Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

Bild:
<< vorherige Seite
ADONIS Blumen.
Als des Cupido Pfeil durch ihrer Augen Schein
Soll mir zu einem Kuß erlauben ihre Wangen.
Hat sie nicht gestern mir beym Scheiden zugesagt
Mit ihrer Marmol-Hand/ so bald es wieder tagt/
So soll ich meinen Wunsch von ihr erfüllet finden?
Doch/ was verlier ich Zeit? Du weist von Gnade nicht:
Nacht/ ich geh ungesäumt zu meiner Roselinden:
Ihr Auge machet dir zu Trotze Tag und Licht.


Die schwere Wahl.
Wie Hercules im Zweifel stand/
Auff welchem Weg er solte treten/
Da Tugend auff der rechten Hand
Und Lust zur Lincken ihn gebeten/
So stehen auch izt meine Sinnen
In Furcht und Hoffnung mitten innen.
Doch sah er ihren Unterscheid/
Und konte nicht im Urtheil fehlen/
Ihm für die Bahn der Sinnligkeit
Den Pfad der Ehre zu erwehlen:
Wer aber lehret mich ergründen
Wo ich das beste Theil soll finden.
Ich sehe gleichen Stand für mir/
Und frische Blüthe gleicher Jugend/
Den Augen weist sich gleiche Zier/
Dem Hertzen gleiche Frucht der Tugend:
Wer hier den Unterscheid kan kennen/
Ist wohl ein Oedipus zu nennen.
Verblendet einer Sonne Licht/
Was soll von mehrern nicht geschehen?
Wenn man dort braune Nägeln bricht/
Läst sich der Liljen Schnee hier sehen/
Die beyderseits den Liebes-Bienen
Zu angenehmer Nahrung dienen.
Diß
T 4
ADONIS Blumen.
Als des Cupido Pfeil durch ihrer Augen Schein
Soll mir zu einem Kuß erlauben ihre Wangen.
Hat ſie nicht geſtern mir beym Scheiden zugeſagt
Mit ihrer Marmol-Hand/ ſo bald es wieder tagt/
So ſoll ich meinen Wunſch von ihr erfuͤllet finden?
Doch/ was verlier ich Zeit? Du weiſt von Gnade nicht:
Nacht/ ich geh ungeſaͤumt zu meiner Roſelinden:
Ihr Auge machet dir zu Trotze Tag und Licht.


