Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

Bild:
<< vorherige Seite

darum schere, seinen Posten zu verlieren, wenn er sie erfüllt, seien die Gefahren der Annahme gering. Ueberdies konnte ein diensteifriger Mensch, der das Bewusstsein seiner Fähigkeiten hatte, der Hoffnung gegenüber, seinem Vaterlande nützlich zu dienen, nicht unempfindlich bleiben. Roland entschloss sich also im bejahendem Sinne und machte Brissot davon Mitteilung. Am andern Tag, 11 Uhr nachts, kam Brissot, von Dumouriez begleitet, nach Schluss der geheimen Ratssitzung des Königs, um ihm die Ernennung zum Minister des Innern zu überbringen. Dumouriez, der seit kurzem Minister war, sprach von der aufrichtigen Geneigtheit des Königs, die Konstitution zu erhalten, und von dessen Hoffnung, dass die Staatsmaschine in gutem Gange sein werde, sobald der Ministerrat eines Geistes würde. Er sprach Roland seine besondere Befriedigung darüber aus, einen so tugendhaften und aufgeklärten Patrioten wie ihn zur Regierung berufen zu sehen. Brissot bemerkte, dass das Departement des Innern gegenwärtig das heikelste und überbürdetste sei, und dass es für die Freunde der Freiheit eine Beruhigung wäre, es so festen und reinen Händen anvertraut zu sehen. Man besprach noch, dass die Vorstellung vor Seiner Majestät am darauffolgenden Tage stattfinden würde, wie auch die Eidesleistung vor Eintritt in den Ministerrat. Das erstemal, als Roland in seinem gewöhnlichen Anzug, den er sich aus Bequemlichkeit seit langem angeeignet hatte, zu Hofe ging, seine schütteren, einfach gekämmten Haare, auf seinem ehrwürdigen Haupte einen runden Hut, Schuhe mit Bändern gebunden trug, blickten die Hoflakaien, die das grösste Gewicht auf die Etikette legten, von der ihr Dasein sich herleitete, ihn mit Entrüstung, ja sogar mit einer Art von Entsetzen an. Einer von ihnen näherte sich Dumouriez und sagte ihm stirnrunzelnd ins Ohr, indem er mit den Augen auf den Gegenstand seiner Bestürzung wies: "Mein Herr, keine Schnallen an den Schuhen!" Dumouriez rief mit komischem Ernst: "Mein Herr, alles ist verloren!" Dieses Wort wurde

