Du hast numehr/ mein Kind/ den lezten Hafen funden/ Wo Lieb und Hoffen dich nicht ferner hält gebunden: Und bist mir doch so schön in deinem Trauer-Kleide/ Daß ich den Schatten noch des Todes selbst beneide. Ich werde nun gewahr/ indem ich von dir scheide/ Daß man sich auch mit Lust an dürren Blumen weyde/ Daß Früchte besser seyn gepflückt/ als da sie stunden/ Daß süsser sey die Lust/ ie eher sie verschwunden. Vor blizt' ein jeder Blick/ es brennt' ein iedes Haar/ Dein Wort bezauberte/ dein Weigern brach die Sinnen/ Dein gantzes Leben war uns Unruh und Gefahr: Izt wird man keines Streits und keiner Furcht mehr innen. Die Schönheit/ die du hast im Tode/ zu erwerben/ Würd' auch der selbste Tod/ im Fall er könte/ sterben.
Quicquid ad summum pervenit, ad exitum properat.
Cui nasci contigit, mori restat. Sen.
Ad extrema pervenisti, jam nec mortem metues, nec optabis, nec corporis animique defectibus subjacebis. Petr.
Mors omnium dolorum solutio est & finis. Sen.
Ad immortalitatem moriendo venitur.
Solem occidentem contemplari licet.
Et non habet spectatorem nisi cum deficit.
Minus molestiarum habet funus.
Et quando, inquies, tibi proderit istud, quod exitu discis, au in quam rem? In hanc, ut ego quoque exeam melior.
Quemadmodum clepsydram non extremum stillicidium ex- aurit, sed quicquid ante defluxit: sic ultima hora, qua desini- mus, non sola mortem facit, sed illam consummat.
Quamvis magna videatur varietate singulorum vita distingvi, mma in unum venit: accepimus peritura perituri.
53. Die
Q 2
Schertz-Sonnette.
52. Die Schoͤne Todte.
Du haſt numehr/ mein Kind/ den lezten Hafen funden/ Wo Lieb und Hoffen dich nicht ferner haͤlt gebunden: Und biſt mir doch ſo ſchoͤn in deinem Trauer-Kleide/ Daß ich den Schatten noch des Todes ſelbſt beneide. Ich werde nun gewahr/ indem ich von dir ſcheide/ Daß man ſich auch mit Luſt an duͤrren Blumen weyde/ Daß Fruͤchte beſſer ſeyn gepfluͤckt/ als da ſie ſtunden/ Daß ſuͤſſer ſey die Luſt/ ie eher ſie verſchwunden. Vor blizt’ ein jeder Blick/ es brennt’ ein iedes Haar/ Dein Wort bezauberte/ dein Weigern brach die Sinnen/ Dein gantzes Leben war uns Unruh und Gefahr: Izt wird man keines Streits und keiner Furcht mehr innen. Die Schoͤnheit/ die du haſt im Tode/ zu erwerben/ Wuͤrd’ auch der ſelbſte Tod/ im Fall er koͤnte/ ſterben.
Quicquid ad ſummum pervenit, ad exitum properat.
Cui naſci contigit, mori reſtat. Sen.
Ad extrema perveniſti, jam nec mortem metues, nec optabis, nec corporis animique defectibus ſubjacebis. Petr.
Mors omnium dolorum ſolutio eſt & finis. Sen.
Ad immortalitatem moriendo venitur.
Solem occidentem contemplari licet.
Et non habet ſpectatorem niſi cum deficit.
Minus moleſtiarum habet funus.
Et quando, inquies, tibi proderit iſtud, quod exitu diſcis, au in quam rem? In hanc, ut ego quoque exeam melior.
Quemadmodum clepſydram non extremum ſtillicidium ex- aurit, ſed quicquid ante defluxit: ſic ultima hora, qua deſini- mus, non ſola mortem facit, ſed illam conſummat.
Quamvis magna videatur varietate ſingulorum vita diſtingvi, mma in unum venit: accepimus peritura perituri.