Die ſchwere Wahl.
Wie Hercules im Zweifel ſtand/
Auff welchem Weg er ſolte treten/
Da Tugend auff der rechten Hand
Und Luſt zur Lincken ihn gebeten/
So ſtehen auch izt meine Sinnen
In Furcht und Hoffnung mitten innen.
Doch ſah er ihren Unterſcheid/
Und konte nicht im Urtheil fehlen/
Ihm fuͤr die Bahn der Sinnligkeit
Den Pfad der Ehre zu erwehlen:
Wer aber lehret mich ergruͤnden
Wo ich das beſte Theil ſoll finden.
Ich ſehe gleichen Stand fuͤr mir/
Und friſche Bluͤthe gleicher Jugend/
Den Augen weiſt ſich gleiche Zier/
Dem Hertzen gleiche Frucht der Tugend:
Wer hier den Unterſcheid kan kennen/
Iſt wohl ein Oedipus zu nennen.
Verblendet einer Sonne Licht/
Was ſoll von mehrern nicht geſchehen?
Wenn man dort braune Naͤgeln bricht/
Laͤſt ſich der Liljen Schnee hier ſehen/
Die beyderſeits den Liebes-Bienen
Zu angenehmer Nahrung dienen.
Diß
T 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0395" n="295"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">ADONIS</hi></hi> Blumen.</fw><lb/>
            <l>Als des Cupido Pfeil durch ihrer Augen Schein</l><lb/>
            <l>Soll mir zu einem Kuß erlauben ihre Wangen.</l><lb/>
            <l>Hat &#x017F;ie nicht ge&#x017F;tern mir beym Scheiden zuge&#x017F;agt</l><lb/>
            <l>Mit ihrer Marmol-Hand/ &#x017F;o bald es wieder tagt/</l><lb/>
            <l>So &#x017F;oll ich meinen Wun&#x017F;ch von ihr erfu&#x0364;llet finden?</l><lb/>
            <l>Doch/ was verlier ich Zeit? Du wei&#x017F;t von Gnade nicht:</l><lb/>
            <l>Nacht/ ich geh unge&#x017F;a&#x0364;umt zu meiner Ro&#x017F;elinden:</l><lb/>
            <l>Ihr Auge machet dir zu Trotze Tag und Licht.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Die &#x017F;chwere Wahl.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>ie Hercules im Zweifel &#x017F;tand/</l><lb/>
              <l>Auff welchem Weg er &#x017F;olte treten/</l><lb/>
              <l>Da Tugend auff der rechten Hand</l><lb/>
              <l>Und Lu&#x017F;t zur Lincken ihn gebeten/</l><lb/>
              <l>So &#x017F;tehen auch izt meine Sinnen</l><lb/>
              <l>In Furcht und Hoffnung mitten innen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Doch &#x017F;ah er ihren Unter&#x017F;cheid/</l><lb/>
              <l>Und konte nicht im Urtheil fehlen/</l><lb/>
              <l>Ihm fu&#x0364;r die Bahn der Sinnligkeit</l><lb/>
              <l>Den Pfad der Ehre zu erwehlen:</l><lb/>
              <l>Wer aber lehret mich ergru&#x0364;nden</l><lb/>
              <l>Wo ich das be&#x017F;te Theil &#x017F;oll finden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ich &#x017F;ehe gleichen Stand fu&#x0364;r mir/</l><lb/>
              <l>Und fri&#x017F;che Blu&#x0364;the gleicher Jugend/</l><lb/>
              <l>Den Augen wei&#x017F;t &#x017F;ich gleiche Zier/</l><lb/>
              <l>Dem Hertzen gleiche Frucht der Tugend:</l><lb/>
              <l>Wer hier den Unter&#x017F;cheid kan kennen/</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t wohl ein Oedipus zu nennen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Verblendet einer Sonne Licht/</l><lb/>
              <l>Was &#x017F;oll von mehrern nicht ge&#x017F;chehen?</l><lb/>
              <l>Wenn man dort braune Na&#x0364;geln bricht/</l><lb/>
              <l>La&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich der Liljen Schnee hier &#x017F;ehen/</l><lb/>
              <l>Die beyder&#x017F;eits den Liebes-Bienen</l><lb/>
              <l>Zu angenehmer Nahrung dienen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">T 4</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Diß</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0395] ADONIS Blumen. Als des Cupido Pfeil durch ihrer Augen Schein Soll mir zu einem Kuß erlauben ihre Wangen. Hat ſie nicht geſtern mir beym Scheiden zugeſagt Mit ihrer Marmol-Hand/ ſo bald es wieder tagt/ So ſoll ich meinen Wunſch von ihr erfuͤllet finden? Doch/ was verlier ich Zeit? Du weiſt von Gnade nicht: Nacht/ ich geh ungeſaͤumt zu meiner Roſelinden: Ihr Auge machet dir zu Trotze Tag und Licht. Die ſchwere Wahl. Wie Hercules im Zweifel ſtand/ Auff welchem Weg er ſolte treten/ Da Tugend auff der rechten Hand Und Luſt zur Lincken ihn gebeten/ So ſtehen auch izt meine Sinnen In Furcht und Hoffnung mitten innen. Doch ſah er ihren Unterſcheid/ Und konte nicht im Urtheil fehlen/ Ihm fuͤr die Bahn der Sinnligkeit Den Pfad der Ehre zu erwehlen: Wer aber lehret mich ergruͤnden Wo ich das beſte Theil ſoll finden. Ich ſehe gleichen Stand fuͤr mir/ Und friſche Bluͤthe gleicher Jugend/ Den Augen weiſt ſich gleiche Zier/ Dem Hertzen gleiche Frucht der Tugend: Wer hier den Unterſcheid kan kennen/ Iſt wohl ein Oedipus zu nennen. Verblendet einer Sonne Licht/ Was ſoll von mehrern nicht geſchehen? Wenn man dort braune Naͤgeln bricht/ Laͤſt ſich der Liljen Schnee hier ſehen/ Die beyderſeits den Liebes-Bienen Zu angenehmer Nahrung dienen. Diß T 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das Exemplar enthält mehrere Werke. Herausgegeben… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/395
Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/395>, abgerufen am 22.11.2024.