Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Leyser, Polycarp: Ein Christliche Leichpredigt. Wittenberg, 1583.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichpredigt.

Es möchten aber hie manchem diese gedancken in seinem
hertzen auffsteigen/ ob es nicht allzu scharff were/ das Gott der
Herr vmb eines apffels wegen/ den Menschen mit allen seinen
Nachkomen so hart straffet. Scheinet es doch ein gantz kindisch
ding zusein. Dann die Kinder/ welche gern naschen/ die ent-
zücken jhren Eltern bisweilen äpffel/ birn/ vnd ander Obst/ solte
darumb ein Vater sein kind von eines apffels wegen gar zu todt
schlagen? Würde sich solches auch schicken? Nein trawen/
Wie sol sich denn dieses mit der gerechtigkeit Gottes schicken?
Adam hat ein zeitliche sünde begangen/ vnd solte von derselben
wegen/ mit dem ewigen todt gestrafft werden? Wo bleibt hie/
welchs man sonsten leret/ das zwischen der sünde vnd straff ein
gleiche mas sol gehalten werden?

Antwort/ für vnserer vernunfft scheinet es wol ein kin-
dische vnd schlechte that zusein/ die Gott nicht so hoch achten sol-
te/ aber wir müssen vns hie hüten/ das wir bey leibe nicht von
der sünde/ nach vnserer vernunfft vrtheilen/ dann sonsten wer-
den wir stracks betrogen/ Sondern/ hie sol man bedencken/ wer
der sey/ welcher dieses verbot gegeben hat/ vnd wider den man
durch vbertrettung desselbigen sündiget/ auch was für muth vnd
Sinn einer hat/ der solches verbot nicht achtet/ so wird sichs als
dann befinden/ das/ es scheine die sünde für der vernunfft so ge-
ring vnd schlecht/ als sie jmmer wölle/ so sey doch Gott nicht
vngerecht/ welcher die ewige straff darauff gelegt hat.

Dann der hie verboten hat/ von dem einen bawm zues-
sen/ das ist der ewige Gott. Weil man dann/ auch mit der ge-
ringsten sünde/ wider den ewigen Gott sündiget/ dessen wort e-
wig bleibet/ so ist es auch billich/ das die sünde mit ewiger straff
beleget werde. Zu dem/ welcher wider Gott sündiget/ der wendet
sich mit seiner sünde/ von dem höchsten vnd ewigen guten/ wel-
ches Gott selbst ist. Wie kan es dann anders gesein/ dann das

er
Leichpredigt.

Es moͤchten aber hie manchem dieſe gedancken in ſeinem
hertzen auffſteigen/ ob es nicht allzu ſcharff were/ das Gott der
Herr vmb eines apffels wegen/ den Menſchen mit allen ſeinen
Nachkomen ſo hart ſtraffet. Scheinet es doch ein gantz kindiſch
ding zuſein. Dann die Kinder/ welche gern naſchen/ die ent-
zuͤcken jhren Eltern bisweilen äpffel/ birn/ vnd ander Obſt/ ſolte
darumb ein Vater ſein kind von eines apffels wegen gar zu todt
ſchlagen? Wuͤrde ſich ſolches auch ſchicken? Nein trawen/
Wie ſol ſich denn dieſes mit der gerechtigkeit Gottes ſchicken?
Adam hat ein zeitliche ſuͤnde begangen/ vnd ſolte von derſelben
wegen/ mit dem ewigen todt geſtrafft werden? Wo bleibt hie/
welchs man ſonſten leret/ das zwiſchen der ſuͤnde vnd ſtraff ein
gleiche mas ſol gehalten werden?

Antwort/ fuͤr vnſerer vernunfft ſcheinet es wol ein kin-
diſche vnd ſchlechte that zuſein/ die Gott nicht ſo hoch achten ſol-
te/ aber wir muͤſſen vns hie huͤten/ das wir bey leibe nicht von
der ſuͤnde/ nach vnſerer vernunfft vrtheilen/ dann ſonſten wer-
den wir ſtracks betrogen/ Sondern/ hie ſol man bedencken/ wer
der ſey/ welcher dieſes verbot gegeben hat/ vnd wider den man
durch vbertrettung deſſelbigen ſuͤndiget/ auch was fuͤr muth vnd
Sinn einer hat/ der ſolches verbot nicht achtet/ ſo wird ſichs als
dann befinden/ das/ es ſcheine die ſuͤnde fuͤr der vernunfft ſo ge-
ring vnd ſchlecht/ als ſie jmmer woͤlle/ ſo ſey doch Gott nicht
vngerecht/ welcher die ewige ſtraff darauff gelegt hat.

