Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bahn, Nikolaus: Das unschuldig vergoßne Blut. [Pirna], [1701].

Bild:
<< vorherige Seite

Das unschuldig vergossene Blut.
die Haare stehen mir zu Berge/ das Hertze möchte mir im Leibe blu-
ten/ wenn ich meines Orths an diese unbarmhertzige Mordthat ge-
dencke. Der heilige Apostel Paulus sagt dorten: Niemand hat
iemals sein eigen Fleisch gehasset/ sondern er nähret es und pfle-
get sein/ gleichwie auch der HErr die Gemeine/
Eph. 5, 29. Und
wie hast du denn/ o unbarmhertziger Vater! o grausamer Kinder-
Mörder! mit deinem eigenen Fleisch und Blute/ mit deinem eintzigen
Kind/ und sonst lieben Söhngen/ so barbarisch und grausam verfah-
ren können? Keine unvernünfftige Bestie tödtet ihres gleichen/ kein
grimmiger Bär/ kein hungriger Wolff/ kein Blutdürstiger Löwe wü-
tet wieder seines gleichen/ und frist die Jungen/ vielmehr defendirt
und beschützt er seine Junge/ und läst wohl eher das Leben drüber; Du
aber/ o Cains-Bruder/ tödtest und schlachtest dein eigen Kind/ der ge-
rechte GOtt fordert dich itzo/ wie ehermahls den gottlosen Cain/ für
seinen Richter-Stuhl/ er stellet wieder dich eine scharffe Inqvisition
an: Wo ist dein Kind? Wo ist dein Sohn? Was hast du ge-
than? Die Stimme deines Kindes Blut schreyet zu mir von
der Erden/ du hast unschuldig Kinder-Blut vergossen/ und
nu verflucht seyst du auff der Erden/ die ihr Maul hat auffge-
than/ und deines Kindes Blut von deinen Händen empfangen.

Diese Worte wollen wir an statt eines Leichen-Texts bey gegenwär-
tiger Volckreichen Versamlung und Christlicher Beerdigung des see-
ligen Kindes zu betrachten vor uns nehmen/ und im Nahmen der al-
lerheiligsten Dreyfaltigkeit daraus erwegen

Das unschuldig vergoßne Blut.
Wir werden zu sehen haben
I. Die grausame Mord-Geschicht.
II. Das gerechte Blut-Gericht.
Mein JEsu! Durch dein unschuldig Blut/
Die schöne rothe Fluth/
Wasch ab all meine Sünde/
Mit Trost mein Hertz verbinde/
Und

Das unſchuldig vergoſſene Blut.
die Haare ſtehen mir zu Berge/ das Hertze moͤchte mir im Leibe blu-
ten/ wenn ich meines Orths an dieſe unbarmhertzige Mordthat ge-
dencke. Der heilige Apoſtel Paulus ſagt dorten: Niemand hat
iemals ſein eigen Fleiſch gehaſſet/ ſondern er naͤhret es und pfle-
get ſein/ gleichwie auch der HErr die Gemeine/
Eph. 5, 29. Und
wie haſt du denn/ ô unbarmhertziger Vater! ô grauſamer Kinder-
Moͤrder! mit deinem eigenen Fleiſch und Blute/ mit deinem eintzigen
Kind/ und ſonſt lieben Soͤhngen/ ſo barbariſch und grauſam verfah-
ren koͤnnen? Keine unvernuͤnfftige Beſtie toͤdtet ihres gleichen/ kein
grimmiger Baͤr/ kein hungriger Wolff/ kein Blutduͤrſtiger Loͤwe wuͤ-
tet wieder ſeines gleichen/ und friſt die Jungen/ vielmehr defendirt
und beſchuͤtzt er ſeine Junge/ und laͤſt wohl eher das Leben druͤber; Du
aber/ ô Cains-Bruder/ toͤdteſt und ſchlachteſt dein eigen Kind/ der ge-
rechte GOtt fordert dich itzo/ wie ehermahls den gottloſen Cain/ fuͤr
ſeinen Richter-Stuhl/ er ſtellet wieder dich eine ſcharffe Inqviſition
an: Wo iſt dein Kind? Wo iſt dein Sohn? Was haſt du ge-
than? Die Stimme deines Kindes Blut ſchreyet zu mir von
der Erden/ du haſt unſchuldig Kinder-Blut vergoſſen/ und
nu verflucht ſeyſt du auff der Erden/ die ihr Maul hat auffge-
than/ und deines Kindes Blut von deinen Haͤnden empfangen.

