Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.Ehren-Gedächtniß. sern fürtrefflichen Frey-Herrn von Abschatz zu seinem Rath-geber erkiesete/ ist niemahls von ihm unvergnügt/ wie von dem wohlthätigen Titus niemand unbegabt/ weggegangen: Die Bekümmerten wuste er zu trösten/ verworrene Sachen zu verrichten/ und iedweder erlangte in seinem Hause viel ge- wisser/ als die Griechen bey dem zweydeutigen Apollo zu Delphis/ und Ammonischen Jupiter/ richtigen Bescheid. Hier- bey fiel er niemanden mit verdrüßlichen Minen beschwerlich/ sondern begegnete allen mit einer grossen Bescheidenheit. Denn er wuste wohl/ daß/ wie ein Edelgestein den rechten Glantz der Faust des polirenden Meisters zu dancken hat/ so auch die Ubermasse des Verstandes von der Demutt ihren völligen Werth bekomme. Die Hohen suchte er mit gezie- mender Ehrerbittigkeit zu empfangen/ gutte Freunde mit aller ersinnlichen Vergnügung/ und der köstlichsten Würtze erbaulicher Reden zu unterhalten/ und die Niedrigen durch freundliches Zureden sich verbindlich zu machen. Die Freundligkeit aber saß nicht nur auff der Zunge/ worunter die meisten so viel Galle/ wie die Nattern Gifft/ zu hegen pfle- gen/ sondern sie war auch im Hertzen feste gewurtzelt. Was der Mund sprach/ billigte das Hertze; und was das Hertze beschlossen/ versicherte der Mund. Die Schmincke der Heucheley/ welche die Zeit eben so wohl von falschen Wor- ten/ als heßlichen Antlitzen abwischet/ war ihm so unbekandt/ wie die Crocodile in Spanien; ungeachtet die itzige Welt niemanden für klug halten will/ der sich nicht so offt zu ver- stellen/ wie der Monde sich zu ändern/ weiß. In seinem redlichem Gemütte war weniger Falschheit/ als in einem wohlgereinigten Magen Galle zu finden; und wiewohl er keines Menschen Unterfangen beurtheilte/ vielweniger ie- manden mit schelen Augen ansahe/ konte er doch der Miß- gunst/ welche auch den besten Tugenden nachzutreten pflegt/ nicht entgehen; die aber seine Großmüttigkeit nicht höher/ als das Summen einer unverschämten Fliege zu achten ge- wohnt war. Denn hohe Gemütter müssen sich so wenig den Neid; als die Liljen die um sie wachsenden Disteln auff- halten lassen/ ihren geraden Halß gegen den Himmel und zu ruhmbaren Thaten auszustrecken. Und weil die Ge- mütts-
Ehren-Gedaͤchtniß. ſern fuͤrtrefflichen Frey-Herrn von Abſchatz zu ſeinem Rath-geber erkieſete/ iſt niemahls von ihm unvergnuͤgt/ wie von dem wohlthaͤtigen Titus niemand unbegabt/ weggegangen: Die Bekuͤmmerten wuſte er zu troͤſten/ verworrene Sachen zu verrichten/ und iedweder erlangte in ſeinem Hauſe viel ge- wiſſer/ als die Griechen bey dem zweydeutigen Apollo zu Delphis/ und Ammoniſchen Jupiter/ richtigen Beſcheid. Hier- bey fiel er niemanden mit verdruͤßlichen Minen beſchwerlich/ ſondern begegnete allen mit einer groſſen Beſcheidenheit. Denn er wuſte wohl/ daß/ wie ein Edelgeſtein den rechten Glantz der Fauſt des polirenden Meiſters zu dancken hat/ ſo auch die Ubermaſſe des Verſtandes von der Demutt ihren voͤlligen Werth bekomme. Die Hohen ſuchte er mit gezie- mender Ehrerbittigkeit zu empfangen/ gutte Freunde mit aller erſinnlichen Vergnuͤgung/ und der koͤſtlichſten Wuͤrtze erbaulicher Reden zu unterhalten/ und die Niedrigen durch freundliches Zureden ſich verbindlich zu machen. Die Freundligkeit aber ſaß nicht nur auff der Zunge/ worunter die meiſten ſo viel Galle/ wie die Nattern Gifft/ zu hegen pfle- gen/ ſondern ſie war auch im Hertzen feſte gewurtzelt. Was der Mund ſprach/ billigte das Hertze; und was das Hertze beſchloſſen/ verſicherte der Mund. Die Schmincke der Heucheley/ welche die Zeit eben ſo wohl von falſchen Wor- ten/ als heßlichen Antlitzen abwiſchet/ war ihm ſo unbekandt/ wie die Crocodile in Spanien; ungeachtet die itzige Welt niemanden fuͤr klug halten will/ der ſich nicht ſo offt zu ver- ſtellen/ wie der Monde ſich zu aͤndern/ weiß. In ſeinem redlichem Gemuͤtte war weniger Falſchheit/ als in einem wohlgereinigten Magen Galle zu finden; und wiewohl er keines Menſchen Unterfangen beurtheilte/ vielweniger ie- manden mit ſchelen Augen anſahe/ konte er doch der Miß- gunſt/ welche auch den beſten Tugenden nachzutreten pflegt/ nicht entgehen; die aber ſeine Großmuͤttigkeit nicht hoͤher/ als das Summen einer unverſchaͤmten Fliege zu achten ge- wohnt war. Denn hohe Gemuͤtter muͤſſen ſich ſo wenig den Neid; als die Liljen die um ſie wachſenden Diſteln auff- halten laſſen/ ihren geraden Halß gegen den Himmel und zu ruhmbaren Thaten auszuſtrecken. Und weil die Ge- muͤtts-
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Ehren-Gedaͤchtniß.
