Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Löwe, Valentin: Eine kurtze Evangelische Trost-Predigt. Leipzig, 1610.

Bild:
<< vorherige Seite
Eine Christliche

Derowegen sollen wir/ vnsers theils/ auff der mittel-
bahn bleiben/ vnd vnsere Toden zwar beweinen vnd bekla-
gen/ doch aber darinnen die gebürliche maß nicht vberschrei-
ten: Denn daß wir weinen vnd trawren mögen/ das giebet
nicht allein vnsere natur/ weil vns der HErr vnser Gott
vnd Schöpffer/ nicht zu steinen/ klötzen vnd stöcken/ sondern
zu empfindlichen Menschen geschaffen/ Daher wir denn
auch sehen/ daß je edler die Naturen sind/ je mehr sich sen-
sus doloris,
die schmertzliche empfindung/ vnd die mitlei-
denden affecten darinnen ereignen: Sondern es hat auch der
H. Geist solches im göttlichen Wort vergünstiget/ sintemal
Sir. 22.er im Buch Sirachs am 22. saget: Vber einen Toden
pfleget man zu trawren:
Denn er hat das Liecht nicht
mehr. Ja er hat vns das trawren vnd leidtragen selbsten
Sir. 38.aufferleget vnd anbefohlen/ weil er im offterwehnten schö-
nen Haußbuch Sirachs saget: Mein Kind/ wenn einer
stirbet/ so beweine jhn/ vnd klage jhn/ als sey dir groß leid ge-
schehen/ etc. Jtem/ Du solt bitterlich weinen/ vnd hertzlich
betrübet seyn/ vnd leid tragen/ darnach er gewesen ist. Dan-
nenhero sehen wir auch/ daß die gleubige Gottes Kinder jh-
rer Toden/ nicht ohne bewegung vergessen haben: Denn
der großgleubige Ertzvater Abraham beweinet seine hertz-
geliebte Saram/ als ein recht trew erkantes ehrengefäß/ die
Gen. 23.
1. Petr.
3.
jhn nach S. Petri zeugniß in wahrer demuth respectiret hat-
te/ gar hertzlich/ vnd richtet jhr ein stattliches begrebniß aus.
Der liebe fromme keusche Joseph stifftet ein ziemlich gros-
ses leid/ da sein hertzgeliebter Vater/ der heilige vnd durchs
Creutz wolgeprüffte Patriarch Jacob die schuld der natur
Gen. 49.bezahlete: Denn das gibet vns der heilige Geist zu verneh-
men/ da er saget: Da fiel Joseph auff seines Vaters ange-

sicht/
Eine Chriſtliche

Derowegen ſollen wir/ vnſers theils/ auff der mittel-
bahn bleiben/ vnd vnſere Toden zwar beweinen vnd bekla-
gen/ doch aber darinnen die gebuͤrliche maß nicht vberſchrei-
ten: Denn daß wir weinen vnd trawren moͤgen/ das giebet
nicht allein vnſere natur/ weil vns der HErr vnſer Gott
vnd Schoͤpffer/ nicht zu ſteinen/ kloͤtzen vnd ſtoͤcken/ ſondern
zu empfindlichen Menſchen geſchaffen/ Daher wir denn
auch ſehen/ daß je edler die Naturen ſind/ je mehr ſich ſen-
ſus doloris,
die ſchmertzliche empfindung/ vnd die mitlei-
denden affecten darinnen ereignen: Sondern es hat auch der
H. Geiſt ſolches im goͤttlichen Wort verguͤnſtiget/ ſintemal
Sir. 22.er im Buch Sirachs am 22. ſaget: Vber einen Toden
pfleget man zu trawren:
Denn er hat das Liecht nicht
mehr. Ja er hat vns das trawren vnd leidtragen ſelbſten
Sir. 38.aufferleget vnd anbefohlen/ weil er im offterwehnten ſchoͤ-
nen Haußbuch Sirachs ſaget: Mein Kind/ wenn einer
ſtirbet/ ſo beweine jhn/ vnd klage jhn/ als ſey dir groß leid ge-
ſchehen/ ꝛc. Jtem/ Du ſolt bitterlich weinen/ vnd hertzlich
betruͤbet ſeyn/ vnd leid tragen/ darnach er geweſen iſt. Dan-
nenhero ſehen wir auch/ daß die gleubige Gottes Kinder jh-
rer Toden/ nicht ohne bewegung vergeſſen haben: Denn
der großgleubige Ertzvater Abraham beweinet ſeine hertz-
geliebte Saram/ als ein recht trew erkantes ehrengefaͤß/ die
Gen. 23.
1. Petr.
3.
jhn nach S. Petri zeugniß in wahrer demuth reſpectiret hat-
te/ gar hertzlich/ vnd richtet jhr ein ſtattliches begrebniß aus.
Der liebe fromme keuſche Joſeph ſtifftet ein ziemlich groſ-
ſes leid/ da ſein hertzgeliebter Vater/ der heilige vnd durchs
Creutz wolgepruͤffte Patriarch Jacob die ſchuld der natur
Gen. 49.bezahlete: Denn das gibet vns der heilige Geiſt zu verneh-
men/ da er ſaget: Da fiel Joſeph auff ſeines Vaters ange-