Dieſe Worte wollen wir an ſtatt eines Leichen-Texts bey gegenwaͤr-
tiger Volckreichen Verſamlung und Chriſtlicher Beerdigung des ſee-
ligen Kindes zu betrachten vor uns nehmen/ und im Nahmen der al-
lerheiligſten Dreyfaltigkeit daraus erwegen

Das unſchuldig vergoßne Blut.
Wir werden zu ſehen haben
I. Die grauſame Mord-Geſchicht.
II. Das gerechte Blut-Gericht.
Mein JEſu! Durch dein unſchuldig Blut/
Die ſchoͤne rothe Fluth/
Waſch ab all meine Suͤnde/
Mit Troſt mein Hertz verbinde/
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsExordium" n="2">
          <p><pb facs="#f0013" n="15[13]"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">Das un&#x017F;chuldig vergo&#x017F;&#x017F;ene Blut.</hi></fw><lb/>
die Haare &#x017F;tehen mir zu Berge/ das Hertze mo&#x0364;chte mir im Leibe blu-<lb/>
ten/ wenn ich meines Orths an die&#x017F;e unbarmhertzige Mordthat ge-<lb/>
dencke. Der heilige Apo&#x017F;tel Paulus &#x017F;agt dorten: <hi rendition="#fr">Niemand hat<lb/>
iemals &#x017F;ein eigen Flei&#x017F;ch geha&#x017F;&#x017F;et/ &#x017F;ondern er na&#x0364;hret es und pfle-<lb/>
get &#x017F;ein/ gleichwie auch der HErr die Gemeine/</hi> <hi rendition="#aq">Eph.</hi> 5, 29. Und<lb/>
wie ha&#x017F;t du denn/ <hi rendition="#aq">ô</hi> unbarmhertziger Vater! <hi rendition="#aq">ô</hi> grau&#x017F;amer Kinder-<lb/>
Mo&#x0364;rder! mit deinem eigenen Flei&#x017F;ch und Blute/ mit deinem eintzigen<lb/>
Kind/ und &#x017F;on&#x017F;t lieben So&#x0364;hngen/ &#x017F;o barbari&#x017F;ch und grau&#x017F;am verfah-<lb/>
ren ko&#x0364;nnen? Keine unvernu&#x0364;nfftige Be&#x017F;tie to&#x0364;dtet ihres gleichen/ kein<lb/>
grimmiger Ba&#x0364;r/ kein hungriger Wolff/ kein Blutdu&#x0364;r&#x017F;tiger Lo&#x0364;we wu&#x0364;-<lb/>
tet wieder &#x017F;eines gleichen/ und fri&#x017F;t die Jungen/ vielmehr <hi rendition="#aq">defendirt</hi><lb/>
und be&#x017F;chu&#x0364;tzt er &#x017F;eine Junge/ und la&#x0364;&#x017F;t wohl eher das Leben dru&#x0364;ber; <hi rendition="#fr">Du</hi><lb/>
aber/ <hi rendition="#aq">ô</hi> Cains-Bruder/ to&#x0364;dte&#x017F;t und &#x017F;chlachte&#x017F;t dein eigen Kind/ der ge-<lb/>
rechte GOtt fordert dich itzo/ wie ehermahls den gottlo&#x017F;en Cain/ fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;einen Richter-Stuhl/ er &#x017F;tellet wieder dich eine &#x017F;charffe <hi rendition="#aq">Inqvi&#x017F;ition</hi><lb/>
an: <hi rendition="#fr">Wo i&#x017F;t dein Kind? Wo i&#x017F;t dein Sohn? Was ha&#x017F;t du ge-<lb/>
than? Die Stimme deines Kindes Blut &#x017F;chreyet zu mir von<lb/>
der Erden/ du ha&#x017F;t un&#x017F;chuldig Kinder-Blut vergo&#x017F;&#x017F;en/ und<lb/>
nu verflucht &#x017F;ey&#x017F;t du auff der Erden/ die ihr Maul hat auffge-<lb/>
than/ und deines Kindes Blut von deinen Ha&#x0364;nden empfangen.</hi><lb/>
Die&#x017F;e Worte wollen wir an &#x017F;tatt eines Leichen-Texts bey gegenwa&#x0364;r-<lb/>
tiger Volckreichen Ver&#x017F;amlung und Chri&#x017F;tlicher Beerdigung des &#x017F;ee-<lb/>
ligen Kindes zu betrachten vor uns nehmen/ und im Nahmen der al-<lb/>
