Wenn die Entdeckungen in dieser Wissenschaft, sagt Herr Btydone, höher steigen werden, so wer- den wir vielleicht finden, daß die sogenannten Nerden- schwächen und andere Krankheiten, welche wir bloß dem Namen nach kennen, davon herkommen, daß sich in den Körpern entweder zu viel oder zu wenig von dieser feinen Materie befindet, welche vielleicht das Vehiculum aller unserer Empfindungen ist. Bekanntermassen wird bey feuchtem und neblichen Wetter diese Materie von der Feuchtigkeit geschwächt und absorbiret, ihre Wirksamkeit vermindert, und das, was man von ihr gesammlet hat, bald zerstreuet; alsdann ermatten unsere Lebenskräste, und unser Gefühl wird stumpfer. Bey den schädlichen Win- den in Neapel, wobey die Lust aller elektrischen Materie beraubt zu seyn scheinet, wird der ganze Körper erschlaffet, und die Nerven scheinen ihre Spannung und Elasticität zu verlieren, bis der Nordwestwind die belebende Kraft wiederherstellet, die dem Körper seine Spannung wie- vergiebt, und die ganze in ihrer Abwesenheit ermattete Natur wieder verjünget. Es ist dies auch gar nicht zu verwundern, da die Spannung und Erschlaffung im menschlichen Körper von dem verschiednen Zustande der elektrischen Materie, und nicht von einer Veränderung ver Fibern selbst, oder von einer Ausdehnung und Zu- sammenziehung derselben herrührt. Man hat sonst der Kälte eine solche zusammenziehende Kraft zugeschrieben, obgleich die Muskeln des thierischen Körpers mehr zusam- mengezogen werden, wenn sie warm sind, und in der Kälte hingegen erschlaffen.
Die Herren Iallabert und de Saussüre kamen auf ihren Alpenreisen in Gewitterwolken, und fanden da- bey ihren ganzen Körper elektrisch. Aus ihren Fingern strömten freywillig Feuerstralen mit einem knisternden Ge- räusch, und ihre Empfindungen waren eben so, als ob sie durch Kunst sehr stark elektrisirek wären. Es fällt sehr deutlich in die Augen, daß diese Empfindungen von einem
Mediciniſche Elektricität.
Wenn die Entdeckungen in dieſer Wiſſenſchaft, ſagt Herr Btydone, höher ſteigen werden, ſo wer- den wir vielleicht finden, daß die ſogenannten Nerden- ſchwächen und andere Krankheiten, welche wir bloß dem Namen nach kennen, davon herkommen, daß ſich in den Körpern entweder zu viel oder zu wenig von dieſer feinen Materie befindet, welche vielleicht das Vehiculum aller unſerer Empfindungen iſt. Bekanntermaſſen wird bey feuchtem und neblichen Wetter dieſe Materie von der Feuchtigkeit geſchwächt und abſorbiret, ihre Wirkſamkeit vermindert, und das, was man von ihr geſammlet hat, bald zerſtreuet; alsdann ermatten unſere Lebenskräſte, und unſer Gefühl wird ſtumpfer. Bey den ſchädlichen Win- den in Neapel, wobey die Luſt aller elektriſchen Materie beraubt zu ſeyn ſcheinet, wird der ganze Körper erſchlaffet, und die Nerven ſcheinen ihre Spannung und Elaſticität zu verlieren, bis der Nordweſtwind die belebende Kraft wiederherſtellet, die dem Körper ſeine Spannung wie- vergiebt, und die ganze in ihrer Abweſenheit ermattete Natur wieder verjünget. Es iſt dies auch gar nicht zu verwundern, da die Spannung und Erſchlaffung im menſchlichen Körper von dem verſchiednen Zuſtande der elektriſchen Materie, und nicht von einer Veränderung ver Fibern ſelbſt, oder von einer Ausdehnung und Zu- ſammenziehung derſelben herrührt. Man hat ſonſt der Kälte eine ſolche zuſammenziehende Kraft zugeſchrieben, obgleich die Muſkeln des thieriſchen Körpers mehr zuſam- mengezogen werden, wenn ſie warm ſind, und in der Kälte hingegen erſchlaffen.
