Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733.Wie wallte mir das Hertz, so offt die Stunde schlug, Jn welcher mich der Fuß auf unsern Lehr-Stuhl trug, Worauf wir das Bemühn von so viel edlen Söhnen Zur Tugend, Wissenschafft und Wahrheit angewöhnen. Die Last ward mir zur Lust, der Schweiß zum sanfften Thau, Kein Kummer vor mein Haus schien mir zu hart und rauh, Die Gönner machten ihn mit iedem Tage schwächer: Jch aß von Jhrem Brodt, ich trank von Jhrem Becher. Ach, sprach ich bey mir selbst: Mein GOTT! wie schön ist das! Ja! sagte die Vernunfft: Es fehlt dir gleichwohl was: Es fehlt, zu deinem Wohl, noch einer Gattin Hertze, Die dir auch künfftig hin in Wohlergehn und Schmertze, Vergnügt zur Seite steh: weil doch der Schulen Last Sich schwerer tragen läßt, als man sie aufgefaßt, Und auch wohl leichter Staub und Federn von Beschwerden, So schwach sie einzeln sind, gehäufft zu Centnern werden. Gesetzt, dein Wunsch ist itzt an Ruh und Vortheil reich; Der Fortgang ist ja nicht dem Anfang immer gleich, Der Mittag gleicht nicht stets dem aufgeklärten Morgen. Schwächt dich die Schule nicht; so können andre Sorgen Und Krankheit und Verdruß dir deine Ruh beschreyn. Zudem, erweg es doch, sollt es nicht straffbar seyn, Der Gönner Gütigkeit so lange zu beschweren? Bau deinen eignen Heerd, dich selber zu ernähren, Und suche dir ein Hertz, ein treues Hertz darzu, Auf dem das gantze Theil der Nahrungs-Sorgen ruh; Allein, und einsam seyn ist an sich selbst ein Leiden: Bau deinen eignen Herd, so kanst du das vermeiden. Du kennst die Böttnerin, das fromm und schöne Kind, Die täglich holder wird, und größren Ruhm gewinnt, Du weißt es, was Jhr Haus vor Lob und Beyfall ziere. So ächt der Eltern Werth; so ächt ist auch der Jhre. Die reinste Gottesfurcht, so keinen Anstrich weiß, Hat immerfort an Jhr den angenehmsten Preiß, Hat ihren Aufenthalt in Jhrem gantzen Wesen, Hat ihr gewisses Werck in Bethen, Singen, Lesen. Hieraus
Wie wallte mir das Hertz, ſo offt die Stunde ſchlug, Jn welcher mich der Fuß auf unſern Lehr-Stuhl trug, Worauf wir das Bemuͤhn von ſo viel edlen Soͤhnen Zur Tugend, Wiſſenſchafft und Wahrheit angewoͤhnen. Die Laſt ward mir zur Luſt, der Schweiß zum ſanfften Thau, Kein Kummer vor mein Haus ſchien mir zu hart und rauh, Die Goͤnner machten ihn mit iedem Tage ſchwaͤcher: Jch aß von Jhrem Brodt, ich trank von Jhrem Becher. Ach, ſprach ich bey mir ſelbſt: Mein GOTT! wie ſchoͤn iſt das! Ja! ſagte die Vernunfft: Es fehlt dir gleichwohl was: Es fehlt, zu deinem Wohl, noch einer Gattin Hertze, Die dir auch kuͤnfftig hin in Wohlergehn und Schmertze, Vergnuͤgt zur Seite ſteh: weil doch der Schulen Laſt Sich ſchwerer tragen laͤßt, als man ſie aufgefaßt, Und auch wohl leichter Staub und Federn von Beſchwerden, So ſchwach ſie einzeln ſind, gehaͤufft zu Centnern werden. Geſetzt, dein Wunſch iſt itzt an Ruh und Vortheil reich; Der Fortgang iſt ja nicht dem Anfang immer gleich, Der Mittag