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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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Schertz-Sonnette.
28. Die Schöne ohn Geist und Bewegung.

DU fremdem Sinne nach zu unbesinntes Kind/
Kind aber/ dessen Glantz der Sonne beyzusetzen/
Weil man nicht lauter Geist und Feuer bey dir findt/
Soll deine Schönheit drum geringer seyn zu schätzen?
Wenn mich der Wangen Glutt/ der Haare Gold macht
blind/
Wenn mich die Lilien schneeweisser Schoß ergetzen/
Seh ich ein Wunderwerck/ das meinen Sinn verbindt/
Dich/ schöner Stein/ zu ehrn als einen Wunder-Götzen.
Der Himmel schnizte selbst diß schöne Menschen-Bild/
(Ein Bild/ das aber lebt/ und sich bewegen kan/
Der hat die zarte Brust mit Marmol ausgefüllt.
Es sah dich die Natur von aller ihrer Zier
Bereichert/ selbst entsezt und mit Erstarren an:
Du schläffst in ihr noch heut/ und jene schläfft in dir.



Qui stolidus est, non tam acria & concitata habet omnia,
quam quidam quaedam.

Non omnia in singulis exstant.

Etsi omnis homo sensus habet, nec ideo omnes homines aci-
em habent Lynceo similem.

Ista, quae tu in decorem sparsa consideras, singula in opere
sunt.

Oratio vultus animi est: si circumtonsa est & fucata & manu
facta, ostendit illum quoque non esse sincerum, & habere aliquid
fracti. Ep. 115.

Hoc quoque habet stoliditas, semper incipit vivere.

Nemo usque eo tardus & hebes in terram est, ut ad divina non
erigatur, ubinovum aliquod miraculum affulsit.

Naturae admiratores cultoresque sumus; at natura utrumque
facere nos voluit, & agere & contemplationi vacare.


29. Die
Schertz-Sonnette.
28. Die Schoͤne ohn Geiſt und Bewegung.

DU fremdem Sinne nach zu unbeſinntes Kind/
Kind aber/ deſſen Glantz der Sonne beyzuſetzen/
Weil man nicht lauter Geiſt und Feuer bey dir findt/
Soll deine Schoͤnheit drum geringer ſeyn zu ſchaͤtzen?
Wenn mich der Wangen Glutt/ der Haare Gold macht
blind/
Wenn mich die Lilien ſchneeweiſſer Schoß ergetzen/
Seh ich ein Wunderwerck/ das meinen Sinn verbindt/
Dich/ ſchoͤner Stein/ zu ehrn als einen Wunder-Goͤtzen.
Der Himmel ſchnizte ſelbſt diß ſchoͤne Menſchen-Bild/
(Ein Bild/ das aber lebt/ und ſich bewegen kan/
Der hat die zarte Bruſt mit Marmol ausgefuͤllt.
Es ſah dich die Natur von aller ihrer Zier
Bereichert/ ſelbſt entſezt und mit Erſtarren an:
Du ſchlaͤffſt in ihr noch heut/ und jene ſchlaͤfft in dir.



Qui ſtolidus eſt, non tam acria & concitata habet omnia,
quam quidam quædam.

Non omnia in ſingulis exſtant.

Etſi omnis homo ſenſus habet, nec ideò omnes homines aci-
em habent Lynceo ſimilem.

Iſta, quæ tu in decorem ſparſa conſideras, ſingula in opere
ſunt.

Oratio vultus animi eſt: ſi circumtonſa eſt & fucata & manu
facta, oſtendit illum quoque non eſſe ſincerum, & habere aliquid
fracti. Ep. 115.

Hoc quoque habet ſtoliditas, ſemper incipit vivere.

Nemo usque eo tardus & hebes in terram eſt, ut ad divina non
erigatur, ubinovum aliquod miraculum affulſit.

Naturæ admiratores cultoresque ſumus; at natura utrumque
facere nos voluit, & agere & contemplationi vacare.


29. Die
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[219/0319] Schertz-Sonnette. 28. Die Schoͤne ohn Geiſt und Bewegung. DU fremdem Sinne nach zu unbeſinntes Kind/ Kind aber/ deſſen Glantz der Sonne beyzuſetzen/ Weil man nicht lauter Geiſt und Feuer bey dir findt/ Soll deine Schoͤnheit drum geringer ſeyn zu ſchaͤtzen? Wenn mich der Wangen Glutt/ der Haare Gold macht blind/ Wenn mich die Lilien ſchneeweiſſer Schoß ergetzen/ Seh ich ein Wunderwerck/ das meinen Sinn verbindt/ Dich/ ſchoͤner Stein/ zu ehrn als einen Wunder-Goͤtzen. Der Himmel ſchnizte ſelbſt diß ſchoͤne Menſchen-Bild/ (Ein Bild/ das aber lebt/ und ſich bewegen kan/ Der hat die zarte Bruſt mit Marmol ausgefuͤllt. Es ſah dich die Natur von aller ihrer Zier Bereichert/ ſelbſt entſezt und mit Erſtarren an: Du ſchlaͤffſt in ihr noch heut/ und jene ſchlaͤfft in dir. Qui ſtolidus eſt, non tam acria & concitata habet omnia, quam quidam quædam. Non omnia in ſingulis exſtant. Etſi omnis homo ſenſus habet, nec ideò omnes homines aci- em habent Lynceo ſimilem. Iſta, quæ tu in decorem ſparſa conſideras, ſingula in opere ſunt. Oratio vultus animi eſt: ſi circumtonſa eſt & fucata & manu facta, oſtendit illum quoque non eſſe ſincerum, & habere aliquid fracti. Ep. 115. Hoc quoque habet ſtoliditas, ſemper incipit vivere. Nemo usque eo tardus & hebes in terram eſt, ut ad divina non erigatur, ubinovum aliquod miraculum affulſit. Naturæ admiratores cultoresque ſumus; at natura utrumque facere nos voluit, & agere & contemplationi vacare. 29. Die

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/319>, abgerufen am 22.11.2024.