten Strassen mutmasste sie, dass es schon spät sein müsse, es war tatsächlich mehr denn 10 Uhr. Das war ihr erster Ausgang nach einer schweren Erkrankung. Als sie wieder zum Karrussel kam, war die Sitzung aufgehoben.</p> <p>Als sie ihren Wagen besteigen wollte, rannte ein herrenloser Hund ganz zutraulich mit, sie nahm ihn mitleidig in ihren Wagen. Kaum war sie eine Strecke gefahren, musste der Kutscher auf den Zuruf einer Wache anhalten, der Wagenschlag wurde aufgerissen. „Wer da?“ – „Eine Bürgerin!“ – „Von wo kommen Sie?“ – „Aus dem Konvent!“ Der Kutscher bestätigte diese Aussage, als hätte er Angst, man könnte ihren Worten nicht Glauben schenken. „Wohin begeben Sie sich jetzt?“ – „Nach Hause!“ – „Haben Sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [112/0131]
treten, es würde ihr vielleicht in ihrer Eigenschaft als Frau mehr Gunst erwiesen werden. Uebrigens werde gerade über einen Gesetzentwurf mit sechs Paragraphen verhandelt und sicherlich könne ihr Brief vor anderthalb Stunden nicht zur Verlesung gelangen. Sie entschloss sich diese Zwischenzeit zu benützen, um zu Hause nachzusehen, was vorgehe.
Als sie in ihr Haus trat, sagte ihr der Portier leise, dass Roland in die Wohnung des Hausherrn, im rückwärtigen Hof, gegangen sei; sie eilte hin, sie war in Schweiss gebadet, man reichte ihr ein Glas Wein und benachrichtigte sie, dass der Abgesandte mit dem Haftsbefehl wieder gekommen sei und sich im Gemeinderat kein Gehör verschaffen konnte, dass Roland später gegen den Befehl protestiert habe, und dass schliesslich die guten Leute verlangt hätten, er solle diesen Protest zu Protokoll geben, worauf sie sich zurückgezogen hätten. Daraufhin hätte Roland ihre Wohnung von der rückwärtigen Stiege aus verlassen. Madame Roland verliess auf die gleiche Weise das Haus und begab sich auf die Suche nach ihrem Manne, um ihm das, was sie bis nun unternommen hatte, mitzuteilen und ihn auch über ihre weiteren Schritte in Kenntnis zu setzen. Sie ging in verschiedene Häuser, um ihn zu suchen und fand ihn endlich. An der Stille der beleuchteten Strassen mutmasste sie, dass es schon spät sein müsse, es war tatsächlich mehr denn 10 Uhr. Das war ihr erster Ausgang nach einer schweren Erkrankung. Als sie wieder zum Karrussel kam, war die Sitzung aufgehoben.
Als sie ihren Wagen besteigen wollte, rannte ein herrenloser Hund ganz zutraulich mit, sie nahm ihn mitleidig in ihren Wagen. Kaum war sie eine Strecke gefahren, musste der Kutscher auf den Zuruf einer Wache anhalten, der Wagenschlag wurde aufgerissen. „Wer da?“ – „Eine Bürgerin!“ – „Von wo kommen Sie?“ – „Aus dem Konvent!“ Der Kutscher bestätigte diese Aussage, als hätte er Angst, man könnte ihren Worten nicht Glauben schenken. „Wohin begeben Sie sich jetzt?“ – „Nach Hause!“ – „Haben Sie
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