Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.ADIMARI 11. Die Schöne Stumme. DU/ die du bist versteckt in ewig stillem Schweigen/ Bist stumm/ und machst dein Lob durch hundert Zeugen kund/ Zwingst tausend Hertzen/ die von deiner Liebe wund/ Des schönen Mundes Ruhm zum Sternen machen steigen. Die Rosen sicht man auch Corallne Lippen zeigen/ Die Liljen göldne Zung'/ und dennoch schweigt ihr Mund. Durch Schweigen birget man des schlauen Hertzens Grund. Das kluge Schweigen ist dem Witz/ der Demuth eigen. Ein leer Versprechen stellt den Magen nicht zur Ruh; Die Liebe lässet sich mit Worten nicht vergnügen. Wenn deiner Schönheit noch die Sprache wüchse zu/ Ihr würden allzuviel von dir gefesselt liegen. Wärn auch so stumm/ wie du/ die falschen Wasser-Frauen/ So würde man sie schön und nicht betrüglich schauen. Vox bonum non est. Sen. Ep. 102. Muta animalia humanis affectibus carent. Genus est rogandi rogare non posse. Sen. Controv. Sero beneficium dedit, qui roganti dedit. Sen. de Benef. Si quis fauces oppresserit, stes tamen & silentio juves. Sen. de Nunquam inutilis est opera civis boni: jussu, vultu, nutu in- Interdum calamitates in remedium cessere, & levioribus in- Loquax est virtus, nec ostendit se tantum, sed ingerit. Sen. 12. Die
ADIMARI 11. Die Schoͤne Stumme. DU/ die du biſt verſteckt in ewig ſtillem Schweigen/ Biſt ſtumm/ und machſt dein Lob durch hundert Zeugen kund/ Zwingſt tauſend Hertzen/ die von deiner Liebe wund/ Des ſchoͤnen Mundes Ruhm zum Sternen machen ſteigen. Die Roſen ſicht man auch Corallne Lippen zeigen/ Die Liljen goͤldne Zung’/ und dennoch ſchweigt ihr Mund. Durch Schweigen birget man des ſchlauen Hertzens Grund. Das kluge Schweigen iſt dem Witz/ der Demuth eigen. Ein leer Verſprechen ſtellt den Magen nicht zur Ruh; Die Liebe laͤſſet ſich mit Worten nicht vergnuͤgen. Wenn deiner Schoͤnheit noch die Sprache wuͤchſe zu/ Ihr wuͤrden allzuviel von dir gefeſſelt liegen. Waͤrn auch ſo ſtumm/ wie du/ die falſchen Waſſer-Frauen/ So wuͤrde man ſie ſchoͤn und nicht betruͤglich ſchauen. Vox bonum non eſt. Sen. Ep. 102. Muta animalia humanis affectibus carent. Genus eſt rogandi rogare non poſſe. Sen. Controv. Sero beneficium dedit, qui roganti dedit. Sen. de Benef. Si quis fauces oppreſſerit, ſtes tamen & ſilentio juves. Sen. de Nunquam inutilis eſt opera civis boni: juſſu, vultu, nutu in- Interdum calamitates in remedium ceſſere, & levioribus in- Loquax eſt virtus, nec oſtendit ſe tantum, ſed ingerit. Sen. 12. Die
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ADIMARI
11. Die Schoͤne Stumme.
DU/ die du biſt verſteckt in ewig ſtillem Schweigen/
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Zwingſt tauſend Hertzen/ die von deiner Liebe wund/
Des ſchoͤnen Mundes Ruhm zum Sternen machen ſteigen.
Die Roſen ſicht man auch Corallne Lippen zeigen/
Die Liljen goͤldne Zung’/ und dennoch ſchweigt ihr Mund.
Durch Schweigen birget man des ſchlauen Hertzens Grund.
Das kluge Schweigen iſt dem Witz/ der Demuth eigen.
Ein leer Verſprechen ſtellt den Magen nicht zur Ruh;
Die Liebe laͤſſet ſich mit Worten nicht vergnuͤgen.
Wenn deiner Schoͤnheit noch die Sprache wuͤchſe zu/
Ihr wuͤrden allzuviel von dir gefeſſelt liegen.
Waͤrn auch ſo ſtumm/ wie du/ die falſchen Waſſer-Frauen/
So wuͤrde man ſie ſchoͤn und nicht betruͤglich ſchauen.
Vox bonum non eſt. Sen. Ep. 102.
Muta animalia humanis affectibus carent.
Genus eſt rogandi rogare non poſſe. Sen. Controv.
Sero beneficium dedit, qui roganti dedit. Sen. de Benef.
Si quis fauces oppreſſerit, ſtes tamen & ſilentio juves. Sen. de
Tranq.
Nunquam inutilis eſt opera civis boni: juſſu, vultu, nutu in-
ceſſuque ipſo prodeſt.
Interdum calamitates in remedium ceſſere, & levioribus in-
commodis graviora ſanata ſunt.
Loquax eſt virtus, nec oſtendit ſe tantum, ſed ingerit. Sen.
Controv.
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Zitationshilfe: | Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/302>, abgerufen am 16.02.2025. |