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Posselt, August: I. N. J. Den sich selbst/ und die ihn hören/ seelig zu machen bemüheten Schul-Lehrer. Bautzen, [1712].

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Den sich selbst und die ihn hören
wollen/ so gar auch grobe muthwillige Sünden verstehen können/ als von
denen auch insgesambt der Apostel in vorhergehenden ersten Capitel geredet
hatte v. 7. Das Blut JEsu CHristi macht uns rein von allen Sün-
den/ und v. 9. So wir unsere Sünde bekennen/ daß also kein Sünder
zu verzagen/ wo er nur seine Sünde bekennen/ und zum Blute JEsu Chri-
sti sich halten will/ welches aber muthwilligen Sündern nicht Thür und
Thor auffmachen heist. Denn man redet hier nicht von dem was einer künst-
lich thun will/ sondern was er gethan hat/ und was er in der Sünden-Noth
und Angst für Weg und Mittel ergreiffen soll. Wie es denn im Griechi-
schen auch lautet/ und so jemand gesündiget ean tis amarte siquis peccaverit.
Wiewohl wir gleichwohl dabey niemanden wegen des Künstlichen ausschlies-
sen dörffen/ sondern es dabey bleibet/ so jemand gesündiget hat/ oder noch
hinkünfftig sündigen möchte. 28) Wie nun alle Menschen Sünder sind
und sündigen/ so sind Schul-Lehrer und ihre Zuhörer der studierenden Ju-
gend freylich auch in dieser Zahl. Was Paulus sagt: Wir sind allzu-
mahl Sünder Rom. III. 21. Ja Christus selbst/ was von Fleisch geboh-
ren wird/ das ist Fleisch Joh. lll. Davon können sie sich nicht ausschlies-
sen. Praeceptores oder Schul-Lehrer lehren wohl das zarte Alter Excipe
ab hac regula.
Aber von der allgemeinen Proposition, Omnis homo est
peccator,
können sie weder sich selbst noch ihre untergebene Jugend ausneh-
men. O ein grosser Jammer/ den Lehrer wohl erkennen/ o daß nur die stu-
dierende Jugend es erkennen wolte/ als die mehrentheils zu nichts schwerers
zu bringen/ als zur Erkäntnis der Sünden. Und ich weiß nicht wohin
ich diese Worte ziehe/ oder wem ich sie zuschreiben solle. Das allzugrosse
Verderbnis ist wohl da. Jch halte aber/ daß Eltern und Lehrer ihr Un-
fleiß vieles dabey zutrage/ als die nicht mit steter Vorstellung derer Mängel
und Sünden die Ohren/ Augen und Hertz eröffnen/ also die Sünde nicht
nur da seyn/ sondern auch noch immer weiter wachsen und bekleiben lassen.
Es ist wohl nicht ein Acker/ auf welchen nicht Unkraut wachsen solte/ aber der
Hauß-Vater und Hauß-Mutter thun nicht als seben sie nichts/ sondern las-
sen das Unkraut aus dem Weitzen/ Flachs und andern ausjäten. Das

sündliche
28) vid. Spener über I. Epist. St. Joh. h. l. p. 52.

Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤren
wollen/ ſo gar auch grobe muthwillige Suͤnden verſtehen koͤnnen/ als von
denen auch insgeſambt der Apoſtel in vorhergehenden erſten Capitel geredet
hatte v. 7. Das Blut JEſu CHriſti macht uns rein von allen Suͤn-
den/ und v. 9. So wir unſere Suͤnde bekennen/ daß alſo kein Suͤnder
zu verzagen/ wo er nur ſeine Suͤnde bekennen/ und zum Blute JEſu Chri-
ſti ſich halten will/ welches aber muthwilligen Suͤndern nicht Thuͤr und
Thor auffmachen heiſt. Denn man redet hier nicht von dem was einer kuͤnſt-
lich thun will/ ſondern was er gethan hat/ und was er in der Suͤnden-Noth
und Angſt fuͤr Weg und Mittel ergreiffen ſoll. Wie es denn im Griechi-
ſchen auch lautet/ und ſo jemand geſuͤndiget ἐαν τις ἁμάρτη ſiquis peccaverit.
Wiewohl wir gleichwohl dabey niemanden wegen des Kuͤnſtlichen ausſchlieſ-
ſen doͤrffen/ ſondern es dabey bleibet/ ſo jemand geſuͤndiget hat/ oder noch
hinkuͤnfftig ſuͤndigen moͤchte. 28) Wie nun alle Menſchen Suͤnder ſind
und ſuͤndigen/ ſo ſind Schul-Lehrer und ihre Zuhoͤrer der ſtudierenden Ju-
gend freylich auch in dieſer Zahl. Was Paulus ſagt: Wir ſind allzu-
mahl Suͤnder Rom. III. 21. Ja Chriſtus ſelbſt/ was von Fleiſch geboh-
ren wird/ das iſt Fleiſch Joh. lll. Davon koͤnnen ſie ſich nicht ausſchlieſ-
ſen. Præceptores oder Schul-Lehrer lehren wohl das zarte Alter Excipe
ab hac regula.
Aber von der allgemeinen Propoſition, Omnis homo eſt
peccator,
koͤnnen ſie weder ſich ſelbſt noch ihre untergebene Jugend ausneh-
men. O ein groſſer Jammer/ den Lehrer wohl erkennen/ o daß nur die ſtu-
dierende Jugend es erkennen wolte/ als die mehrentheils zu nichts ſchwerers
zu bringen/ als zur Erkaͤntnis der Suͤnden. Und ich weiß nicht wohin
ich dieſe Worte ziehe/ oder wem ich ſie zuſchreiben ſolle. Das allzugroſſe
Verderbnis iſt wohl da. Jch halte aber/ daß Eltern und Lehrer ihr Un-
fleiß vieles dabey zutrage/ als die nicht mit ſteter Vorſtellung derer Maͤngel
und Suͤnden die Ohren/ Augen und Hertz eroͤffnen/ alſo die Suͤnde nicht
nur da ſeyn/ ſondern auch noch immer weiter wachſen und bekleiben laſſen.
Es iſt wohl nicht ein Acker/ auf welchen nicht Unkraut wachſen ſolte/ aber der
Hauß-Vater und Hauß-Mutter thun nicht als ſeben ſie nichts/ ſondern laſ-
ſen das Unkraut aus dem Weitzen/ Flachs und andern ausjaͤten. Das