gleicht nicht ſtets dem aufgeklaͤrten Morgen. Schwaͤcht dich die Schule nicht; ſo koͤnnen andre Sorgen Und Krankheit und Verdruß dir deine Ruh beſchreyn. Zudem, erweg es doch, ſollt es nicht ſtraffbar ſeyn, Der Goͤnner Guͤtigkeit ſo lange zu beſchweren? Bau deinen eignen Heerd, dich ſelber zu ernaͤhren, Und ſuche dir ein Hertz, ein treues Hertz darzu, Auf dem das gantze Theil der Nahrungs-Sorgen ruh; Allein, und einſam ſeyn iſt an ſich ſelbſt ein Leiden: Bau deinen eignen Herd, ſo kanſt du das vermeiden. Du kennſt die Boͤttnerin, das fromm und ſchoͤne Kind, Die taͤglich holder wird, und groͤßren Ruhm gewinnt, Du weißt es, was Jhr Haus vor Lob und Beyfall ziere. So aͤcht der Eltern Werth; ſo aͤcht iſt auch der Jhre. Die reinſte Gottesfurcht, ſo keinen Anſtrich weiß, Hat immerfort an Jhr den angenehmſten Preiß, Hat ihren Aufenthalt in Jhrem gantzen Weſen, Hat ihr gewiſſes Werck in Bethen, Singen, Leſen. Hieraus
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Wie wallte mir das Hertz, ſo offt die Stunde ſchlug,
Jn welcher mich der Fuß auf unſern Lehr-Stuhl trug,
Worauf wir das Bemuͤhn von ſo viel edlen Soͤhnen
Zur Tugend, Wiſſenſchafft und Wahrheit angewoͤhnen.
Die Laſt ward mir zur Luſt, der Schweiß zum ſanfften Thau,
Kein Kummer vor mein Haus ſchien mir zu hart und rauh,
Die Goͤnner machten ihn mit iedem Tage ſchwaͤcher:
Jch aß von Jhrem Brodt, ich trank von Jhrem Becher.
Ach, ſprach ich bey mir ſelbſt: Mein GOTT! wie ſchoͤn iſt das!
Ja! ſagte die Vernunfft: Es fehlt dir gleichwohl was:
Es fehlt, zu deinem Wohl, noch einer Gattin Hertze,
Die dir auch kuͤnfftig hin in Wohlergehn und Schmertze,
Vergnuͤgt zur Seite ſteh: weil doch der Schulen Laſt
Sich ſchwerer tragen laͤßt, als man ſie aufgefaßt,
Und auch wohl leichter Staub und Federn von Beſchwerden,
So ſchwach ſie einzeln ſind, gehaͤufft zu Centnern werden.
Geſetzt, dein Wunſch iſt itzt an Ruh und Vortheil reich;
Der Fortgang iſt ja nicht dem Anfang immer gleich,
Der Mittag gleicht nicht ſtets dem aufgeklaͤrten Morgen.
Schwaͤcht dich die Schule nicht; ſo koͤnnen andre Sorgen
Und Krankheit und Verdruß dir deine Ruh beſchreyn.
Zudem, erweg es doch, ſollt es nicht ſtraffbar ſeyn,
Der Goͤnner Guͤtigkeit ſo lange zu beſchweren?
Bau deinen eignen Heerd, dich ſelber zu ernaͤhren,
Und ſuche dir ein Hertz, ein treues Hertz darzu,
Auf dem das gantze Theil der Nahrungs-Sorgen ruh;
Allein, und einſam ſeyn iſt an ſich ſelbſt ein Leiden:
Bau deinen eignen Herd, ſo kanſt du das vermeiden.
Du kennſt die Boͤttnerin, das fromm und ſchoͤne Kind,
Die taͤglich holder wird, und groͤßren Ruhm gewinnt,
Du weißt es, was Jhr Haus vor Lob und Beyfall ziere.
So aͤcht der Eltern Werth; ſo aͤcht iſt auch der Jhre.
Die reinſte Gottesfurcht, ſo keinen Anſtrich weiß,
Hat immerfort an Jhr den angenehmſten Preiß,
Hat ihren Aufenthalt in Jhrem gantzen Weſen,
Hat ihr gewiſſes Werck in Bethen, Singen, Leſen.
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