Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.X. Ich fiel in stummer Andacht auf meine Knie und vergoß Ich raffte mich auf, um ohne Zögern mit flüchtigem X. Ich fiel in ſtummer Andacht auf meine Knie und vergoß Ich raffte mich auf, um ohne Zögern mit flüchtigem <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0089" n="[71]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">X.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Ich fiel in ſtummer Andacht auf meine Knie und vergoß<lb/> Thränen des Dankes — denn klar ſtand plötzlich meine Zu-<lb/> kunft vor meiner Seele. Durch frühe Schuld von der menſch-<lb/> lichen Geſellſchaft ausgeſchloſſen, ward ich zum Erſatz an die<lb/> Natur, die ich ſtets geliebt, gewieſen, die Erde mir zu einem<lb/> reichen Garten gegeben, das Studium zur Richtung und<lb/> Kraft meines Lebens, zu ihrem Ziel die Wiſſenſchaft. Es<lb/> war nicht ein Entſchluß, den ich faßte. Ich habe nur ſeitdem,<lb/> was da hell und vollendet im Urbild vor mein inneres Auge<lb/> trat, getreu mit ſtillem, ſtrengen, unausgeſetzten Fleiß dar-<lb/> zuſtellen geſucht, und meine Selbſtzufriedenheit hat von dem<lb/> Zuſammenfallen des Dargeſtellten mit dem Urbild abgehangen.</p><lb/> <p>Ich raffte mich auf, um ohne Zögern mit flüchtigem<lb/> Ueberblick Beſitz von dem Felde zu nehmen, wo ich künftig<lb/> ernten wollte. — Ich ſtand auf den Höhen des Tibet, und<lb/> die Sonne, die mir vor wenigen Stunden aufgegangen war,<lb/> neigte ſich hier ſchon am Abendhimmel, ich durchwanderte<lb/> Aſien von Oſten gegen Weſten, ſie in ihrem Lauf einholend,<lb/> und trat in Afrika ein. Ich ſah mich neugierig darin um,<lb/> indem ich es wiederholt in allen Richtungen durchmaß. Wie<lb/> ich durch Aegypten die alten Pyramiden und Tempel angaffte,<lb/> erblickte ich in der Wüſte, unfern des hundertthorigen The-<lb/> ben, die Höhlen, wo chriſtliche Einſiedler ſonſt wohnten. Es<lb/> ſtand plötzlich feſt und klar in mir, hier iſt dein Haus. — Ich<lb/> erkor eine der verborgenſten, die zugleich geräumig, bequem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[71]/0089]
X.
Ich fiel in ſtummer Andacht auf meine Knie und vergoß
Thränen des Dankes — denn klar ſtand plötzlich meine Zu-
kunft vor meiner Seele. Durch frühe Schuld von der menſch-
lichen Geſellſchaft ausgeſchloſſen, ward ich zum Erſatz an die
Natur, die ich ſtets geliebt, gewieſen, die Erde mir zu einem
reichen Garten gegeben, das Studium zur Richtung und
Kraft meines Lebens, zu ihrem Ziel die Wiſſenſchaft. Es
war nicht ein Entſchluß, den ich faßte. Ich habe nur ſeitdem,
was da hell und vollendet im Urbild vor mein inneres Auge
trat, getreu mit ſtillem, ſtrengen, unausgeſetzten Fleiß dar-
zuſtellen geſucht, und meine Selbſtzufriedenheit hat von dem
Zuſammenfallen des Dargeſtellten mit dem Urbild abgehangen.
Ich raffte mich auf, um ohne Zögern mit flüchtigem
Ueberblick Beſitz von dem Felde zu nehmen, wo ich künftig
ernten wollte. — Ich ſtand auf den Höhen des Tibet, und
die Sonne, die mir vor wenigen Stunden aufgegangen war,
neigte ſich hier ſchon am Abendhimmel, ich durchwanderte
Aſien von Oſten gegen Weſten, ſie in ihrem Lauf einholend,
und trat in Afrika ein. Ich ſah mich neugierig darin um,
indem ich es wiederholt in allen Richtungen durchmaß. Wie
ich durch Aegypten die alten Pyramiden und Tempel angaffte,
erblickte ich in der Wüſte, unfern des hundertthorigen The-
ben, die Höhlen, wo chriſtliche Einſiedler ſonſt wohnten. Es
ſtand plötzlich feſt und klar in mir, hier iſt dein Haus. — Ich
erkor eine der verborgenſten, die zugleich geräumig, bequem
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