Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Tasche
erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter
Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort, und
suchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut
zu machen.

"Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem unterthänigsten
Knecht. Ich verstehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut,
wie könnt' ich nur meinen Schatten -- --" Er unterbrach
mich: "Ich erbitte mir nur Dero Erlaubniß, hier auf der
Stelle diesen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu
stecken; wie ich das mache, sei meine Sorge. Dagegen als
Beweis meiner Erkenntlichkeit gegen den Herrn, überlasse ich
ihm die Wahl unter allen Kleinodien, die ich in der Tasche
bei mir führe: die ächte Springwurzel, die Alraunwurzel,
Wechselpfennige, Raubthaler, das Tellertuch von Rolands
Knappen, ein Galgenmännlein zu beliebigem Preis; doch, das
wird wohl nichts für Sie sein: besser, Fortunati Wünschhüt-
lein, neu und haltbar wieder restaurirt; auch ein Glücksseckel,
wie der seine gewesen." -- "Fortunati Glücksseckel," fiel ich
ihm in die Rede, und wie groß meine Angst auch war, hatte
er mit dem einen Wort meinen ganzen Sinn gefangen. Ich
bekam einen Schwindel und es flimmerte mir wie doppelte
Dukaten vor den Augen. --

"Belieben gnädigst der Herr diesen Seckel zu besichtigen
und zu erproben." Er steckte die Hand in die Tasche und zog
einen mäßig großen, festgenähten Beutel, von starkem Kor-
duanleder, an zwei tüchtigen ledernen Schnüren heraus und
händigte mir selbigen ein. Ich griff hinein, und zog zehn Gold-
stücke daraus, und wieder zehn, und wieder zehn, und wieder
zehn; ich hielt ihm schnell die Hand hin: "Topp! der Han-
del gilt, für den Beutel haben Sie meinen Schatten." Er
schlug ein, kniete dann ungesäumt vor mir nieder, und mit
einer bewundernswürdigen Geschicklichkeit sah ich ihn meinen

Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Taſche
erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter
Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort, und
ſuchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut
zu machen.

»Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem unterthänigſten
Knecht. Ich verſtehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut,
wie könnt’ ich nur meinen Schatten — —« Er unterbrach
mich: »Ich erbitte mir nur Dero Erlaubniß, hier auf der
Stelle dieſen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu
ſtecken; wie ich das mache, ſei meine Sorge. Dagegen als
Beweis meiner Erkenntlichkeit gegen den Herrn, überlaſſe ich
ihm die Wahl unter allen Kleinodien, die ich in der Taſche
bei mir führe: die ächte Springwurzel, die Alraunwurzel,
Wechſelpfennige, Raubthaler, das Tellertuch von Rolands
Knappen, ein Galgenmännlein zu beliebigem Preis; doch, das
wird wohl nichts für Sie ſein: beſſer, Fortunati Wünſchhüt-
lein, neu und haltbar wieder reſtaurirt; auch ein Glücksſeckel,
wie der ſeine geweſen.« — »Fortunati Glücksſeckel,« fiel ich
ihm in die Rede, und wie groß meine Angſt auch war, hatte
er mit dem einen Wort meinen ganzen Sinn gefangen. Ich
bekam einen Schwindel und es flimmerte mir wie doppelte
Dukaten vor den Augen. —