ſern fuͤrtrefflichen Frey-Herrn von Abſchatz zu ſeinem Rath-
geber erkieſete/ iſt niemahls von ihm unvergnuͤgt/ wie von
dem wohlthaͤtigen Titus niemand unbegabt/ weggegangen:
Die Bekuͤmmerten wuſte er zu troͤſten/ verworrene Sachen
zu verrichten/ und iedweder erlangte in ſeinem Hauſe viel ge-
wiſſer/ als die Griechen bey dem zweydeutigen Apollo zu
Delphis/ und Ammoniſchen Jupiter/ richtigen Beſcheid. Hier-
bey fiel er niemanden mit verdruͤßlichen Minen beſchwerlich/
ſondern begegnete allen mit einer groſſen Beſcheidenheit.
Denn er wuſte wohl/ daß/ wie ein Edelgeſtein den rechten
Glantz der Fauſt des polirenden Meiſters zu dancken hat/
ſo auch die Ubermaſſe des Verſtandes von der Demutt ihren
voͤlligen Werth bekomme. Die Hohen ſuchte er mit gezie-
mender Ehrerbittigkeit zu empfangen/ gutte Freunde mit
aller erſinnlichen Vergnuͤgung/ und der koͤſtlichſten Wuͤrtze
erbaulicher Reden zu unterhalten/ und die Niedrigen durch
freundliches Zureden ſich verbindlich zu machen. Die
Freundligkeit aber ſaß nicht nur auff der Zunge/ worunter
die meiſten ſo viel Galle/ wie die Nattern Gifft/ zu hegen pfle-
gen/ ſondern ſie war auch im Hertzen feſte gewurtzelt. Was
der Mund ſprach/ billigte das Hertze; und was das Hertze
beſchloſſen/ verſicherte der Mund. Die Schmincke der
Heucheley/ welche die Zeit eben ſo wohl von falſchen Wor-
ten/ als heßlichen Antlitzen abwiſchet/ war ihm ſo unbekandt/
wie die Crocodile in Spanien; ungeachtet die itzige Welt
niemanden fuͤr klug halten will/ der ſich nicht ſo offt zu ver-
ſtellen/ wie der Monde ſich zu aͤndern/ weiß. In ſeinem
redlichem Gemuͤtte war weniger Falſchheit/ als in einem
wohlgereinigten Magen Galle zu finden; und wiewohl er
keines Menſchen Unterfangen beurtheilte/ vielweniger ie-
manden mit ſchelen Augen anſahe/ konte er doch der Miß-
gunſt/ welche auch den beſten Tugenden nachzutreten pflegt/
nicht entgehen; die aber ſeine Großmuͤttigkeit nicht hoͤher/
als das Summen einer unverſchaͤmten Fliege zu achten ge-
wohnt war. Denn hohe Gemuͤtter muͤſſen ſich ſo wenig
den Neid; als die Liljen die um ſie wachſenden Diſteln auff-
halten laſſen/ ihren geraden Halß gegen den Himmel und
zu ruhmbaren Thaten auszuſtrecken. Und weil die Ge-
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Zitationshilfe: | Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/95>, abgerufen am 25.07.2024. |