Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733.Wie fand ich Dich sodann? O stets in allem dem, Was Nymphen Deiner Art beliebt und angenehm, Was Tugend edler macht, was fromme Töchter zieret, Was meinen Wunsch vergnügt, was mich mir selbst entführet. Das Hertze lachte mir, sobald ich Dich erblickt. Wie liebreich, wie vergnügt, wie klüglich, wie geschickt, Erklärten Aug und Mund, was Lieb und Treu vermögen, Kam mir Dein Gruß zuvor, kam mir Dein Arm entgegen. Das Hertze lachte mir, so offt es auch geschah, Daß ich Dich ämsig seyn, und Wirthschafft treiben sah: Wie klug, wie schnell, wie schön, sah ich Dich alle Pflichten Der nützen Häuslichkeit um Küch und Tisch verrichten. So, wie ein muntres Reh der Mutter Schritte merkt, Und sich in Weid und Lauff durch ihren Vorgang stärkt: So gabst auch Du, mein Schatz, so fort mit Aug und Ohren Auf Der Jhr Beyspiel acht, Die Dich zur Welt gebohren. Von erster Milch-Kost an, erkanntest Du an Jhr Der Tugend wahren Werth, und auch den Lohn dafür; Und so vermiedest Du der Thorheit schlaue Netze. Dein Spiegel Jhre Zucht; Jhr Wandel Dein Gesetze! Verehrte Sie vordem auch Jhrer Mutter Treu, Ehrt Jhre Dank-Pflicht noch mit iedem Tag aufs neu Die Brust, die Sie gesäugt, den Leid, der Sie getragen; So läßt sich gleicher Ruhm von Deiner Neigung sagen, Womit sich Dein Bemühn den Eltern so erwieß, Als müstest Du das Glück, das schon Dein eigen hieß, Da Dich Geburth und Huld zu Jhrem Kleynod machten, Durch Ehrfurcht, Treu und Fleiß noch erst zu finden trachten. Dis hört und sah ich stets mit stillem Lobspruch an, Biß daß, sobald Dein Fleiß der Absicht gnug gethan, Du Deine Rast sodann in meinem Umgang fandest, Dich mir noch mehr ergabst, Dir mich noch mehr verbandest. Doch nie trieb unsre Lust die Tugend hinterwerts: Kein üppig-freyes Wort, kein geil und schnöder Schertz Beschimpft und hemmte wo mit fauler Höllen-Lauge Des Himmels Gnaden-Blick, der Engel keusches Auge. Die
Wie fand ich Dich ſodann? O ſtets in allem dem, Was Nymphen Deiner Art beliebt und angenehm, Was Tugend edler macht, was fromme Toͤchter zieret, Was meinen Wunſch vergnuͤgt, was mich mir ſelbſt entfuͤhret. Das Hertze lachte mir, ſobald ich Dich erblickt. Wie liebreich, wie vergnuͤgt, wie kluͤglich, wie geſchickt, Erklaͤrten Aug und Mund, was Lieb und Treu vermoͤgen, Kam mir Dein Gruß zuvor, kam mir Dein Arm entgegen. Das Hertze lachte mir, ſo offt es auch geſchah, Daß ich Dich aͤmſig ſeyn, und Wirthſchafft treiben ſah: Wie klug, wie ſchnell, wie ſchoͤn, ſah ich Dich alle Pflichten Der nuͤtzen Haͤuslichkeit um Kuͤch und Tiſch verrichten. So, wie ein muntres Reh der Mutter Schritte merkt, Und ſich in Weid und Lauff durch ihren Vorgang ſtaͤrkt: So gabſt auch Du, mein Schatz, ſo fort mit Aug und Ohren Auf Der Jhr Beyſpiel acht, Die Dich zur Welt gebohren. Von erſter