53. Die
Q 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0343"n="243"/><fwplace="top"type="header">Schertz-Sonnette.</fw><lb/><lgtype="poem"><head><hirendition="#b">52. Die Schoͤne Todte.</hi></head><lb/><l><hirendition="#in">D</hi>u haſt numehr/ mein Kind/ den lezten Hafen funden/</l><lb/><l>Wo Lieb und Hoffen dich nicht ferner haͤlt gebunden:</l><lb/><l>Und biſt mir doch ſo ſchoͤn in deinem Trauer-Kleide/</l><lb/><l>Daß ich den Schatten noch des Todes ſelbſt beneide.</l><lb/><l>Ich werde nun gewahr/ indem ich von dir ſcheide/</l><lb/><l>Daß man ſich auch mit Luſt an duͤrren Blumen weyde/</l><lb/><l>Daß Fruͤchte beſſer ſeyn gepfluͤckt/ als da ſie ſtunden/</l><lb/><l>Daß ſuͤſſer ſey die Luſt/ ie eher ſie verſchwunden.</l><lb/><l>Vor blizt’ ein jeder Blick/ es brennt’ ein iedes Haar/</l><lb/><l>Dein Wort bezauberte/ dein Weigern brach die Sinnen/</l><lb/><l>Dein gantzes Leben war uns Unruh und Gefahr:</l><lb/><l>Izt wird man keines Streits und keiner Furcht mehr innen.</l><lb/><l>Die Schoͤnheit/ die du haſt im Tode/ zu erwerben/</l><lb/><l>Wuͤrd’ auch der ſelbſte Tod/ im Fall er koͤnte/ ſterben.</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#aq">Quicquid ad ſummum pervenit, ad exitum properat.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Cui naſci contigit, mori reſtat. <hirendition="#i">Sen</hi>.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Ad extrema perveniſti, jam nec mortem metues, nec optabis,<lb/>
nec corporis animique defectibus ſubjacebis. <hirendition="#i">Petr</hi>.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Mors omnium dolorum ſolutio eſt & finis. <hirendition="#i">Sen</hi>.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Ad immortalitatem moriendo venitur.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Solem occidentem contemplari licet.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Et non habet ſpectatorem niſi cum deficit.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Minus moleſtiarum habet funus.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Et quando, inquies, tibi proderit iſtud, quod exitu diſcis, au<lb/>
in quam rem? In hanc, ut ego quoque exeam melior.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Quemadmodum clepſydram non extremum ſtillicidium ex-<lb/>
aurit, ſed quicquid ante defluxit: ſic ultima hora, qua deſini-<lb/>
mus, non ſola mortem facit, ſed illam conſummat.</hi></p><lb/><p><hirendition="#aq">Quamvis magna videatur varietate ſingulorum vita diſtingvi,<lb/>
mma in unum venit: <hirendition="#i">accepimus peritura perituri</hi>.</hi></p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#b">Q 2</hi></fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">53. Die</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[243/0343]
Schertz-Sonnette.
52. Die Schoͤne Todte.
Du haſt numehr/ mein Kind/ den lezten Hafen funden/
Wo Lieb und Hoffen dich nicht ferner haͤlt gebunden:
Und biſt mir doch ſo ſchoͤn in deinem Trauer-Kleide/
Daß ich den Schatten noch des Todes ſelbſt beneide.
Ich werde nun gewahr/ indem ich von dir ſcheide/
Daß man ſich auch mit Luſt an duͤrren Blumen weyde/
Daß Fruͤchte beſſer ſeyn gepfluͤckt/ als da ſie ſtunden/
Daß ſuͤſſer ſey die Luſt/ ie eher ſie verſchwunden.
Vor blizt’ ein jeder Blick/ es brennt’ ein iedes Haar/
Dein Wort bezauberte/ dein Weigern brach die Sinnen/
Dein gantzes Leben war uns Unruh und Gefahr:
Izt wird man keines Streits und keiner Furcht mehr innen.
Die Schoͤnheit/ die du haſt im Tode/ zu erwerben/
Wuͤrd’ auch der ſelbſte Tod/ im Fall er koͤnte/ ſterben.
Quicquid ad ſummum pervenit, ad exitum properat.
Cui naſci contigit, mori reſtat. Sen.
Ad extrema perveniſti, jam nec mortem metues, nec optabis,
nec corporis animique defectibus ſubjacebis. Petr.
Mors omnium dolorum ſolutio eſt & finis. Sen.
Ad immortalitatem moriendo venitur.
Solem occidentem contemplari licet.
Et non habet ſpectatorem niſi cum deficit.
Minus moleſtiarum habet funus.
Et quando, inquies, tibi proderit iſtud, quod exitu diſcis, au
in quam rem? In hanc, ut ego quoque exeam melior.
Quemadmodum clepſydram non extremum ſtillicidium ex-
aurit, ſed quicquid ante defluxit: ſic ultima hora, qua deſini-
mus, non ſola mortem facit, ſed illam conſummat.
Quamvis magna videatur varietate ſingulorum vita diſtingvi,
mma in unum venit: accepimus peritura perituri.
53. Die
Q 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/343>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.