»Belieben gnädigſt der Herr dieſen Seckel zu beſichtigen
und zu erproben.« Er ſteckte die Hand in die Taſche und zog
einen mäßig großen, feſtgenähten Beutel, von ſtarkem Kor-
duanleder, an zwei tüchtigen ledernen Schnüren heraus und
händigte mir ſelbigen ein. Ich griff hinein, und zog zehn Gold-
ſtücke daraus, und wieder zehn, und wieder zehn, und wieder
zehn; ich hielt ihm ſchnell die Hand hin: »Topp! der Han-
del gilt, für den Beutel haben Sie meinen Schatten.« Er
ſchlug ein, kniete dann ungeſäumt vor mir nieder, und mit
einer bewundernswürdigen Geſchicklichkeit ſah ich ihn meinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0026" n="8"/>
        <p>Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Ta&#x017F;che<lb/>
erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter<lb/>
Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort, und<lb/>
&#x017F;uchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut<lb/>
zu machen.</p><lb/>
        <p>»Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem unterthänig&#x017F;ten<lb/>
Knecht. Ich ver&#x017F;tehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut,<lb/>
wie könnt&#x2019; ich nur meinen Schatten &#x2014; &#x2014;« Er unterbrach<lb/>
mich: »Ich erbitte mir nur Dero Erlaubniß, hier auf der<lb/>
Stelle die&#x017F;en edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu<lb/>
&#x017F;tecken; wie ich das mache, &#x017F;ei meine Sorge. Dagegen als<lb/>
Beweis meiner Erkenntlichkeit gegen den Herrn, überla&#x017F;&#x017F;e ich<lb/>
ihm die Wahl unter allen Kleinodien, die ich in der Ta&#x017F;che<lb/>
bei mir führe: die ächte Springwurzel, die Alraunwurzel,<lb/>
Wech&#x017F;elpfennige, Raubthaler, das Tellertuch von Rolands<lb/>
Knappen, ein Galgenmännlein zu beliebigem Preis; doch, das<lb/>
wird wohl nichts für Sie &#x017F;ein: be&#x017F;&#x017F;er, Fortunati Wün&#x017F;chhüt-<lb/>
lein, neu und haltbar wieder re&#x017F;taurirt; auch ein Glücks&#x017F;eckel,<lb/>
wie der &#x017F;eine gewe&#x017F;en.« &#x2014; »Fortunati Glücks&#x017F;eckel,« fiel ich<lb/>
ihm in die Rede, und wie groß meine Ang&#x017F;t auch war, hatte<lb/>
er mit dem einen Wort meinen ganzen Sinn gefangen. Ich<lb/>
bekam einen Schwindel und es flimmerte mir wie doppelte<lb/>
Dukaten vor den Augen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>»Belieben gnädig&#x017F;t der Herr die&#x017F;en Seckel zu be&#x017F;ichtigen<lb/>
und zu erproben.« Er &#x017F;teckte die Hand in die Ta&#x017F;che und zog<lb/>
einen mäßig großen, fe&#x017F;tgenähten Beutel, von &#x017F;tarkem Kor-<lb/>
duanleder, an zwei tüchtigen ledernen Schnüren heraus und<lb/>
händigte mir &#x017F;elbigen ein. Ich griff hinein, und zog zehn Gold-<lb/>
&#x017F;tücke daraus, und wieder zehn, und wieder zehn, und wieder<lb/>
zehn; ich hielt ihm &#x017F;chnell die Hand hin: »Topp! der Han-<lb/>
del gilt, für den Beutel haben Sie meinen Schatten.« Er<lb/>
&#x017F;chlug ein, kniete dann unge&#x017F;äumt vor mir nieder, und mit<lb/>
einer bewundernswürdigen Ge&#x017F;chicklichkeit &#x017F;ah ich ihn meinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0026] Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Taſche erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort, und ſuchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut zu machen. »Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem unterthänigſten Knecht. Ich verſtehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut, wie könnt’ ich nur meinen Schatten — —« Er unterbrach mich: »Ich erbitte mir nur Dero Erlaubniß, hier auf der Stelle dieſen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu ſtecken; wie ich das mache, ſei meine Sorge. Dagegen als Beweis meiner Erkenntlichkeit gegen den Herrn, überlaſſe ich ihm die Wahl unter allen Kleinodien, die ich in der Taſche bei mir führe: die ächte Springwurzel, die Alraunwurzel, Wechſelpfennige, Raubthaler, das Tellertuch von Rolands Knappen, ein Galgenmännlein zu beliebigem Preis; doch, das wird wohl nichts für Sie ſein: beſſer, Fortunati Wünſchhüt- lein, neu und haltbar wieder reſtaurirt; auch ein Glücksſeckel, wie der ſeine geweſen.« — »Fortunati Glücksſeckel,« fiel ich ihm in die Rede, und wie groß meine Angſt auch war, hatte er mit dem einen Wort meinen ganzen Sinn gefangen. Ich bekam einen Schwindel und es flimmerte mir wie doppelte Dukaten vor den Augen. — »Belieben gnädigſt der Herr dieſen Seckel zu beſichtigen und zu erproben.« Er ſteckte die Hand in die Taſche und zog einen mäßig großen, feſtgenähten Beutel, von ſtarkem Kor- duanleder, an zwei tüchtigen ledernen Schnüren heraus und händigte mir ſelbigen ein. Ich griff hinein, und zog zehn Gold- ſtücke daraus, und wieder zehn, und wieder zehn, und wieder zehn; ich hielt ihm ſchnell die Hand hin: »Topp! der Han- del gilt, für den Beutel haben Sie meinen Schatten.« Er ſchlug ein, kniete dann ungeſäumt vor mir nieder, und mit einer bewundernswürdigen Geſchicklichkeit ſah ich ihn meinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/26
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/26>, abgerufen am 21.11.2024.