Milch-Koſt an, erkannteſt Du an Jhr Der Tugend wahren Werth, und auch den Lohn dafuͤr; Und ſo vermiedeſt Du der Thorheit ſchlaue Netze. Dein Spiegel Jhre Zucht; Jhr Wandel Dein Geſetze! Verehrte Sie vordem auch Jhrer Mutter Treu, Ehrt Jhre Dank-Pflicht noch mit iedem Tag aufs neu Die Bruſt, die Sie geſaͤugt, den Leid, der Sie getragen; So laͤßt ſich gleicher Ruhm von Deiner Neigung ſagen, Womit ſich Dein Bemuͤhn den Eltern ſo erwieß, Als muͤſteſt Du das Gluͤck, das ſchon Dein eigen hieß, Da Dich Geburth und Huld zu Jhrem Kleynod machten, Durch Ehrfurcht, Treu und Fleiß noch erſt zu finden trachten. Dis hoͤrt und ſah ich ſtets mit ſtillem Lobſpruch an, Biß daß, ſobald Dein Fleiß der Abſicht gnug gethan, Du Deine Raſt ſodann in meinem Umgang fandeſt, Dich mir noch mehr ergabſt, Dir mich noch mehr verbandeſt. Doch nie trieb unſre Luſt die Tugend hinterwerts: Kein uͤppig-freyes Wort, kein geil und ſchnoͤder Schertz Beſchimpft und hemmte wo mit fauler Hoͤllen-Lauge Des Himmels Gnaden-Blick, der Engel keuſches Auge. Die
<TEI> <text> <body> <div type="fsEpicedia" n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0010" n="[10]"/> <l>Wie fand ich Dich ſodann? O ſtets in allem dem,</l><lb/> <l>Was Nymphen Deiner Art beliebt und angenehm,</l><lb/> <l>Was Tugend edler macht, was fromme Toͤchter zieret,</l><lb/> <l>Was meinen Wunſch vergnuͤgt, was mich mir ſelbſt entfuͤhret.</l><lb/> <l>Das Hertze lachte mir, ſobald ich Dich erblickt.</l><lb/> <l>Wie liebreich, wie vergnuͤgt, wie kluͤglich, wie geſchickt,</l><lb/> <l>Erklaͤrten Aug und Mund, was Lieb und Treu vermoͤgen,</l><lb/> <l>Kam mir Dein Gruß zuvor, kam mir Dein Arm entgegen.</l><lb/> <l>Das Hertze lachte mir, ſo offt es auch geſchah,</l><lb/> <l>Daß ich Dich aͤmſig ſeyn, und Wirthſchafft treiben ſah:</l><lb/> <l>Wie klug, wie ſchnell, wie ſchoͤn, ſah ich Dich alle Pflichten</l><lb/> <l>Der nuͤtzen Haͤuslichkeit um Kuͤch und Tiſch verrichten.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>So, wie ein muntres Reh der Mutter Schritte merkt,</l><lb/> <l>Und ſich in Weid und Lauff durch ihren Vorgang ſtaͤrkt:</l><lb/> <l>So gabſt auch Du, mein <hi rendition="#fr">Schatz,</hi> ſo fort mit Aug und Ohren</l><lb/> <l>Auf Der Jhr Beyſpiel acht, Die Dich zur Welt gebohren.</l><lb/> <l>Von erſter Milch-Koſt an, erkannteſt Du an Jhr</l><lb/> <l>Der Tugend wahren Werth, und auch den Lohn dafuͤr;</l><lb/> <l>Und ſo vermiedeſt Du der Thorheit ſchlaue Netze.</l><lb/> <l>Dein Spiegel Jhre Zucht; Jhr Wandel Dein Geſetze!</l><lb/> <l>Verehrte Sie vordem auch Jhrer <hi rendition="#fr">Mutter</hi> Treu,</l><lb/> <l>Ehrt Jhre Dank-Pflicht noch mit iedem Tag aufs neu</l><lb/> <l>Die Bruſt, die Sie geſaͤugt, den Leid, der Sie getragen;</l><lb/> <l>So laͤßt ſich gleicher Ruhm von Deiner Neigung ſagen,</l><lb/> <l>Womit ſich Dein Bemuͤhn den Eltern ſo erwieß,</l><lb/> <l>Als muͤſteſt Du das Gluͤck, das ſchon Dein eigen hieß,</l><lb/> <l>Da Dich Geburth und Huld zu Jhrem Kleynod machten,</l><lb/> <l>Durch Ehrfurcht, Treu und Fleiß noch erſt zu finden trachten.