ſicht/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsMainPart" n="2">
          <div n="3">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0014"/>
              <fw type="header" place="top"> <hi rendition="#b">Eine Chri&#x017F;tliche</hi> </fw><lb/>
              <p>Derowegen &#x017F;ollen wir/ vn&#x017F;ers theils/ auff der mittel-<lb/>
bahn bleiben/ vnd vn&#x017F;ere Toden zwar beweinen vnd bekla-<lb/>
gen/ doch aber darinnen die gebu&#x0364;rliche maß nicht vber&#x017F;chrei-<lb/>
ten: Denn daß wir weinen vnd trawren mo&#x0364;gen/ das giebet<lb/>
nicht allein vn&#x017F;ere natur/ weil vns der HErr vn&#x017F;er Gott<lb/>
vnd Scho&#x0364;pffer/ nicht zu &#x017F;teinen/ klo&#x0364;tzen vnd &#x017F;to&#x0364;cken/ &#x017F;ondern<lb/>
zu empfindlichen Men&#x017F;chen ge&#x017F;chaffen/ Daher wir denn<lb/>
auch &#x017F;ehen/ daß je edler die Naturen &#x017F;ind/ je mehr &#x017F;ich <hi rendition="#aq">&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;us doloris,</hi> die &#x017F;chmertzliche empfindung/ vnd die mitlei-<lb/>
denden affecten darinnen ereignen: Sondern es hat auch der<lb/>
H. Gei&#x017F;t &#x017F;olches im go&#x0364;ttlichen Wort vergu&#x0364;n&#x017F;tiget/ &#x017F;intemal<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Sir.</hi> 22.</note>er im Buch Sirachs am 22. &#x017F;aget: <hi rendition="#fr">Vber einen Toden<lb/>
pfleget man zu trawren:</hi> Denn er hat das Liecht nicht<lb/>
mehr. Ja er hat vns das trawren vnd leidtragen &#x017F;elb&#x017F;ten<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Sir.</hi> 38.</note>aufferleget vnd anbefohlen/ weil er im offterwehnten &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen Haußbuch Sirachs &#x017F;aget: <hi rendition="#fr">Mein Kind/</hi> wenn einer<lb/>
&#x017F;tirbet/ &#x017F;o beweine jhn/ vnd klage jhn/ als &#x017F;ey dir groß leid ge-<lb/>
&#x017F;chehen/ &#xA75B;c. Jtem/ Du &#x017F;olt bitterlich weinen/ vnd hertzlich<lb/>
betru&#x0364;bet &#x017F;eyn/ vnd leid tragen/ darnach er gewe&#x017F;en i&#x017F;t. Dan-<lb/>
nenhero &#x017F;ehen wir auch/ daß die gleubige Gottes Kinder jh-<lb/>
rer Toden/ nicht ohne bewegung verge&#x017F;&#x017F;en haben: Denn<lb/>
der großgleubige Ertzvater Abraham beweinet &#x017F;eine hertz-<lb/>
geliebte Saram/ als ein recht trew erkantes ehrengefa&#x0364;ß/ die<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Gen. 23.<lb/>
1. Petr.</hi> 3.</note>jhn nach S. Petri zeugniß in wahrer demuth re&#x017F;pectiret hat-<lb/>
te/ gar hertzlich/ vnd richtet jhr ein &#x017F;tattliches begrebniß aus.<lb/>