Dann der hie verboten hat/ von dem einen bawm zueſ-
ſen/ das iſt der ewige Gott. Weil man dann/ auch mit der ge-
ringſten ſuͤnde/ wider den ewigen Gott ſuͤndiget/ deſſen wort e-
wig bleibet/ ſo iſt es auch billich/ das die ſuͤnde mit ewiger ſtraff
beleget werde. Zu dem/ welcher wider Gott ſuͤndiget/ der wendet
ſich mit ſeiner ſuͤnde/ von dem hoͤchſten vnd ewigen guten/ wel-
ches Gott ſelbſt iſt. Wie kan es dann anders geſein/ dann das

er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsMainPart" n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0024" n="[24]"/>
            <fw type="header" place="top"> <hi rendition="#b">Leichpredigt.</hi> </fw><lb/>
            <p>Es mo&#x0364;chten aber hie manchem die&#x017F;e gedancken in &#x017F;einem<lb/>
hertzen auff&#x017F;teigen/ ob es nicht allzu &#x017F;charff were/ das Gott der<lb/>
Herr vmb eines apffels wegen/ den Men&#x017F;chen mit allen &#x017F;einen<lb/>
Nachkomen &#x017F;o hart &#x017F;traffet. Scheinet es doch ein gantz kindi&#x017F;ch<lb/>
ding zu&#x017F;ein. Dann die Kinder/ welche gern na&#x017F;chen/ die ent-<lb/>
zu&#x0364;cken jhren Eltern bisweilen äpffel/ birn/ vnd ander Ob&#x017F;t/ &#x017F;olte<lb/>
darumb ein Vater &#x017F;ein kind von eines apffels wegen gar zu todt<lb/>
&#x017F;chlagen? Wu&#x0364;rde &#x017F;ich &#x017F;olches auch &#x017F;chicken? Nein trawen/<lb/>
Wie &#x017F;ol &#x017F;ich denn die&#x017F;es mit der gerechtigkeit Gottes &#x017F;chicken?<lb/>
Adam hat ein zeitliche &#x017F;u&#x0364;nde begangen/ vnd &#x017F;olte von der&#x017F;elben<lb/>
wegen/ mit dem ewigen todt ge&#x017F;trafft werden? Wo bleibt hie/<lb/>
welchs man &#x017F;on&#x017F;ten leret/ das zwi&#x017F;chen der &#x017F;u&#x0364;nde vnd &#x017F;traff ein<lb/>
gleiche mas &#x017F;ol gehalten werden?</p><lb/>
            <p>Antwort/ fu&#x0364;r vn&#x017F;erer vernunfft &#x017F;cheinet es wol ein kin-<lb/>
di&#x017F;che vnd &#x017F;chlechte that zu&#x017F;ein/ die Gott nicht &#x017F;o hoch achten &#x017F;ol-<lb/>
te/ aber wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en vns hie hu&#x0364;ten/ das wir bey leibe nicht von<lb/>
der &#x017F;u&#x0364;nde/ nach vn&#x017F;erer vernunfft vrtheilen/ dann &#x017F;on&#x017F;ten wer-<lb/>
den wir &#x017F;tracks betrogen/ Sondern/ hie &#x017F;ol man bedencken/ wer<lb/>
der &#x017F;ey/ welcher die&#x017F;es verbot gegeben hat/ vnd wider den man<lb/>
durch vbertrettung de&#x017F;&#x017F;elbigen &#x017F;u&#x0364;ndiget/ auch was fu&#x0364;r muth vnd<lb/>
Sinn einer hat/ der &#x017F;olches verbot nicht achtet/ &#x017F;o wird &#x017F;ichs als<lb/>
dann befinden/ das/ es &#x017F;cheine die &#x017F;u&#x0364;nde fu&#x0364;r der vernunfft &#x017F;o ge-<lb/>
ring vnd &#x017F;chlecht/ als &#x017F;ie jmmer wo&#x0364;lle/ &#x017F;o &#x017F;ey doch Gott nicht<lb/>
vngerecht/ welcher die ewige &#x017F;traff darauff gelegt hat.</p><lb/>
            <p>Dann der hie verboten hat/ von dem einen bawm zue&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ das i&#x017F;t der ewige Gott. Weil man dann/ auch mit der ge-<lb/>
