Schöner Maulwurff blinder Liebe/ mit Erbarmnis nehm ich wahr/ Wie der Augenbronnen Bogen seiner Pfeile muß entbehren/ Wie die roth-beflammten Wangen unbelebte Glutt ernäh- ren. Wie du must den duncklen Schatten düstrer Nächte stellen dar. Wer erkennet in dem Finstern deiner Ros' und Liljen Schaar/ Wenn sie keiner Sonne Stralen an das helle Licht geweh- ren? Doch der äuserliche Mangel kan die Seele nicht beschweren: Wer die Liebe/ wer die Warheit schauet/ sieht genugsam klar. Wird nicht durch den süssen Schlaff iedes Auge zugemacht? War die junge Welt nicht selbst voller Finsternis und Nacht? Warum solte dich der Abgang deiner Augen schmertzen kün- nen? Sonne blendet/ Augen trügen/ aber das Gemütte nicht/ Welches in sich selbst gezogen/ durch die äuserliche Sinnen Unverleitet/ selbst vom Himmel schöpffet ein gewisses Licht.
Misereri illius oportet, quia luminibus orba est. Contr. L. 1. c. 6.
Detestabilis erit coecitas, si nemo oculos perdiderit. C. B. V. M.
Habet & nox suas voluptates.
Oculi irritamenta sunt vitiorum, ducesque scelerum.
Quam multis voluptatibus via incisa est, quam multis rebus arebis, quas ne videres, vel oculi eruendi erant.
Ubi homines majorem vitae partem in tenebris agunt, novissi- me solem quasi supervacuum fastidiunt.
Magnum exemplum, nisi mala fortuna, non invenit.
Nihil acie nostra fallacius, & in his quoque, quae ad manum ernit. N. Q.
19. Die
O
Schertz-Sonnette.
18. Die Schoͤne Blinde.
Schoͤner Maulwurff blinder Liebe/ mit Erbarmnis nehm ich wahr/ Wie der Augenbronnen Bogen ſeiner Pfeile muß entbehren/ Wie die roth-beflammten Wangen unbelebte Glutt ernaͤh- ren. Wie du muſt den duncklen Schatten duͤſtrer Naͤchte ſtellen dar. Wer erkennet in dem Finſtern deiner Roſ’ und Liljen Schaar/ Wenn ſie keiner Sonne Stralen an das helle Licht geweh- ren? Doch der aͤuſerliche Mangel kan die Seele nicht beſchweren: Wer die Liebe/ wer die Warheit ſchauet/ ſieht genugſam klar. Wird nicht durch den ſuͤſſen Schlaff iedes Auge zugemacht? War die junge Welt nicht ſelbſt voller Finſternis und Nacht? Warum ſolte dich der Abgang deiner Augen ſchmertzen kuͤn- nen? Sonne blendet/ Augen truͤgen/ aber das Gemuͤtte nicht/ Welches in ſich ſelbſt gezogen/ durch die aͤuſerliche Sinnen Unverleitet/ ſelbſt vom Himmel ſchoͤpffet ein gewiſſes Licht.
Miſereri illius oportet, quia luminibus orba eſt. Contr. L. 1. c. 6.
Deteſtabilis erit cœcitas, ſi nemo oculos perdiderit. C. B. V. M.
Quam multis voluptatibus via inciſa eſt, quam multis rebus arebis, quas ne videres, vel oculi eruendi erant.
Ubi homines majorem vitæ partem in tenebris agunt, noviſſi- me ſolem quaſi ſupervacuum faſtidiunt.
Magnum exemplum, niſi mala fortuna, non invenit.
Nihil acie noſtrâ fallacius, & in his quoque, quæ ad manum ernit. N. Q.
19. Die
O
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Schertz-Sonnette.
18. Die Schoͤne Blinde.
Schoͤner Maulwurff blinder Liebe/ mit Erbarmnis nehm
ich wahr/
Wie der Augenbronnen Bogen ſeiner Pfeile muß entbehren/
Wie die roth-beflammten Wangen unbelebte Glutt ernaͤh-
ren.
Wie du muſt den duncklen Schatten duͤſtrer Naͤchte ſtellen dar.
Wer erkennet in dem Finſtern deiner Roſ’ und Liljen Schaar/
Wenn ſie keiner Sonne Stralen an das helle Licht geweh-
ren?
Doch der aͤuſerliche Mangel kan die Seele nicht beſchweren:
Wer die Liebe/ wer die Warheit ſchauet/ ſieht genugſam klar.
Wird nicht durch den ſuͤſſen Schlaff iedes Auge zugemacht?
War die junge Welt nicht ſelbſt voller Finſternis und Nacht?
Warum ſolte dich der Abgang deiner Augen ſchmertzen kuͤn-
nen?
Sonne blendet/ Augen truͤgen/ aber das Gemuͤtte nicht/
Welches in ſich ſelbſt gezogen/ durch die aͤuſerliche Sinnen
Unverleitet/ ſelbſt vom Himmel ſchoͤpffet ein gewiſſes Licht.
Miſereri illius oportet, quia luminibus orba eſt. Contr. L. 1. c. 6.
Deteſtabilis erit cœcitas, ſi nemo oculos perdiderit. C. B. V. M.
Habet & nox ſuas voluptates.
Oculi irritamenta ſunt vitiorum, ducesque ſcelerum.
Quam multis voluptatibus via inciſa eſt, quam multis rebus
arebis, quas ne videres, vel oculi eruendi erant.
Ubi homines majorem vitæ partem in tenebris agunt, noviſſi-
me ſolem quaſi ſupervacuum faſtidiunt.
Magnum exemplum, niſi mala fortuna, non invenit.
Nihil acie noſtrâ fallacius, & in his quoque, quæ ad manum
ernit. N. Q.
19. Die
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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/309>, abgerufen am 16.02.2025.
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