lerheilig&#x017F;ten Dreyfaltigkeit daraus erwegen</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#fr">Das un&#x017F;chuldig vergoßne Blut.</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Wir werden zu &#x017F;ehen haben</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#fr">Die grau&#x017F;ame Mord-Ge&#x017F;chicht.</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#aq">II.</hi> <hi rendition="#fr">Das gerechte Blut-Gericht.</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Mein JE&#x017F;u! Durch dein un&#x017F;chuldig Blut/</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Die &#x017F;cho&#x0364;ne rothe Fluth/</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Wa&#x017F;ch ab all meine Su&#x0364;nde/</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Mit Tro&#x017F;t mein Hertz verbinde/</hi> </l><lb/>
            <fw type="catch" place="bottom"> <hi rendition="#fr">Und</hi> </fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15[13]/0013] Das unſchuldig vergoſſene Blut. die Haare ſtehen mir zu Berge/ das Hertze moͤchte mir im Leibe blu- ten/ wenn ich meines Orths an dieſe unbarmhertzige Mordthat ge- dencke. Der heilige Apoſtel Paulus ſagt dorten: Niemand hat iemals ſein eigen Fleiſch gehaſſet/ ſondern er naͤhret es und pfle- get ſein/ gleichwie auch der HErr die Gemeine/ Eph. 5, 29. Und wie haſt du denn/ ô unbarmhertziger Vater! ô grauſamer Kinder- Moͤrder! mit deinem eigenen Fleiſch und Blute/ mit deinem eintzigen Kind/ und ſonſt lieben Soͤhngen/ ſo barbariſch und grauſam verfah- ren koͤnnen? Keine unvernuͤnfftige Beſtie toͤdtet ihres gleichen/ kein grimmiger Baͤr/ kein hungriger Wolff/ kein Blutduͤrſtiger Loͤwe wuͤ- tet wieder ſeines gleichen/ und friſt die Jungen/ vielmehr defendirt und beſchuͤtzt er ſeine Junge/ und laͤſt wohl eher das Leben druͤber; Du aber/ ô Cains-Bruder/ toͤdteſt und ſchlachteſt dein eigen Kind/ der ge- rechte GOtt fordert dich itzo/ wie ehermahls den gottloſen Cain/ fuͤr ſeinen Richter-Stuhl/ er ſtellet wieder dich eine ſcharffe Inqviſition an: Wo iſt dein Kind? Wo iſt dein Sohn? Was haſt du ge- than? Die Stimme deines Kindes Blut ſchreyet zu mir von der Erden/ du haſt unſchuldig Kinder-Blut vergoſſen/ und nu verflucht ſeyſt du auff der Erden/ die ihr Maul hat auffge- than/ und deines Kindes Blut von deinen Haͤnden empfangen. Dieſe Worte wollen wir an ſtatt eines Leichen-Texts bey gegenwaͤr- tiger Volckreichen Verſamlung und Chriſtlicher Beerdigung des ſee- ligen Kindes zu betrachten vor uns nehmen/ und im Nahmen der al- lerheiligſten Dreyfaltigkeit daraus erwegen Das unſchuldig vergoßne Blut. Wir werden zu ſehen haben I. Die grauſame Mord-Geſchicht. II. Das gerechte Blut-Gericht. Mein JEſu! Durch dein unſchuldig Blut/ Die ſchoͤne rothe Fluth/ Waſch ab all meine Suͤnde/ Mit Troſt mein Hertz verbinde/ Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/421583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/421583/13
Zitationshilfe: Bahn, Nikolaus: Das unschuldig vergoßne Blut. [Pirna], [1701], S. 15[13]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/421583/13>, abgerufen am 21.11.2024.