ſuͤndliche
28) vid. Spener uͤber I. Epiſt. St. Joh. h. l. p. 52.
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[22/0024] Den ſich ſelbſt und die ihn hoͤren wollen/ ſo gar auch grobe muthwillige Suͤnden verſtehen koͤnnen/ als von denen auch insgeſambt der Apoſtel in vorhergehenden erſten Capitel geredet hatte v. 7. Das Blut JEſu CHriſti macht uns rein von allen Suͤn- den/ und v. 9. So wir unſere Suͤnde bekennen/ daß alſo kein Suͤnder zu verzagen/ wo er nur ſeine Suͤnde bekennen/ und zum Blute JEſu Chri- ſti ſich halten will/ welches aber muthwilligen Suͤndern nicht Thuͤr und Thor auffmachen heiſt. Denn man redet hier nicht von dem was einer kuͤnſt- lich thun will/ ſondern was er gethan hat/ und was er in der Suͤnden-Noth und Angſt fuͤr Weg und Mittel ergreiffen ſoll. Wie es denn im Griechi- ſchen auch lautet/ und ſo jemand geſuͤndiget ἐαν τις ἁμάρτη ſiquis peccaverit. Wiewohl wir gleichwohl dabey niemanden wegen des Kuͤnſtlichen ausſchlieſ- ſen doͤrffen/ ſondern es dabey bleibet/ ſo jemand geſuͤndiget hat/ oder noch hinkuͤnfftig ſuͤndigen moͤchte. 28) Wie nun alle Menſchen Suͤnder ſind und ſuͤndigen/ ſo ſind Schul-Lehrer und ihre Zuhoͤrer der ſtudierenden Ju- gend freylich auch in dieſer Zahl. Was Paulus ſagt: Wir ſind allzu- mahl Suͤnder Rom. III. 21. Ja Chriſtus ſelbſt/ was von Fleiſch geboh- ren wird/ das iſt Fleiſch Joh. lll. Davon koͤnnen ſie ſich nicht ausſchlieſ- ſen. Præceptores oder Schul-Lehrer lehren wohl das zarte Alter Excipe ab hac regula. Aber von der allgemeinen Propoſition, Omnis homo eſt peccator, koͤnnen ſie weder ſich ſelbſt noch ihre untergebene Jugend ausneh- men. O ein groſſer Jammer/ den Lehrer wohl erkennen/ o daß nur die ſtu- dierende Jugend es erkennen wolte/ als die mehrentheils zu nichts ſchwerers zu bringen/ als zur Erkaͤntnis der Suͤnden. Und ich weiß nicht wohin ich dieſe Worte ziehe/ oder wem ich ſie zuſchreiben ſolle. Das allzugroſſe Verderbnis iſt wohl da. Jch halte aber/ daß Eltern und Lehrer ihr Un- fleiß vieles dabey zutrage/ als die nicht mit ſteter Vorſtellung derer Maͤngel und Suͤnden die Ohren/ Augen und Hertz eroͤffnen/ alſo die Suͤnde nicht nur da ſeyn/ ſondern auch noch immer weiter wachſen und bekleiben laſſen. Es iſt wohl nicht ein Acker/ auf welchen nicht Unkraut wachſen ſolte/ aber der Hauß-Vater und Hauß-Mutter thun nicht als ſeben ſie nichts/ ſondern laſ- ſen das Unkraut aus dem Weitzen/ Flachs und andern ausjaͤten. Das ſuͤndliche 28) vid. Spener uͤber I. Epiſt. St. Joh. h. l. p. 52.

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Zitationshilfe: Posselt, August: I. N. J. Den sich selbst/ und die ihn hören/ seelig zu machen bemüheten Schul-Lehrer. Bautzen, [1712]. , S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/360149/24>, abgerufen am 21.11.2024.