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Seidel, Georg: Rediviva naemi Das ist Vernewertes Todten vnd Lebensbild. Oels, 1638.

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Chrtstliche Leich vnd
Jch dorffte mich vmb nichts bekümmern/ sondern es sorge-
ten andere für Mich. Wir gedachten/ wir würdens an-
ders wo besser haben. Aber wir habens/ Leider GOtt er-
barme es/ Vbel troffen. Denn da bin Jch recht/ auß dem
Rauch ins Fewer gerathen/ wir haben vns gefürchtet für
dem Hunger/ vnd sind gefallen in die Pest/ denn der Todt
hat vnversehens/ nicht alleine meinen lieben Mann/ son-
dern auch meine beyde liebe Söhne/ weg genommen/ vnd
Jch bin also inn einem elenden betrübten Wittwen stande
verblieben/ O wie bin Jch so ein betrübtes vnd vnglück-
seliges Weib/ heisset mich nicht mehr Lieblich/ Freundlich/
Holdselig/ sondern Elende bekümmert vnd betrübt/ denn
Jch bin ein vnglückseliges Weib/ als kaum kan gefunden
werden!

O stehet allhie ein wenig stille/ sehet an dieses hochbe-
kümmerte Weib/ Lernet darbey/ welch ein elendes ding es
sey/ vmb das Menschliche leben/ sonderlich sehen wir wie
bald vnsere Schönheit/ Freundligkeit in ein elendes traw-
riges bild kan verwandelt werden/ nach dem gemeinen
Verßlein:

Forma bonum fragile est, tacitis corrumpitur annis
Febricula & formam frangere parva potest.
Gantz vnstet/ vngewiß/ des Menschen Schönheit ist:
Das Alter sie verzehrt/ die Kranckheit sie aufffrist.

O bedencket/ wie GOtt die seinen offte so harte straffet/
vnd härter heimsuchet als die Gottlosen/ denen gemeinig-
lich jhre straffe in der Hellen Ewig vorbehalten wirdt/ da-
mit lasse sich niemandt bereden/ das er ohne straffe werde
sein/ denn ist er ein Kindt Gottes/ so muß er durch viel
Creutz vnd elend ins Himmelreich gehen/ denn es ist be-
schlossen/ das alle die in Christo Jesu wollen ein Gottselig

Leben

Chrtſtliche Leich vnd
Jch dorffte mich vmb nichts bekuͤmmern/ ſondern es ſorge-
ten andere fuͤr Mich. Wir gedachten/ wir wuͤrdens an-
ders wo beſſer haben. Aber wir habens/ Leider GOtt er-
barme es/ Vbel troffen. Denn da bin Jch recht/ auß dem
Rauch ins Fewer gerathen/ wir haben vns gefuͤrchtet fuͤr
dem Hunger/ vnd ſind gefallen in die Peſt/ denn der Todt
hat vnverſehens/ nicht alleine meinen lieben Mann/ ſon-
dern auch meine beyde liebe Soͤhne/ weg genommen/ vnd
Jch bin alſo inn einem elenden betruͤbten Wittwen ſtande
verblieben/ O wie bin Jch ſo ein betruͤbtes vnd vngluͤck-
ſeliges Weib/ heiſſet mich nicht mehr Lieblich/ Freundlich/
Holdſelig/ ſondern Elende bekuͤmmert vnd betruͤbt/ denn
Jch bin ein vngluͤckſeliges Weib/ als kaum kan gefunden
werden!

O ſtehet allhie ein wenig ſtille/ ſehet an dieſes hochbe-
kuͤmmerte Weib/ Lernet darbey/ welch ein elendes ding es
ſey/ vmb das Menſchliche leben/ ſonderlich ſehen wir wie
bald vnſere Schoͤnheit/ Freundligkeit in ein elendes traw-
riges bild kan verwandelt werden/ nach dem gemeinen
Verßlein:

Forma bonum fragile eſt, tacitis corrumpitur annis
Febricula & formam frangere parva potest.
Gantz vnſtet/ vngewiß/ des Menſchen Schoͤnheit iſt:
Das Alter ſie verzehrt/ die Kranckheit ſie aufffriſt.

O bedencket/ wie GOtt die ſeinen offte ſo harte ſtraffet/
vnd haͤrter heimſuchet als die Gottloſen/ denen gemeinig-
lich jhre ſtraffe in der Hellen Ewig vorbehalten wirdt/ da-
mit laſſe ſich niemandt bereden/ das er ohne ſtraffe werde
ſein/ denn iſt er ein Kindt Gottes/ ſo muß er durch viel
Creutz vnd elend ins Himmelreich gehen/ denn es iſt be-
ſchloſſen/ das alle die in Chriſto Jeſu wollen ein Gottſelig

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Zitationshilfe: Seidel, Georg: Rediviva naemi Das ist Vernewertes Todten vnd Lebensbild. Oels, 1638, S. [16]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508231/16>, abgerufen am 22.12.2024.