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Hayn, Johann: Liebliches Seelen-Gespräch. Lissa, 1649.

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Parentatio.
Was im Frühling reyffet/ erwartet des Herbstes nicht/
die Frucht/ die der Sonnen am nechsten gelegen/ bricht
am ersten ab/ dannenhero kompts/ das manches jun-
ge Menschen-Kind sporn-streich/ zum Tode rennt/ als
wenn es alt werden für ein Schand und Laster hielte.
Drumb unsre Seelige Fraw Lauterbachin mit dem Phi-
losopho
antworten köndte/ Non refert, quot annos
habuerim, sed quot acceperim: Si plus vivere
non potui, haec fuit mea senectes, quicunq; ad ex-
tremum sui fati venit, ille moritur senex.
Schmertz-
lich/ wie leicht zu erachten/ mag es Jhrem liebsten Ehe-
Herrn fallen/ daß Sie Jhn und die liebste Jhrige nicht
gesegnen/ außführlich mit Jhnen reden/ und gegen Jh-
me/ Jhrem liebsten Ehe-Schatz insonderheit/ sich aller
biß in Jhr Ende erwiesenen hertzlichen Liebe unnd Tre-
we bedancken/ Jhme auch beym adieu Jhr liebstes Kind
zu fleissiger Vorsorg/ und tugendlicher Aufferziehung re-
commendi
ren/ unnd mit jener von Liebe unnd Todes-
Angst zugleich eingenommen Königin sagen kan; Ac-
cipe charum donum a chara manu,
allermassen es
dem Käyser Augusto so gutt worden/ qui in Oculis Li-
viae & in hac voce defecit: Livia nostri conjugii
memor, vive & vale.
Aber wer wil den Willen des
Höchsten schelten? Ja/ vermeint man auch etwa/ es
sey mit diesem Jhrem tödtlichen Hintritt etwas ge-
schwinde zu gangen/ wolte man dann lieber/ daß Sie
durch langwierige Schmertzen excarnificirt, und auß-
gemergelt were worden/ und sich also zu einem Scele-

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Parentatio.
Was im Fruͤhling reyffet/ erwartet des Herbſtes nicht/
die Frucht/ die der Sonnen am nechſten gelegen/ bricht
am erſten ab/ dannenhero kompts/ das manches jun-
ge Menſchen-Kind ſporn-ſtreich/ zum Tode rennt/ als
wenn es alt werden fuͤr ein Schand und Laſter hielte.
Drumb unſre Seelige Fraw Lauterbachin mit dem Phi-
loſopho
antworten koͤndte/ Non refert, quot annos
habuerim, ſed quot acceperim: Si plus vivere
non potui, hæc fuit mea ſenectes, quicunq; ad ex-
tremum ſui fati venit, ille moritur ſenex.
Schmertz-
lich/ wie leicht zu erachten/ mag es Jhrem liebſten Ehe-
Herrn fallen/ daß Sie Jhn und die liebſte Jhrige nicht
geſegnen/ außfuͤhrlich mit Jhnen reden/ und gegen Jh-
me/ Jhrem liebſten Ehe-Schatz inſonderheit/ ſich aller
biß in Jhr Ende erwieſenen hertzlichen Liebe unnd Tre-
we bedancken/ Jhme auch beym adieu Jhr liebſtes Kind
zu fleiſſiger Vorſorg/ und tugendlicher Aufferziehung re-
commendi
ren/ unnd mit jener von Liebe unnd Todes-
Angſt zugleich eingenommen Koͤnigin ſagen kan; Ac-
cipe charum donum à charâ manu,
allermaſſen es
dem Kaͤyſer Auguſto ſo gutt worden/ qui in Oculis Li-
viæ & in hâc voce defecit: Livia noſtri conjugii
memor, vive & vale.
Aber wer wil den Willen des
Hoͤchſten ſchelten? Ja/ vermeint man auch etwa/ es
ſey mit dieſem Jhrem toͤdtlichen Hintritt etwas ge-
ſchwinde zu gangen/ wolte man dann lieber/ daß Sie
durch langwierige Schmertzen excarnificirt, und auß-
gemergelt were worden/ und ſich alſo zu einem Scele-

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[0085] Parentatio. Was im Fruͤhling reyffet/ erwartet des Herbſtes nicht/ die Frucht/ die der Sonnen am nechſten gelegen/ bricht am erſten ab/ dannenhero kompts/ das manches jun- ge Menſchen-Kind ſporn-ſtreich/ zum Tode rennt/ als wenn es alt werden fuͤr ein Schand und Laſter hielte. Drumb unſre Seelige Fraw Lauterbachin mit dem Phi- loſopho antworten koͤndte/ Non refert, quot annos habuerim, ſed quot acceperim: Si plus vivere non potui, hæc fuit mea ſenectes, quicunq; ad ex- tremum ſui fati venit, ille moritur ſenex. Schmertz- lich/ wie leicht zu erachten/ mag es Jhrem liebſten Ehe- Herrn fallen/ daß Sie Jhn und die liebſte Jhrige nicht geſegnen/ außfuͤhrlich mit Jhnen reden/ und gegen Jh- me/ Jhrem liebſten Ehe-Schatz inſonderheit/ ſich aller biß in Jhr Ende erwieſenen hertzlichen Liebe unnd Tre- we bedancken/ Jhme auch beym adieu Jhr liebſtes Kind zu fleiſſiger Vorſorg/ und tugendlicher Aufferziehung re- commendiren/ unnd mit jener von Liebe unnd Todes- Angſt zugleich eingenommen Koͤnigin ſagen kan; Ac- cipe charum donum à charâ manu, allermaſſen es dem Kaͤyſer Auguſto ſo gutt worden/ qui in Oculis Li- viæ & in hâc voce defecit: Livia noſtri conjugii memor, vive & vale. Aber wer wil den Willen des Hoͤchſten ſchelten? Ja/ vermeint man auch etwa/ es ſey mit dieſem Jhrem toͤdtlichen Hintritt etwas ge- ſchwinde zu gangen/ wolte man dann lieber/ daß Sie durch langwierige Schmertzen excarnificirt, und auß- gemergelt were worden/ und ſich alſo zu einem Scele- ton L iij

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Zitationshilfe: Hayn, Johann: Liebliches Seelen-Gespräch. Lissa, 1649, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/360994/85>, abgerufen am 25.11.2024.