Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.verliess, wollte er nach Indien, doch hielt ihn Kränklichkeit ab, diesen Plan auszuführen. Er ging nach Rouen zu einem Verwandten, der Inspektor der Manufakturen war, und trat in dessen Bureau. Er erwies sich als sehr tüchtig und brauchbar. Nach dem Tode des Verwandten übernahm Herr Roland dessen Stelle. Als Roland von Italien zurückkam, fand er in Manon eine Freundin, die ihn gerne wiedersah; sein Ernst, sein Benehmen, seine Lebensführung, die ganz dem Studium gewidmet war, liessen ihn ihr sozusagen geschlechtslos erscheinen, oder wie einen Philosophen, der nur durch den Verstand existierte. Eine Art von Vertraulichkeit entstand zwischen ihnen, und er kam immer häufiger. Fünf Jahre waren vergangen, seit er ihre Bekanntschaft gemacht hatte, als er ihr eines Tages seine Liebe erklärte. Sie war nicht unempfindlich dafür, weil sie ihn mehr denn irgend einen andern Menschen, den sie bis dahin kennen gelernt hatte, schätzte. Sie antwortete ihm offen, dass sie sich geehrt fühle, dass sie aber nicht glaube eine gute Partie für ihn zu sein, und teilte ihm ohne Rückhalt ihre Lage mit. Ihr Vater sei ruiniert, sagte sie, sie selbst zu stolz, sich dem Uebelwollen einer Familie auszusetzen, die sich durch die Verbindung mit ihr nicht geehrt fühlen würde, oder der Grossmut eines Gatten, der nur Kränkungen begegnen würde. Manon widerriet Herrn Roland, an sie zu denken, als ob sie eine unbeteiligte, dritte Person gewesen wäre. Er aber beharrte. Sie war gerührt und willigte ein, dass er bei ihrem Vater um ihre Hand anhalte. Sie beschlossen, es solle schriftlich geschehen, und zwar von seinem Wohnorte aus. Herr Phlipon fand den Brief trocken, er liebte Herrn Rolands Steifheit nicht, er wollte keinen so strengen Schwiegersohn, dessen Blicke ihm wie die eines Sittenrichters erschienen. Er antwortete ihm mit Härte und Unverschämtheit. Er machte seiner Tochter erst Mitteilung davon, als der Brief abgeschickt war. Sie fasste sofort einen Entschluss verliess, wollte er nach Indien, doch hielt ihn Kränklichkeit ab, diesen Plan auszuführen. Er ging nach Rouen zu einem Verwandten, der Inspektor der Manufakturen war, und trat in dessen Bureau. Er erwies sich als sehr tüchtig und brauchbar. Nach dem Tode des Verwandten übernahm Herr Roland dessen Stelle. Als Roland von Italien zurückkam, fand er in Manon eine Freundin, die ihn gerne wiedersah; sein Ernst, sein Benehmen, seine Lebensführung, die ganz dem Studium gewidmet war, liessen ihn ihr sozusagen geschlechtslos erscheinen, oder wie einen Philosophen, der nur durch den Verstand existierte. Eine Art von Vertraulichkeit entstand zwischen ihnen, und er kam immer häufiger. Fünf Jahre waren vergangen, seit er ihre Bekanntschaft gemacht hatte, als er ihr eines Tages seine Liebe erklärte. Sie war nicht unempfindlich dafür, weil sie ihn mehr denn irgend einen andern Menschen, den sie bis dahin kennen gelernt hatte, schätzte. Sie antwortete ihm offen, dass sie sich geehrt fühle, dass sie aber nicht glaube eine gute Partie für ihn zu sein, und teilte ihm ohne Rückhalt ihre Lage mit. Ihr Vater sei ruiniert, sagte sie, sie selbst zu stolz, sich dem Uebelwollen einer Familie auszusetzen, die sich durch die Verbindung mit ihr nicht geehrt fühlen würde, oder der Grossmut eines Gatten, der nur Kränkungen begegnen würde. Manon widerriet Herrn Roland, an sie zu denken, als ob sie eine unbeteiligte, dritte Person gewesen wäre. Er aber beharrte. Sie war gerührt und willigte ein, dass er bei ihrem Vater um ihre Hand anhalte. Sie beschlossen, es solle schriftlich geschehen, und zwar von seinem Wohnorte aus. Herr Phlipon fand den Brief trocken, er liebte Herrn Rolands Steifheit nicht, er wollte keinen so strengen Schwiegersohn, dessen Blicke ihm wie die eines Sittenrichters erschienen. Er antwortete ihm mit Härte und Unverschämtheit. Er machte seiner Tochter erst Mitteilung davon, als der Brief abgeschickt war. Sie fasste sofort einen Entschluss <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="87"/> verliess, wollte er nach Indien, doch hielt ihn Kränklichkeit ab, diesen Plan auszuführen. Er ging nach Rouen zu einem Verwandten, der Inspektor der Manufakturen war, und trat in dessen Bureau. Er erwies sich als sehr tüchtig und brauchbar. Nach dem Tode des Verwandten übernahm Herr Roland dessen Stelle.