Die Herren Iallabert und de Sauſſüre kamen auf ihren Alpenreiſen in Gewitterwolken, und fanden da- bey ihren ganzen Körper elektriſch. Aus ihren Fingern ſtrömten freywillig Feuerſtralen mit einem kniſternden Ge- räuſch, und ihre Empfindungen waren eben ſo, als ob ſie durch Kunſt ſehr ſtark elektriſirek wären. Es fällt ſehr deutlich in die Augen, daß dieſe Empfindungen von einem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0213"n="193"/><fwplace="top"type="header">Mediciniſche Elektricität.</fw><p>Wenn die Entdeckungen in dieſer Wiſſenſchaft,<lb/>ſagt Herr Btydone, höher ſteigen werden, ſo wer-<lb/>
den wir vielleicht finden, daß die ſogenannten Nerden-<lb/>ſchwächen und andere Krankheiten, welche wir bloß dem<lb/>
Namen nach kennen, davon herkommen, daß ſich in den<lb/>
Körpern entweder zu viel oder zu wenig von dieſer feinen<lb/>
Materie befindet, welche vielleicht das Vehiculum aller<lb/>
unſerer Empfindungen iſt. Bekanntermaſſen wird bey<lb/>
feuchtem und neblichen Wetter dieſe Materie von der<lb/>
Feuchtigkeit geſchwächt und abſorbiret, ihre Wirkſamkeit<lb/>
vermindert, und das, was man von ihr geſammlet hat,<lb/>
bald zerſtreuet; alsdann ermatten unſere Lebenskräſte, und<lb/>
unſer Gefühl wird ſtumpfer. Bey den ſchädlichen Win-<lb/>
den in Neapel, wobey die Luſt aller elektriſchen Materie<lb/>
beraubt zu ſeyn ſcheinet, wird der ganze Körper erſchlaffet,<lb/>
und die Nerven ſcheinen ihre Spannung und Elaſticität<lb/>
zu verlieren, bis der Nordweſtwind die belebende Kraft<lb/>
wiederherſtellet, die dem Körper ſeine Spannung wie-<lb/>
vergiebt, und die ganze in ihrer Abweſenheit ermattete<lb/>
Natur wieder verjünget. Es iſt dies auch gar nicht zu<lb/>
verwundern, da die Spannung und Erſchlaffung im<lb/>
menſchlichen Körper von dem verſchiednen Zuſtande der<lb/>
elektriſchen Materie, und nicht von einer Veränderung<lb/>
ver Fibern ſelbſt, oder von einer Ausdehnung und Zu-<lb/>ſammenziehung derſelben herrührt. Man hat ſonſt der<lb/>
Kälte eine ſolche zuſammenziehende Kraft zugeſchrieben,<lb/>
obgleich die Muſkeln des thieriſchen Körpers mehr zuſam-<lb/>
mengezogen werden, wenn ſie warm ſind, und in der<lb/>
Kälte hingegen erſchlaffen.</p><p>Die Herren Iallabert und de Sauſſüre kamen<lb/>
auf ihren Alpenreiſen in Gewitterwolken, und fanden da-<lb/>
bey ihren ganzen Körper elektriſch. Aus ihren Fingern<lb/>ſtrömten freywillig Feuerſtralen mit einem kniſternden Ge-<lb/>
räuſch, und ihre Empfindungen waren eben ſo, als ob ſie<lb/>
durch Kunſt ſehr ſtark elektriſirek wären. Es fällt ſehr<lb/>
deutlich in die Augen, daß dieſe Empfindungen von einem
</p></div></div></body></text></TEI>
[193/0213]
Mediciniſche Elektricität.
Wenn die Entdeckungen in dieſer Wiſſenſchaft,
ſagt Herr Btydone, höher ſteigen werden, ſo wer-
den wir vielleicht finden, daß die ſogenannten Nerden-
ſchwächen und andere Krankheiten, welche wir bloß dem
Namen nach kennen, davon herkommen, daß ſich in den
Körpern entweder zu viel oder zu wenig von dieſer feinen
Materie befindet, welche vielleicht das Vehiculum aller
unſerer Empfindungen iſt. Bekanntermaſſen wird bey
feuchtem und neblichen Wetter dieſe Materie von der
Feuchtigkeit geſchwächt und abſorbiret, ihre Wirkſamkeit
vermindert, und das, was man von ihr geſammlet hat,
bald zerſtreuet; alsdann ermatten unſere Lebenskräſte, und
unſer Gefühl wird ſtumpfer. Bey den ſchädlichen Win-
den in Neapel, wobey die Luſt aller elektriſchen Materie
beraubt zu ſeyn ſcheinet, wird der ganze Körper erſchlaffet,
und die Nerven ſcheinen ihre Spannung und Elaſticität
zu verlieren, bis der Nordweſtwind die belebende Kraft
wiederherſtellet, die dem Körper ſeine Spannung wie-
vergiebt, und die ganze in ihrer Abweſenheit ermattete
Natur wieder verjünget. Es iſt dies auch gar nicht zu
verwundern, da die Spannung und Erſchlaffung im
menſchlichen Körper von dem verſchiednen Zuſtande der
elektriſchen Materie, und nicht von einer Veränderung
ver Fibern ſelbſt, oder von einer Ausdehnung und Zu-
ſammenziehung derſelben herrührt. Man hat ſonſt der
Kälte eine ſolche zuſammenziehende Kraft zugeſchrieben,
obgleich die Muſkeln des thieriſchen Körpers mehr zuſam-
mengezogen werden, wenn ſie warm ſind, und in der
Kälte hingegen erſchlaffen.
Die Herren Iallabert und de Sauſſüre kamen
auf ihren Alpenreiſen in Gewitterwolken, und fanden da-
bey ihren ganzen Körper elektriſch. Aus ihren Fingern
ſtrömten freywillig Feuerſtralen mit einem kniſternden Ge-
räuſch, und ihre Empfindungen waren eben ſo, als ob ſie
durch Kunſt ſehr ſtark elektriſirek wären. Es fällt ſehr
deutlich in die Augen, daß dieſe Empfindungen von einem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-18T11:17:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Elena Kirillova: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-18T11:17:52Z)
Adams, George: Versuch über die Electricität. Leipzig, 1785, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adams_elektricitaet_1785/213>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.