ring&#x017F;ten &#x017F;u&#x0364;nde/ wider den ewigen Gott &#x017F;u&#x0364;ndiget/ de&#x017F;&#x017F;en wort e-<lb/>
wig bleibet/ &#x017F;o i&#x017F;t es auch billich/ das die &#x017F;u&#x0364;nde mit ewiger &#x017F;traff<lb/>
beleget werde. Zu dem/ welcher wider Gott &#x017F;u&#x0364;ndiget/ der wendet<lb/>
&#x017F;ich mit &#x017F;einer &#x017F;u&#x0364;nde/ von dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten vnd ewigen guten/ wel-<lb/>
ches Gott &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t. Wie kan es dann anders ge&#x017F;ein/ dann das<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">er</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[24]/0024] Leichpredigt. Es moͤchten aber hie manchem dieſe gedancken in ſeinem hertzen auffſteigen/ ob es nicht allzu ſcharff were/ das Gott der Herr vmb eines apffels wegen/ den Menſchen mit allen ſeinen Nachkomen ſo hart ſtraffet. Scheinet es doch ein gantz kindiſch ding zuſein. Dann die Kinder/ welche gern naſchen/ die ent- zuͤcken jhren Eltern bisweilen äpffel/ birn/ vnd ander Obſt/ ſolte darumb ein Vater ſein kind von eines apffels wegen gar zu todt ſchlagen? Wuͤrde ſich ſolches auch ſchicken? Nein trawen/ Wie ſol ſich denn dieſes mit der gerechtigkeit Gottes ſchicken? Adam hat ein zeitliche ſuͤnde begangen/ vnd ſolte von derſelben wegen/ mit dem ewigen todt geſtrafft werden? Wo bleibt hie/ welchs man ſonſten leret/ das zwiſchen der ſuͤnde vnd ſtraff ein gleiche mas ſol gehalten werden? Antwort/ fuͤr vnſerer vernunfft ſcheinet es wol ein kin- diſche vnd ſchlechte that zuſein/ die Gott nicht ſo hoch achten ſol- te/ aber wir muͤſſen vns hie huͤten/ das wir bey leibe nicht von der ſuͤnde/ nach vnſerer vernunfft vrtheilen/ dann ſonſten wer- den wir ſtracks betrogen/ Sondern/ hie ſol man bedencken/ wer der ſey/ welcher dieſes verbot gegeben hat/ vnd wider den man durch vbertrettung deſſelbigen ſuͤndiget/ auch was fuͤr muth vnd Sinn einer hat/ der ſolches verbot nicht achtet/ ſo wird ſichs als dann befinden/ das/ es ſcheine die ſuͤnde fuͤr der vernunfft ſo ge- ring vnd ſchlecht/ als ſie jmmer woͤlle/ ſo ſey doch Gott nicht vngerecht/ welcher die ewige ſtraff darauff gelegt hat. Dann der hie verboten hat/ von dem einen bawm zueſ- ſen/ das iſt der ewige Gott. Weil man dann/ auch mit der ge- ringſten ſuͤnde/ wider den ewigen Gott ſuͤndiget/ deſſen wort e- wig bleibet/ ſo iſt es auch billich/ das die ſuͤnde mit ewiger ſtraff beleget werde. Zu dem/ welcher wider Gott ſuͤndiget/ der wendet ſich mit ſeiner ſuͤnde/ von dem hoͤchſten vnd ewigen guten/ wel- ches Gott ſelbſt iſt. Wie kan es dann anders geſein/ dann das er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/522222
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/522222/24
Zitationshilfe: Leyser, Polycarp: Ein Christliche Leichpredigt. Wittenberg, 1583, S. [24]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/522222/24>, abgerufen am 21.11.2024.