Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Titus, Andrea: Glaube/ Liebe/ Hoffnung/ Gedult/ Als 4. Haupt-Tugenden Eines Christen. Schlichtingsheim, [1704].

Bild:
<< vorherige Seite

Abdanckungs-Rede.
kauffen? Wer hat sie thenrer bezahlet/ als Gott mit seinem
theuren Blutte? Wollen wir die Liebe uns abbitten lassen?
Wer bittet beweglicher als Gott/ da Er durch Salomon ruf-
fet: Gib mir dein Hertz?
Wollen wir uns die Liebe ab-
zwingen lassen? Wer dringet und zwinget kräfftiger/ denn
der uns durch Paulum sagen läst: So jemand den Her-
ren JEsum nicht lieb hat/ der ist verbannt.
GOtt ist
ja die Liebe selbst. Wer wolte die Liebe nicht lieben? Gott
hat uns zu erst geliebet: Darum billich/ daß wir ihn
wider lieben/
wie Johannes in der verwichenen Sonntags-
Epistel
erinnert. Ein Licht zündet das ander an: Eine
Liebe gebühret die ander. GOtt ist unser Wolthäter: Wie
viel Guttes hat Er uns gethan/ thuts noch/ und wirds thun
in diesem und jenem Leben. Wer wolte seinen Wolthäter
nicht lieben? Anbey aber müssen wir unsre Liebes-Lampe
brennen lassen gegen dem Nechsten. Denn dazu verbindet
uns das Gebot GOttes: Du solt deinen Nechsten lie-
ben/ als dich selbst.
Dazu verbindet uns das Gesetz der
Natur; denn was wir wollen/ das uns der Nechste
thun soll/ das sollen wir ihme auch thun.
Dazu ver-
bindet uns die Beschaffenheit des Nechsten; denn er ist uns
in Adam so nahe/ als unser eigen Fleisch: Niemand aber
hat jemals sein eigen Fleisch gehasset.
Und diese Liebe
ist überall behülfflich. Sie ist gegen jedermann züchtig/ in
der Zuneigung freundlich; in der Wolmeinung beständig/
in allerley Bedienung sinnreich; gegen die Höhern ehrerbie-
tig/ gegen die Gleichständigen verträglich/ gegen die Niedri-
gen demüttig; in Worten heylsam/ in Wercken fruchtbar:
Sie ist gegen die Unwissenden lehrhafftig/ gegen die Jrren-