</l><lb/> <l>Dis hoͤrt und ſah ich ſtets mit ſtillem Lobſpruch an,</l><lb/> <l>Biß daß, ſobald Dein Fleiß der Abſicht gnug gethan,</l><lb/> <l>Du Deine Raſt ſodann in meinem Umgang fandeſt,</l><lb/> <l>Dich mir noch mehr ergabſt, Dir mich noch mehr verbandeſt.</l><lb/> <l>Doch nie trieb unſre Luſt die Tugend hinterwerts:</l><lb/> <l>Kein uͤppig-freyes Wort, kein geil und ſchnoͤder Schertz</l><lb/> <l>Beſchimpft und hemmte wo mit fauler Hoͤllen-Lauge</l><lb/> <l>Des Himmels Gnaden-Blick, der Engel keuſches Auge.</l><lb/> <fw type="catch" place="bottom">Die</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [[10]/0010]
Wie fand ich Dich ſodann? O ſtets in allem dem,
Was Nymphen Deiner Art beliebt und angenehm,
Was Tugend edler macht, was fromme Toͤchter zieret,
Was meinen Wunſch vergnuͤgt, was mich mir ſelbſt entfuͤhret.
Das Hertze lachte mir, ſobald ich Dich erblickt.
Wie liebreich, wie vergnuͤgt, wie kluͤglich, wie geſchickt,
Erklaͤrten Aug und Mund, was Lieb und Treu vermoͤgen,
Kam mir Dein Gruß zuvor, kam mir Dein Arm entgegen.
Das Hertze lachte mir, ſo offt es auch geſchah,
Daß ich Dich aͤmſig ſeyn, und Wirthſchafft treiben ſah:
Wie klug, wie ſchnell, wie ſchoͤn, ſah ich Dich alle Pflichten
Der nuͤtzen Haͤuslichkeit um Kuͤch und Tiſch verrichten.
So, wie ein muntres Reh der Mutter Schritte merkt,
Und ſich in Weid und Lauff durch ihren Vorgang ſtaͤrkt:
So gabſt auch Du, mein Schatz, ſo fort mit Aug und Ohren
Auf Der Jhr Beyſpiel acht, Die Dich zur Welt gebohren.
Von erſter Milch-Koſt an, erkannteſt Du an Jhr
Der Tugend wahren Werth, und auch den Lohn dafuͤr;
Und ſo vermiedeſt Du der Thorheit ſchlaue Netze.
Dein Spiegel Jhre Zucht; Jhr Wandel Dein Geſetze!
Verehrte Sie vordem auch Jhrer Mutter Treu,
Ehrt Jhre Dank-Pflicht noch mit iedem Tag aufs neu
Die Bruſt, die Sie geſaͤugt, den Leid, der Sie getragen;
So laͤßt ſich gleicher Ruhm von Deiner Neigung ſagen,
Womit ſich Dein Bemuͤhn den Eltern ſo erwieß,
Als muͤſteſt Du das Gluͤck, das ſchon Dein eigen hieß,
Da Dich Geburth und Huld zu Jhrem Kleynod machten,
Durch Ehrfurcht, Treu und Fleiß noch erſt zu finden trachten.
Dis hoͤrt und ſah ich ſtets mit ſtillem Lobſpruch an,
Biß daß, ſobald Dein Fleiß der Abſicht gnug gethan,
Du Deine Raſt ſodann in meinem Umgang fandeſt,
Dich mir noch mehr ergabſt, Dir mich noch mehr verbandeſt.
Doch nie trieb unſre Luſt die Tugend hinterwerts:
Kein uͤppig-freyes Wort, kein geil und ſchnoͤder Schertz
Beſchimpft und hemmte wo mit fauler Hoͤllen-Lauge
Des Himmels Gnaden-Blick, der Engel keuſches Auge.
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |