Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.GUARINI Weil alle Geilheit fremde war/Und Mann und Liebster noch ein Rahme pflag zu seyn. Zwar jedem gab zu küssen dar Die freye Höffligkeit den zarten Mund/ Doch sonder ihn befleckt zu wissen: Viel fester war der Ehe Band/ Viel süsser das verliebte Küssen Bey keuschem Mund und reiner Hand/ Weil Mann und Frau gesichert war/ Daß einem nur allein das Hertze blieb vergunt. Verderbte Zeit/ die du befleckst Der Seelen Schmuck/ der wahren Tugend Zier/ Mit überschminckten Uppigkeiten/ Den Durst der heißen Lüste nährst/ Bey Mangel der Gelegenheiten/ Das Hertz in stiller Glutt verzehrst/ Biß du beqveme Zeit entdeckst/ Und die gehemmte Brunst mit Wucher bricht herfür. Die Schlinge birgt offt Graß und Blum/ Ein Blick voll Scham/ ein Mund voll Gleißnerey/ Muß schlipffrige Gedancken mahlen. Die Frömmigkeit besteht im Schein/ Das Leben in der Kunst zu prahlen. Die Einfalt will betrogen seyn: Man achtets nicht/ man schäzts vor Ruhm/ Daß Lieb ein Diebstahl/ nur dabey verborgen sey. O wahre Ehr/ O reine Zucht/ Des Himmels Kind/ der Erde gröster Schatz/ Du höchstes Gutt der edlen Geister/ Der Tugend Brunn und schöner Lohn/ Der irrenden Begierden Meister/ Der du beherrschest Kron und Thron/ Komm wieder/ komm von deiner Flucht/ Und mache dir im Land in unsern Hertzen Platz. Laß deines hellen Glantzes Pracht/ Laß deinen Strahl der von dem Himmel blizt/ D
GUARINI Weil alle Geilheit fremde war/Und Mann und Liebſter noch ein Rahme pflag zu ſeyn. Zwar jedem gab zu kuͤſſen dar Die freye Hoͤffligkeit den zarten Mund/ Doch ſonder ihn befleckt zu wiſſen: Viel feſter war der Ehe Band/ Viel ſuͤſſer das verliebte Kuͤſſen Bey keuſchem Mund und reiner Hand/ Weil Mann und Frau geſichert war/ Daß einem nur allein das Hertze blieb vergunt. Verderbte Zeit/ die du befleckſt Der Seelen Schmuck/ der wahren Tugend Zier/ Mit uͤberſchminckten Uppigkeiten/ Den Durſt der heißen Luͤſte naͤhrſt/ Bey Mangel der Gelegenheiten/ Das Hertz in ſtiller Glutt verzehrſt/ Biß du beqveme Zeit entdeckſt/ Und die gehemmte Brunſt mit Wucher bricht herfuͤr. Die Schlinge birgt offt Graß und Blum/ Ein Blick voll Scham/ ein Mund voll Gleißnerey/ Muß ſchlipffrige Gedancken mahlen. Die Froͤmmigkeit beſteht im Schein/ Das Leben in der Kunſt zu prahlen. Die Einfalt will betrogen ſeyn: Man achtets nicht/ man ſchaͤzts vor Ruhm/ Daß Lieb ein Diebſtahl/ nur dabey verborgen ſey. O wahre Ehr/ O reine Zucht/ Des Himmels Kind/ der Erde groͤſter Schatz/ Du hoͤchſtes Gutt der edlen Geiſter/ Der Tugend Brunn und ſchoͤner Lohn/ Der irrenden Begierden Meiſter/ Der du beherrſcheſt Kron und Thron/ Komm wieder/ komm von deiner Flucht/ Und mache dir im Land in unſern Hertzen Platz. Laß deines hellen Glantzes Pracht/ Laß deinen Strahl der von dem Himmel blizt/ D
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GUARINI
Weil alle Geilheit fremde war/
Und Mann und Liebſter noch ein Rahme pflag zu ſeyn.
Zwar jedem gab zu kuͤſſen dar
Die freye Hoͤffligkeit den zarten Mund/
Doch ſonder ihn befleckt zu wiſſen:
Viel feſter war der Ehe Band/
Viel ſuͤſſer das verliebte Kuͤſſen
Bey keuſchem Mund und reiner Hand/
Weil Mann und Frau geſichert war/
Daß einem nur allein das Hertze blieb vergunt.
Verderbte Zeit/ die du befleckſt
Der Seelen Schmuck/ der wahren Tugend Zier/
Mit uͤberſchminckten Uppigkeiten/
Den Durſt der heißen Luͤſte naͤhrſt/
Bey Mangel der Gelegenheiten/
Das Hertz in ſtiller Glutt verzehrſt/
Biß du beqveme Zeit entdeckſt/
Und die gehemmte Brunſt mit Wucher bricht herfuͤr.
Die Schlinge birgt offt Graß und Blum/
Ein Blick voll Scham/ ein Mund voll Gleißnerey/
Muß ſchlipffrige Gedancken mahlen.
Die Froͤmmigkeit beſteht im Schein/
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Die Einfalt will betrogen ſeyn:
Man achtets nicht/ man ſchaͤzts vor Ruhm/
Daß Lieb ein Diebſtahl/ nur dabey verborgen ſey.
O wahre Ehr/ O reine Zucht/
Des Himmels Kind/ der Erde groͤſter Schatz/
Du hoͤchſtes Gutt der edlen Geiſter/
Der Tugend Brunn und ſchoͤner Lohn/
Der irrenden Begierden Meiſter/
Der du beherrſcheſt Kron und Thron/
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Laß deinen Strahl der von dem Himmel blizt/
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Zitationshilfe: | Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/234>, abgerufen am 16.02.2025. |