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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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ihm Unrecht thun, doch empörte mich jede Gemeinschaft mit
ihm. -- Auch hier trat, wie so oft schon in mein Leben, und
wie überhaupt so oft in die Weltgeschichte, ein Ereigniß an
die Stelle einer That. Später habe ich mich mit mir selber
versöhnt. Ich habe erstlich die Nothwendigkeit verehren ler-
nen, und was ist mehr als die gethane That, das geschehene
Ereigniß, ihr Eigenthum! Dann hab' ich auch diese Noth-
wendigkeit als eine weise Fügung verehren lernen, die durch
das gesammte große Getrieb' weht, darin wir blos als mit-
wirkende, getriebene, treibende Räder eingreifen; was sein
soll, muß geschehen, was sein sollte, geschah, und nicht ohne
jene Fügung, die ich endlich noch in meinem Schicksale und
dem Schicksale Derer, die das meine mit angriff, verehren
lernte.

Ich weiß nicht, ob ich es der Spannung meiner Seele,
unter dem Drange so mächtiger Empfindungen, zuschreiben
soll, ob der Erschöpfung meiner physischen Kräfte, die wäh-
rend der letzten Tage ungewohntes Darben geschwächt, ob
endlich dem zerstörenden Aufruhr, den die Nähe dieses grauen
Unholdes in meiner ganzen Natur erregte; genug, es befiel
mich, als es an das Unterschreiben ging, eine tiefe Ohnmacht,
und ich lag eine lange Zeit wie in den Armen des Todes.

Fußstampfen und Fluchen waren die ersten Töne, die
mein Ohr trafen, als ich zum Bewußtsein zurückkehrte; ich
öffnete die Augen, es war dunkel, mein verhaßter Begleiter
war scheltend um mich bemüht. "Heißt das nicht wie ein
altes Weib sich aufführen! -- Man raffe sich auf und voll-
ziehe frisch, was man beschlossen, oder hat man sich anders
besonnen, und will lieber greinen?" -- Ich richtete mich
mühsam auf von der Erde, wo ich lag, und schaute schwei-
gend um mich. Es war später Abend, aus dem hellerleuchte-
ten Försterhause erscholl festliche Musik, einzelne Gruppen von

ihm Unrecht thun, doch empörte mich jede Gemeinſchaft mit
ihm. — Auch hier trat, wie ſo oft ſchon in mein Leben, und
wie überhaupt ſo oft in die Weltgeſchichte, ein Ereigniß an
die Stelle einer That. Später habe ich mich mit mir ſelber
verſöhnt. Ich habe erſtlich die Nothwendigkeit verehren ler-
nen, und was iſt mehr als die gethane That, das geſchehene
Ereigniß, ihr Eigenthum! Dann hab’ ich auch dieſe Noth-
wendigkeit als eine weiſe Fügung verehren lernen, die durch
das geſammte große Getrieb’ weht, darin wir blos als mit-
wirkende, getriebene, treibende Räder eingreifen; was ſein
ſoll, muß geſchehen, was ſein ſollte, geſchah, und nicht ohne
jene Fügung, die ich endlich noch in meinem Schickſale und
dem Schickſale Derer, die das meine mit angriff, verehren
lernte.

Ich weiß nicht, ob ich es der Spannung meiner Seele,
unter dem Drange ſo mächtiger Empfindungen, zuſchreiben
ſoll, ob der Erſchöpfung meiner phyſiſchen Kräfte, die wäh-
rend der letzten Tage ungewohntes Darben geſchwächt, ob
endlich dem zerſtörenden Aufruhr, den die Nähe dieſes grauen
Unholdes in meiner ganzen Natur erregte; genug, es befiel
mich, als es an das Unterſchreiben ging, eine tiefe Ohnmacht,
und ich lag eine lange Zeit wie in den Armen des Todes.

Fußſtampfen und Fluchen waren die erſten Töne, die
mein Ohr trafen, als ich zum Bewußtſein zurückkehrte; ich
öffnete die Augen, es war dunkel, mein verhaßter Begleiter
war ſcheltend um mich bemüht. »Heißt das nicht wie ein
altes Weib ſich aufführen! — Man raffe ſich auf und voll-
ziehe friſch, was man beſchloſſen, oder hat man ſich anders
beſonnen, und will lieber greinen?« — Ich richtete mich
mühſam auf von der Erde, wo ich lag, und ſchaute ſchwei-
gend um mich. Es war ſpäter Abend, aus dem hellerleuchte-
ten Förſterhauſe erſcholl feſtliche Muſik, einzelne Gruppen von

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[53/0071] ihm Unrecht thun, doch empörte mich jede Gemeinſchaft mit ihm. — Auch hier trat, wie ſo oft ſchon in mein Leben, und wie überhaupt ſo oft in die Weltgeſchichte, ein Ereigniß an die Stelle einer That. Später habe ich mich mit mir ſelber verſöhnt. Ich habe erſtlich die Nothwendigkeit verehren ler- nen, und was iſt mehr als die gethane That, das geſchehene Ereigniß, ihr Eigenthum! Dann hab’ ich auch dieſe Noth- wendigkeit als eine weiſe Fügung verehren lernen, die durch das geſammte große Getrieb’ weht, darin wir blos als mit- wirkende, getriebene, treibende Räder eingreifen; was ſein ſoll, muß geſchehen, was ſein ſollte, geſchah, und nicht ohne jene Fügung, die ich endlich noch in meinem Schickſale und dem Schickſale Derer, die das meine mit angriff, verehren lernte. Ich weiß nicht, ob ich es der Spannung meiner Seele, unter dem Drange ſo mächtiger Empfindungen, zuſchreiben ſoll, ob der Erſchöpfung meiner phyſiſchen Kräfte, die wäh- rend der letzten Tage ungewohntes Darben geſchwächt, ob endlich dem zerſtörenden Aufruhr, den die Nähe dieſes grauen Unholdes in meiner ganzen Natur erregte; genug, es befiel mich, als es an das Unterſchreiben ging, eine tiefe Ohnmacht, und ich lag eine lange Zeit wie in den Armen des Todes. Fußſtampfen und Fluchen waren die erſten Töne, die mein Ohr trafen, als ich zum Bewußtſein zurückkehrte; ich öffnete die Augen, es war dunkel, mein verhaßter Begleiter war ſcheltend um mich bemüht. »Heißt das nicht wie ein altes Weib ſich aufführen! — Man raffe ſich auf und voll- ziehe friſch, was man beſchloſſen, oder hat man ſich anders beſonnen, und will lieber greinen?« — Ich richtete mich mühſam auf von der Erde, wo ich lag, und ſchaute ſchwei- gend um mich. Es war ſpäter Abend, aus dem hellerleuchte- ten Förſterhauſe erſcholl feſtliche Muſik, einzelne Gruppen von

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/71>, abgerufen am 22.11.2024.