Der liebe fromme keu&#x017F;che Jo&#x017F;eph &#x017F;tifftet ein ziemlich gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;es leid/ da &#x017F;ein hertzgeliebter Vater/ der heilige vnd durchs<lb/>
Creutz wolgepru&#x0364;ffte Patriarch Jacob die &#x017F;chuld der natur<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Gen.</hi> 49.</note>bezahlete: Denn das gibet vns der heilige Gei&#x017F;t zu verneh-<lb/>
men/ da er &#x017F;aget: Da fiel Jo&#x017F;eph auff &#x017F;eines Vaters ange-<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">&#x017F;icht/</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0014] Eine Chriſtliche Derowegen ſollen wir/ vnſers theils/ auff der mittel- bahn bleiben/ vnd vnſere Toden zwar beweinen vnd bekla- gen/ doch aber darinnen die gebuͤrliche maß nicht vberſchrei- ten: Denn daß wir weinen vnd trawren moͤgen/ das giebet nicht allein vnſere natur/ weil vns der HErr vnſer Gott vnd Schoͤpffer/ nicht zu ſteinen/ kloͤtzen vnd ſtoͤcken/ ſondern zu empfindlichen Menſchen geſchaffen/ Daher wir denn auch ſehen/ daß je edler die Naturen ſind/ je mehr ſich ſen- ſus doloris, die ſchmertzliche empfindung/ vnd die mitlei- denden affecten darinnen ereignen: Sondern es hat auch der H. Geiſt ſolches im goͤttlichen Wort verguͤnſtiget/ ſintemal er im Buch Sirachs am 22. ſaget: Vber einen Toden pfleget man zu trawren: Denn er hat das Liecht nicht mehr. Ja er hat vns das trawren vnd leidtragen ſelbſten aufferleget vnd anbefohlen/ weil er im offterwehnten ſchoͤ- nen Haußbuch Sirachs ſaget: Mein Kind/ wenn einer ſtirbet/ ſo beweine jhn/ vnd klage jhn/ als ſey dir groß leid ge- ſchehen/ ꝛc. Jtem/ Du ſolt bitterlich weinen/ vnd hertzlich betruͤbet ſeyn/ vnd leid tragen/ darnach er geweſen iſt. Dan- nenhero ſehen wir auch/ daß die gleubige Gottes Kinder jh- rer Toden/ nicht ohne bewegung vergeſſen haben: Denn der großgleubige Ertzvater Abraham beweinet ſeine hertz- geliebte Saram/ als ein recht trew erkantes ehrengefaͤß/ die jhn nach S. Petri zeugniß in wahrer demuth reſpectiret hat- te/ gar hertzlich/ vnd richtet jhr ein ſtattliches begrebniß aus. Der liebe fromme keuſche Joſeph ſtifftet ein ziemlich groſ- ſes leid/ da ſein hertzgeliebter Vater/ der heilige vnd durchs Creutz wolgepruͤffte Patriarch Jacob die ſchuld der natur bezahlete: Denn das gibet vns der heilige Geiſt zu verneh- men/ da er ſaget: Da fiel Joſeph auff ſeines Vaters ange- ſicht/ Sir. 22. Sir. 38. Gen. 23. 1. Petr. 3. Gen. 49.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/508615
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/508615/14
Zitationshilfe: Löwe, Valentin: Eine kurtze Evangelische Trost-Predigt. Leipzig, 1610, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508615/14>, abgerufen am 27.11.2024.