Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.IV. Ich werde in meiner Erzählung schnell über eine Zeit hin- IV. Ich werde in meiner Erzählung ſchnell über eine Zeit hin- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0041" n="[23]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">IV.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Ich werde in meiner Erzählung ſchnell über eine Zeit hin-<lb/> eilen müſſen, bei der ich, wie gerne! verweilen würde, wenn<lb/> ich ihren lebendigen Geiſt in der Erinnerung herauf zu be-<lb/> ſchwören vermöchte. Aber die Farbe, die ſie belebte, und nur<lb/> wieder beleben kann, iſt in mir verloſchen, und wenn ich in<lb/> meiner Bruſt wieder finden will, was ſie damals ſo mächtig<lb/> erhob, die Schmerzen und das Glück, den frommen Wahn,<lb/> da ſchlag’ ich vergebens an einen Felſen, der keinen lebendigen<lb/> Quell mehr gewährt, und der Gott iſt von mir gewichen.<lb/> Wie verändert blickt ſie mich jetzt an, dieſe vergangene Zeit!<lb/> — Ich ſollte dort in dem Bade eine heroiſche Rolle tragiren,<lb/> ſchlecht einſtudirt, und ein Neuling auf der Bühne, vergaff’<lb/> ich mich aus dem Stücke heraus in ein Paar blaue Augen.<lb/> Die Eltern, vom Spiele getäuſcht, bieten Alles auf, den<lb/> Handel nur ſchnell feſt zu machen, und die gemeine Poſſe<lb/> beſchließt eine Verhöhnung. Und das iſt Alles, Alles! —<lb/> Das kommt mir albern und abgeſchmackt vor, und ſchrecklich<lb/> wiederum, daß ſo mir vorkommen kann, was damals ſo reich,<lb/> ſo groß die Bruſt mir ſchwellte. <hi rendition="#g">Mina</hi>, wie ich damals<lb/> weinte, als ich dich verlor, ſo wein’ ich jetzt, dich auch in mir<lb/> verloren zu haben. Bin ich denn ſo alt worden? — O trau-<lb/> rige Vernunft! Nur noch ein Pulsſchlag jener Zeit, ein Mo-<lb/> ment jenes Wahnes, — aber nein! einſam auf dem hohen,<lb/> öden Meere deiner bittern Fluth, und längſt aus dem letzten<lb/> Pokale der Champagner Elfe entſprüht!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [[23]/0041]
IV.
Ich werde in meiner Erzählung ſchnell über eine Zeit hin-
eilen müſſen, bei der ich, wie gerne! verweilen würde, wenn
ich ihren lebendigen Geiſt in der Erinnerung herauf zu be-
ſchwören vermöchte. Aber die Farbe, die ſie belebte, und nur
wieder beleben kann, iſt in mir verloſchen, und wenn ich in
meiner Bruſt wieder finden will, was ſie damals ſo mächtig
erhob, die Schmerzen und das Glück, den frommen Wahn,
da ſchlag’ ich vergebens an einen Felſen, der keinen lebendigen
Quell mehr gewährt, und der Gott iſt von mir gewichen.
Wie verändert blickt ſie mich jetzt an, dieſe vergangene Zeit!
— Ich ſollte dort in dem Bade eine heroiſche Rolle tragiren,
ſchlecht einſtudirt, und ein Neuling auf der Bühne, vergaff’
ich mich aus dem Stücke heraus in ein Paar blaue Augen.
Die Eltern, vom Spiele getäuſcht, bieten Alles auf, den
Handel nur ſchnell feſt zu machen, und die gemeine Poſſe
beſchließt eine Verhöhnung. Und das iſt Alles, Alles! —
Das kommt mir albern und abgeſchmackt vor, und ſchrecklich
wiederum, daß ſo mir vorkommen kann, was damals ſo reich,
ſo groß die Bruſt mir ſchwellte. Mina, wie ich damals
weinte, als ich dich verlor, ſo wein’ ich jetzt, dich auch in mir
verloren zu haben. Bin ich denn ſo alt worden? — O trau-
rige Vernunft! Nur noch ein Pulsſchlag jener Zeit, ein Mo-
ment jenes Wahnes, — aber nein! einſam auf dem hohen,
öden Meere deiner bittern Fluth, und längſt aus dem letzten
Pokale der Champagner Elfe entſprüht!
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