</p> <p>Als Roland von Italien zurückkam, fand er in Manon eine Freundin, die ihn gerne wiedersah; sein Ernst, sein Benehmen, seine Lebensführung, die ganz dem Studium gewidmet war, liessen ihn ihr sozusagen geschlechtslos erscheinen, oder wie einen Philosophen, der nur durch den Verstand existierte. Eine Art von Vertraulichkeit entstand zwischen ihnen, und er kam immer häufiger. Fünf Jahre waren vergangen, seit er ihre Bekanntschaft gemacht hatte, als er ihr eines Tages seine Liebe erklärte. Sie war nicht unempfindlich dafür, weil sie ihn mehr denn irgend einen andern Menschen, den sie bis dahin kennen gelernt hatte, schätzte. Sie antwortete ihm offen, dass sie sich geehrt fühle, dass sie aber nicht glaube eine gute Partie für ihn zu sein, und teilte ihm ohne Rückhalt ihre Lage mit. Ihr Vater sei ruiniert, sagte sie, sie selbst zu stolz, sich dem Uebelwollen einer Familie auszusetzen, die sich durch die Verbindung mit ihr nicht geehrt fühlen würde, oder der Grossmut eines Gatten, der nur Kränkungen begegnen würde. Manon widerriet Herrn Roland, an sie zu denken, als ob sie eine unbeteiligte, dritte Person gewesen wäre. Er aber beharrte. Sie war gerührt und willigte ein, dass er bei ihrem Vater um ihre Hand anhalte. Sie beschlossen, es solle schriftlich geschehen, und zwar von seinem Wohnorte aus.</p> <p>Herr Phlipon fand den Brief trocken, er liebte Herrn Rolands Steifheit nicht, er wollte keinen so strengen Schwiegersohn, dessen Blicke ihm wie die eines Sittenrichters erschienen. Er antwortete ihm mit Härte und Unverschämtheit. Er machte seiner Tochter erst Mitteilung davon, als der Brief abgeschickt war. Sie fasste sofort einen Entschluss </p> </div> </body> </text> </TEI> [87/0106]
verliess, wollte er nach Indien, doch hielt ihn Kränklichkeit ab, diesen Plan auszuführen. Er ging nach Rouen zu einem Verwandten, der Inspektor der Manufakturen war, und trat in dessen Bureau. Er erwies sich als sehr tüchtig und brauchbar. Nach dem Tode des Verwandten übernahm Herr Roland dessen Stelle.
Als Roland von Italien zurückkam, fand er in Manon eine Freundin, die ihn gerne wiedersah; sein Ernst, sein Benehmen, seine Lebensführung, die ganz dem Studium gewidmet war, liessen ihn ihr sozusagen geschlechtslos erscheinen, oder wie einen Philosophen, der nur durch den Verstand existierte. Eine Art von Vertraulichkeit entstand zwischen ihnen, und er kam immer häufiger. Fünf Jahre waren vergangen, seit er ihre Bekanntschaft gemacht hatte, als er ihr eines Tages seine Liebe erklärte. Sie war nicht unempfindlich dafür, weil sie ihn mehr denn irgend einen andern Menschen, den sie bis dahin kennen gelernt hatte, schätzte. Sie antwortete ihm offen, dass sie sich geehrt fühle, dass sie aber nicht glaube eine gute Partie für ihn zu sein, und teilte ihm ohne Rückhalt ihre Lage mit. Ihr Vater sei ruiniert, sagte sie, sie selbst zu stolz, sich dem Uebelwollen einer Familie auszusetzen, die sich durch die Verbindung mit ihr nicht geehrt fühlen würde, oder der Grossmut eines Gatten, der nur Kränkungen begegnen würde. Manon widerriet Herrn Roland, an sie zu denken, als ob sie eine unbeteiligte, dritte Person gewesen wäre. Er aber beharrte. Sie war gerührt und willigte ein, dass er bei ihrem Vater um ihre Hand anhalte. Sie beschlossen, es solle schriftlich geschehen, und zwar von seinem Wohnorte aus.
Herr Phlipon fand den Brief trocken, er liebte Herrn Rolands Steifheit nicht, er wollte keinen so strengen Schwiegersohn, dessen Blicke ihm wie die eines Sittenrichters erschienen. Er antwortete ihm mit Härte und Unverschämtheit. Er machte seiner Tochter erst Mitteilung davon, als der Brief abgeschickt war. Sie fasste sofort einen Entschluss
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