darum schere, seinen Posten zu verlieren, wenn er sie erfüllt, seien die Gefahren der Annahme gering. Ueberdies konnte ein diensteifriger Mensch, der das Bewusstsein seiner Fähigkeiten hatte, der Hoffnung gegenüber, seinem Vaterlande nützlich zu dienen, nicht unempfindlich bleiben. Roland entschloss sich also im bejahendem Sinne und machte Brissot davon Mitteilung. Am andern Tag, 11 Uhr nachts, kam Brissot, von Dumouriez begleitet, nach Schluss der geheimen Ratssitzung des Königs, um ihm die Ernennung zum Minister des Innern zu überbringen. Dumouriez, der seit kurzem Minister war, sprach von der aufrichtigen Geneigtheit des Königs, die Konstitution zu erhalten, und von dessen Hoffnung, dass die Staatsmaschine in gutem Gange sein werde, sobald der Ministerrat eines Geistes würde. Er sprach Roland seine besondere Befriedigung darüber aus, einen so tugendhaften und aufgeklärten Patrioten wie ihn zur Regierung berufen zu sehen. Brissot bemerkte, dass das Departement des Innern gegenwärtig das heikelste und überbürdetste sei, und dass es für die Freunde der Freiheit eine Beruhigung wäre, es so festen und reinen Händen anvertraut zu sehen. Man besprach noch, dass die Vorstellung vor Seiner Majestät am darauffolgenden Tage stattfinden würde, wie auch die Eidesleistung vor Eintritt in den Ministerrat. Das erstemal, als Roland in seinem gewöhnlichen Anzug, den er sich aus Bequemlichkeit seit langem angeeignet hatte, zu Hofe ging, seine schütteren, einfach gekämmten Haare, auf seinem ehrwürdigen Haupte einen runden Hut, Schuhe mit Bändern gebunden trug, blickten die Hoflakaien, die das grösste Gewicht auf die Etikette legten, von der ihr Dasein sich herleitete, ihn mit Entrüstung, ja sogar mit einer Art von Entsetzen an. Einer von ihnen näherte sich Dumouriez und sagte ihm stirnrunzelnd ins Ohr, indem er mit den Augen auf den Gegenstand seiner Bestürzung wies: „Mein Herr, keine Schnallen an den Schuhen!“ Dumouriez rief mit komischem Ernst: „Mein Herr, alles ist verloren!“ Dieses Wort wurde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="95"/>
darum schere, seinen Posten zu verlieren, wenn er sie erfüllt, seien die Gefahren der Annahme gering. Ueberdies konnte ein diensteifriger Mensch, der das Bewusstsein seiner Fähigkeiten hatte, der Hoffnung gegenüber, seinem Vaterlande nützlich zu dienen, nicht unempfindlich bleiben. Roland entschloss sich also im bejahendem Sinne und machte Brissot davon Mitteilung. Am andern Tag, 11 Uhr nachts, kam Brissot, von Dumouriez begleitet, nach Schluss der geheimen Ratssitzung des Königs, um ihm die Ernennung zum Minister des Innern zu überbringen. Dumouriez, der seit kurzem Minister war, sprach von der aufrichtigen Geneigtheit des Königs, die Konstitution zu erhalten, und von dessen Hoffnung, dass die Staatsmaschine in gutem Gange sein werde, sobald der Ministerrat eines Geistes würde. Er sprach Roland seine besondere Befriedigung darüber aus, einen so tugendhaften und aufgeklärten Patrioten wie ihn zur Regierung berufen zu sehen. Brissot bemerkte, dass das Departement des Innern gegenwärtig das heikelste und überbürdetste sei, und dass es für die Freunde der Freiheit eine Beruhigung wäre, es so festen und reinen Händen anvertraut zu sehen. Man besprach noch, dass die Vorstellung vor Seiner Majestät am darauffolgenden Tage stattfinden würde, wie auch die Eidesleistung vor Eintritt in den Ministerrat. Das erstemal, als Roland in seinem gewöhnlichen Anzug, den er sich aus Bequemlichkeit seit langem angeeignet hatte, zu Hofe ging, seine schütteren, einfach gekämmten Haare, auf seinem ehrwürdigen Haupte einen runden Hut, Schuhe mit Bändern gebunden trug, blickten die Hoflakaien, die das grösste Gewicht auf die Etikette legten, von der ihr Dasein sich herleitete, ihn mit Entrüstung, ja sogar mit einer Art von Entsetzen an. Einer von ihnen näherte sich Dumouriez und sagte ihm stirnrunzelnd ins Ohr, indem er mit den Augen auf den Gegenstand seiner Bestürzung wies: &#x201E;Mein Herr, keine Schnallen an den Schuhen!&#x201C; Dumouriez rief mit komischem Ernst: &#x201E;Mein Herr, alles ist verloren!&#x201C; Dieses Wort wurde
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0114] darum schere, seinen Posten zu verlieren, wenn er sie erfüllt, seien die Gefahren der Annahme gering. Ueberdies konnte ein diensteifriger Mensch, der das Bewusstsein seiner Fähigkeiten hatte, der Hoffnung gegenüber, seinem Vaterlande nützlich zu dienen, nicht unempfindlich bleiben. Roland entschloss sich also im bejahendem Sinne und machte Brissot davon Mitteilung. Am andern Tag, 11 Uhr nachts, kam Brissot, von Dumouriez begleitet, nach Schluss der geheimen Ratssitzung des Königs, um ihm die Ernennung zum Minister des Innern zu überbringen. Dumouriez, der seit kurzem Minister war, sprach von der aufrichtigen Geneigtheit des Königs, die Konstitution zu erhalten, und von dessen Hoffnung, dass die Staatsmaschine in gutem Gange sein werde, sobald der Ministerrat eines Geistes würde. Er sprach Roland seine besondere Befriedigung darüber aus, einen so tugendhaften und aufgeklärten Patrioten wie ihn zur Regierung berufen zu sehen. Brissot bemerkte, dass das Departement des Innern gegenwärtig das heikelste und überbürdetste sei, und dass es für die Freunde der Freiheit eine Beruhigung wäre, es so festen und reinen Händen anvertraut zu sehen. Man besprach noch, dass die Vorstellung vor Seiner Majestät am darauffolgenden Tage stattfinden würde, wie auch die Eidesleistung vor Eintritt in den Ministerrat. Das erstemal, als Roland in seinem gewöhnlichen Anzug, den er sich aus Bequemlichkeit seit langem angeeignet hatte, zu Hofe ging, seine schütteren, einfach gekämmten Haare, auf seinem ehrwürdigen Haupte einen runden Hut, Schuhe mit Bändern gebunden trug, blickten die Hoflakaien, die das grösste Gewicht auf die Etikette legten, von der ihr Dasein sich herleitete, ihn mit Entrüstung, ja sogar mit einer Art von Entsetzen an. Einer von ihnen näherte sich Dumouriez und sagte ihm stirnrunzelnd ins Ohr, indem er mit den Augen auf den Gegenstand seiner Bestürzung wies: „Mein Herr, keine Schnallen an den Schuhen!“ Dumouriez rief mit komischem Ernst: „Mein Herr, alles ist verloren!“ Dieses Wort wurde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-02-11T11:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-02-11T11:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/114
Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/114>, abgerufen am 24.11.2024.