weilen auch das Regierungswesen, wenn es so viel als Staatsverfassung bedeutet. Aber in dem Worte Staatswissenschaft hat es ei- ne ganz andre Bedeutung. Diese macht sich nicht bloß mit Menschen; sondern auch mit ih- rem Eigenthum zuschaffen. Wir werden also wohl den Staat als den Jnbegriff alles des- sen ansehen müssen, was in einer bürgerli- chen Gesellschaft und deren Lande würckliches angetroffen wird?
§. 4.
Jm weitläuftigsten Verstande kann man diese Erklärung gelten lassen; aber unsere Ab- sicht erfordert, solche mehr einzuschräncken. Man will etwas lernen: also hat man einen Endzweck. Der Endzweck muß einen wahren Nutzen zum Grunde haben. Wie wird uns denn die Er- kenntniß eines Staats nützlich? Auf vielerley Art; der Hauptnutzen aber bestehet darinnen, daß man hieraus einsehen lernt, wie glücksee- lig oder ungiückseelig ein Reich sey, so wohl an sich selbst betrachtet, als in Absicht auf andere Staaten, und dadurch in den Stand gesetzt wird, Schlüsse zu formiren, wie ein Staat klüglich zu regieren sey, das heißt, um davon eine Anwendung in der Politic zu ma- chen. Also gehöret nur dasjenige hieher, was die Wohlfahrt einer Republic in einem merck- lichen Grade angeht, es mag nun solche hin-
dern
A 2
Staatswiſſenſchaft.
weilen auch das Regierungsweſen, wenn es ſo viel als Staatsverfaſſung bedeutet. Aber in dem Worte Staatswiſſenſchaft hat es ei- ne ganz andre Bedeutung. Dieſe macht ſich nicht bloß mit Menſchen; ſondern auch mit ih- rem Eigenthum zuſchaffen. Wir werden alſo wohl den Staat als den Jnbegriff alles deſ- ſen anſehen muͤſſen, was in einer buͤrgerli- chen Geſellſchaft und deren Lande wuͤrckliches angetroffen wird?
§. 4.
Jm weitlaͤuftigſten Verſtande kann man dieſe Erklaͤrung gelten laſſen; aber unſere Ab- ſicht erfordert, ſolche mehr einzuſchraͤncken. Man will etwas lernen: alſo hat man einen Endzweck. Der Endzweck muß einen wahren Nutzen zum Grunde haben. Wie wird uns denn die Er- kenntniß eines Staats nuͤtzlich? Auf vielerley Art; der Hauptnutzen aber beſtehet darinnen, daß man hieraus einſehen lernt, wie gluͤckſee- lig oder ungiuͤckſeelig ein Reich ſey, ſo wohl an ſich ſelbſt betrachtet, als in Abſicht auf andere Staaten, und dadurch in den Stand geſetzt wird, Schluͤſſe zu formiren, wie ein Staat kluͤglich zu regieren ſey, das heißt, um davon eine Anwendung in der Politic zu ma- chen. Alſo gehoͤret nur dasjenige hieher, was die Wohlfahrt einer Republic in einem merck- lichen Grade angeht, es mag nun ſolche hin-
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Staatswiſſenſchaft.
weilen auch das Regierungsweſen, wenn es
ſo viel als Staatsverfaſſung bedeutet. Aber
in dem Worte Staatswiſſenſchaft hat es ei-
ne ganz andre Bedeutung. Dieſe macht ſich
nicht bloß mit Menſchen; ſondern auch mit ih-
rem Eigenthum zuſchaffen. Wir werden alſo
wohl den Staat als den Jnbegriff alles deſ-
ſen anſehen muͤſſen, was in einer buͤrgerli-
chen Geſellſchaft und deren Lande wuͤrckliches
angetroffen wird?
§. 4.
Jm weitlaͤuftigſten Verſtande kann man
dieſe Erklaͤrung gelten laſſen; aber unſere Ab-
ſicht erfordert, ſolche mehr einzuſchraͤncken. Man
will etwas lernen: alſo hat man einen Endzweck.
Der Endzweck muß einen wahren Nutzen zum
Grunde haben. Wie wird uns denn die Er-
kenntniß eines Staats nuͤtzlich? Auf vielerley
Art; der Hauptnutzen aber beſtehet darinnen,
daß man hieraus einſehen lernt, wie gluͤckſee-
lig oder ungiuͤckſeelig ein Reich ſey, ſo wohl an
ſich ſelbſt betrachtet, als in Abſicht auf andere
Staaten, und dadurch in den Stand geſetzt
wird, Schluͤſſe zu formiren, wie ein
Staat kluͤglich zu regieren ſey, das heißt, um
davon eine Anwendung in der Politic zu ma-
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Achenwall, Gottfried: Abriß der neuesten Staatswissenschaft der vornehmsten Europäischen Reiche und Republicken. Göttingen, 1749, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/achenwall_staatswissenschaft_1749/17>, abgerufen am 22.02.2025.
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