den

Abdanckungs-Rede.
kauffen? Wer hat ſie thenrer bezahlet/ als Gott mit ſeinem
theuren Blutte? Wollen wir die Liebe uns abbitten laſſen?
Wer bittet beweglicher als Gott/ da Er durch Salomon ruf-
fet: Gib mir dein Hertz?
Wollen wir uns die Liebe ab-
zwingen laſſen? Wer dringet und zwinget kraͤfftiger/ denn
der uns durch Paulum ſagen laͤſt: So jemand den Her-
ren JEſum nicht lieb hat/ der iſt verbañt.
GOtt iſt
ja die Liebe ſelbſt. Wer wolte die Liebe nicht lieben? Gott
hat uns zu erſt geliebet: Darum billich/ daß wir ihn
wider lieben/
wie Johannes in der verwichenen Soñtags-
Epiſtel
erinnert. Ein Licht zuͤndet das ander an: Eine
Liebe gebuͤhret die ander. GOtt iſt unſer Wolthaͤter: Wie
viel Guttes hat Er uns gethan/ thuts noch/ und wirds thun
in dieſem und jenem Leben. Wer wolte ſeinen Wolthaͤter
nicht lieben? Anbey aber muͤſſen wir unſre Liebes-Lampe
brennen laſſen gegen dem Nechſten. Denn dazu verbindet
uns das Gebot GOttes: Du ſolt deinen Nechſten lie-
ben/ als dich ſelbſt.
Dazu verbindet uns das Geſetz der
Natur; denn was wir wollen/ das uns der Nechſte
thun ſoll/ das ſollen wir ihme auch thun.
Dazu ver-
bindet uns die Beſchaffenheit des Nechſten; deñ er iſt uns
in Adam ſo nahe/ als unſer eigen Fleiſch: Niemand aber
hat jemals ſein eigen Fleiſch gehaſſet.
Und dieſe Liebe
iſt uͤberall behuͤlfflich. Sie iſt gegen jedermañ zuͤchtig/ in
der Zuneigung freundlich; in der Wolmeinung beſtaͤndig/
in allerley Bedienung ſiñreich; gegen die Hoͤhern ehrerbie-
tig/ gegen die Gleichſtaͤndigen vertraͤglich/ gegen die Niedri-
gen demuͤttig; in Worten heylſam/ in Wercken fruchtbar:
Sie iſt gegen die Unwiſſenden lehrhafftig/ gegen die Jrren-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsThanks" n="1">
        <div type="fsMainPart" n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0012" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abdanckungs-Rede.</hi></fw><lb/>
kauffen? Wer hat &#x017F;ie thenrer bezahlet/ als Gott mit &#x017F;einem<lb/>
theuren Blutte? Wollen wir die Liebe uns abbitten la&#x017F;&#x017F;en?<lb/>
Wer bittet beweglicher als Gott/ da Er durch <hi rendition="#aq">Salomon</hi> <hi rendition="#fr">ruf-<lb/>
fet: Gib mir dein Hertz?</hi> Wollen wir uns die Liebe ab-<lb/>
zwingen la&#x017F;&#x017F;en? Wer dringet und zwinget kra&#x0364;fftiger/ denn<lb/>
der uns durch <hi rendition="#aq">Paulum</hi> &#x017F;agen la&#x0364;&#x017F;t: <hi rendition="#fr">So jemand den <hi rendition="#k">He</hi>r-<lb/>
ren JE&#x017F;um nicht lieb hat/ der i&#x017F;t verban&#x0303;t.</hi> GOtt i&#x017F;t<lb/>
ja die Liebe &#x017F;elb&#x017F;t. Wer wolte die Liebe nicht lieben? <hi rendition="#fr">Gott<lb/>
hat uns zu er&#x017F;t geliebet: Darum billich/ daß wir ihn<lb/>
wider lieben/</hi> wie <hi rendition="#aq">Johannes</hi> in der verwichenen <hi rendition="#fr">Son&#x0303;tags-<lb/>
Epi&#x017F;tel</hi> erinnert. Ein Licht zu&#x0364;ndet das ander an: Eine<lb/>
Liebe gebu&#x0364;hret die ander. GOtt i&#x017F;t un&#x017F;er Woltha&#x0364;ter: Wie<lb/>
viel Guttes hat Er uns gethan/ thuts noch/ und wirds thun<lb/>
in die&#x017F;em und jenem Leben. Wer wolte &#x017F;einen Woltha&#x0364;ter<lb/>
nicht lieben? Anbey aber mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir un&#x017F;re Liebes-Lampe<lb/>
brennen la&#x017F;&#x017F;en gegen dem Nech&#x017F;ten. Denn dazu verbindet<lb/>
uns das Gebot GOttes: <hi rendition="#fr">Du &#x017F;olt deinen Nech&#x017F;ten lie-<lb/>
ben/ als dich &#x017F;elb&#x017F;t.</hi> Dazu verbindet uns das Ge&#x017F;etz der<lb/>
Natur; denn <hi rendition="#fr">was wir wollen/ das uns der Nech&#x017F;te<lb/>
thun &#x017F;oll/ das &#x017F;ollen wir ihme auch thun.</hi> Dazu ver-<lb/>
bindet uns die Be&#x017F;chaffenheit des Nech&#x017F;ten; den&#x0303; er i&#x017F;t uns<lb/>
in Adam &#x017F;o nahe/ als un&#x017F;er eigen Flei&#x017F;ch: <hi rendition="#fr">Niemand aber<lb/>
hat jemals &#x017F;ein eigen Flei&#x017F;ch geha&#x017F;&#x017F;et.</hi> Und die&#x017F;e Liebe<lb/>
i&#x017F;t u&#x0364;berall behu&#x0364;lfflich. Sie i&#x017F;t gegen jederman&#x0303; zu&#x0364;chtig/ in<lb/>
der Zuneigung freundlich; in der Wolmeinung be&#x017F;ta&#x0364;ndig/<lb/>
in allerley Bedienung &#x017F;in&#x0303;reich; gegen die Ho&#x0364;hern ehrerbie-<lb/>
tig/ gegen die Gleich&#x017F;ta&#x0364;ndigen vertra&#x0364;glich/ gegen die Niedri-<lb/>
gen demu&#x0364;ttig; in Worten heyl&#x017F;am/ in Wercken fruchtbar:<lb/>
Sie i&#x017F;t gegen die Unwi&#x017F;&#x017F;enden lehrhafftig/ gegen die Jrren-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0012] Abdanckungs-Rede. kauffen? Wer hat ſie thenrer bezahlet/ als Gott mit ſeinem theuren Blutte? Wollen wir die Liebe uns abbitten laſſen? Wer bittet beweglicher als Gott/ da Er durch Salomon ruf- fet: Gib mir dein Hertz? Wollen wir uns die Liebe ab- zwingen laſſen? Wer dringet und zwinget kraͤfftiger/ denn der uns durch Paulum ſagen laͤſt: So jemand den Her- ren JEſum nicht lieb hat/ der iſt verbañt. GOtt iſt ja die Liebe ſelbſt. Wer wolte die Liebe nicht lieben? Gott hat uns zu erſt geliebet: Darum billich/ daß wir ihn wider lieben/ wie Johannes in der verwichenen Soñtags- Epiſtel erinnert. Ein Licht zuͤndet das ander an: Eine Liebe gebuͤhret die ander. GOtt iſt unſer Wolthaͤter: Wie viel Guttes hat Er uns gethan/ thuts noch/ und wirds thun in dieſem und jenem Leben. Wer wolte ſeinen Wolthaͤter nicht lieben? Anbey aber muͤſſen wir unſre Liebes-Lampe brennen laſſen gegen dem Nechſten. Denn dazu verbindet uns das Gebot GOttes: Du ſolt deinen Nechſten lie- ben/ als dich ſelbſt. Dazu verbindet uns das Geſetz der Natur; denn was wir wollen/ das uns der Nechſte thun ſoll/ das ſollen wir ihme auch thun. Dazu ver- bindet uns die Beſchaffenheit des Nechſten; deñ er iſt uns in Adam ſo nahe/ als unſer eigen Fleiſch: Niemand aber hat jemals ſein eigen Fleiſch gehaſſet. Und dieſe Liebe iſt uͤberall behuͤlfflich. Sie iſt gegen jedermañ zuͤchtig/ in der Zuneigung freundlich; in der Wolmeinung beſtaͤndig/ in allerley Bedienung ſiñreich; gegen die Hoͤhern ehrerbie- tig/ gegen die Gleichſtaͤndigen vertraͤglich/ gegen die Niedri- gen demuͤttig; in Worten heylſam/ in Wercken fruchtbar: Sie iſt gegen die Unwiſſenden lehrhafftig/ gegen die Jrren- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/392456
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/392456/12
Zitationshilfe: Titus, Andrea: Glaube/ Liebe/ Hoffnung/ Gedult/ Als 4. Haupt-Tugenden Eines Christen. Schlichtingsheim, [1704], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392456/12>, abgerufen am 24.11.2024.