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Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686.

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Abdanckungs-Rede.
Opffer der Treue/ die wir deiner Grube heiligen. Es
sind die reinesten Bluts-Tropffen Unserer treuen Hertzen/
so wir die drey Tage über vor deinem Begräbniß gewei-
net. Tapfferer Held/ um unsere Republic besser ver-
dient/ als von jhr beweint/ es hat bey deinem Begräbniß
viel trockene Augen gegeben/ und das ist die Ursache/ daß
wir deinem Aschen-Topffe nicht so viel Thränen beyse-
tzen können/ als auff des Ephaestionis Leich-Begängniß der
grosse Alexander Talenta verwendet/ oder Opffer dabey
abgeschlachtet. Die Tyranney hat nunmehro zu Rom
der Menschlichen Natur befohlen/ das Sie mit den Car-
thaginen
sischen Müttern jhre liebsten Kinder dem Satur-
no
ohne Thränen solle opffern sehen. Es gehet der lie-
ben Tugend in einem Reiche öffters nach dem Auß-Spru-
che Salustii: Regibus boni, qvam mali suspectiores
sunt, semperq; his aliena virtus formidolosa est:

Oder Sie erfähret die Gedancken des Plinii: A malo
Principe tanqvam successor timetur, qvisqvis est
dignior.
Tugend sticht die Boßheit in die Augen/ die
lasterhafften lassen sich jhre Wiederpart nicht gerne in die
Charte sehen. Darum ist es zu Zeiten Vortheilhafftig/
das man eine Zeitlang einen Brutum erweise/ biß sich be-
qveme gelegenheit ereignet der Boßheit mit Nachdruck auf
den Hals zutreten. Bißweilen hat Sie das Unglücke/ das
sie wohl verdienet/ aber übel belohnt dahin stirbt. Der
Tugendhaffte Agricola hat beydes erfahren. Doch wie
alle Dinge der Menschen Periodisch sind; also ist bey
eben diesem Volcke ein tapfferer Brutus unter den Thrä-
nen des gantzen Volckes begraben/ und ein geneigter Pu-
blicola,
wie jener ein gantzes Jahr schmertzlich betrauret

wor-

Abdanckungs-Rede.
Opffer der Treue/ die wir deiner Grube heiligen. Es
ſind die reineſten Bluts-Tropffen Unſerer treuen Hertzen/
ſo wir die drey Tage uͤber vor deinem Begraͤbniß gewei-
net. Tapfferer Held/ um unſere Republic beſſer ver-
dient/ als von jhr beweint/ es hat bey deinem Begraͤbniß
viel trockene Augen gegeben/ und das iſt die Urſache/ daß
wir deinem Aſchen-Topffe nicht ſo viel Thraͤnen beyſe-
tzen koͤnnen/ als auff des Ephæſtionis Leich-Begaͤngniß der
groſſe Alexander Talenta verwendet/ oder Opffer dabey
abgeſchlachtet. Die Tyranney hat nunmehro zu Rom
der Menſchlichen Natur befohlen/ das Sie mit den Car-
thaginen
ſiſchen Muͤttern jhre liebſten Kinder dem Satur-
no
ohne Thraͤnen ſolle opffern ſehen. Es gehet der lie-
ben Tugend in einem Reiche oͤffters nach dem Auß-Spru-
che Saluſtii: Regibus boni, qvam mali ſuspectiores
ſunt, ſemperq; his aliena virtus formidoloſa eſt:

Oder Sie erfaͤhret die Gedancken des Plinii: A malo
Principe tanqvam ſucceſſor timetur, qvisqvis eſt
dignior.
Tugend ſticht die Boßheit in die Augen/ die
laſterhafften laſſen ſich jhre Wiederpart nicht gerne in die
Charte ſehen. Darum iſt es zu Zeiten Vortheilhafftig/
das man eine Zeitlang einen Brutum erweiſe/ biß ſich be-
qveme gelegenheit ereignet der Boßheit mit Nachdruck auf
den Hals zutreten. Bißweilen hat Sie das Ungluͤcke/ das
ſie wohl verdienet/ aber uͤbel belohnt dahin ſtirbt. Der
Tugendhaffte Agricola hat beydes erfahren. Doch wie
alle Dinge der Menſchen Periodiſch ſind; alſo iſt bey
eben dieſem Volcke ein tapfferer Brutus unter den Thraͤ-
nen des gantzen Volckes begraben/ und ein geneigter Pu-
blicola,
wie jener ein gantzes Jahr ſchmertzlich betrauret

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[88[96]/0096] Abdanckungs-Rede. Opffer der Treue/ die wir deiner Grube heiligen. Es ſind die reineſten Bluts-Tropffen Unſerer treuen Hertzen/ ſo wir die drey Tage uͤber vor deinem Begraͤbniß gewei- net. Tapfferer Held/ um unſere Republic beſſer ver- dient/ als von jhr beweint/ es hat bey deinem Begraͤbniß viel trockene Augen gegeben/ und das iſt die Urſache/ daß wir deinem Aſchen-Topffe nicht ſo viel Thraͤnen beyſe- tzen koͤnnen/ als auff des Ephæſtionis Leich-Begaͤngniß der groſſe Alexander Talenta verwendet/ oder Opffer dabey abgeſchlachtet. Die Tyranney hat nunmehro zu Rom der Menſchlichen Natur befohlen/ das Sie mit den Car- thaginenſiſchen Muͤttern jhre liebſten Kinder dem Satur- no ohne Thraͤnen ſolle opffern ſehen. Es gehet der lie- ben Tugend in einem Reiche oͤffters nach dem Auß-Spru- che Saluſtii: Regibus boni, qvam mali ſuspectiores ſunt, ſemperq; his aliena virtus formidoloſa eſt: Oder Sie erfaͤhret die Gedancken des Plinii: A malo Principe tanqvam ſucceſſor timetur, qvisqvis eſt dignior. Tugend ſticht die Boßheit in die Augen/ die laſterhafften laſſen ſich jhre Wiederpart nicht gerne in die Charte ſehen. Darum iſt es zu Zeiten Vortheilhafftig/ das man eine Zeitlang einen Brutum erweiſe/ biß ſich be- qveme gelegenheit ereignet der Boßheit mit Nachdruck auf den Hals zutreten. Bißweilen hat Sie das Ungluͤcke/ das ſie wohl verdienet/ aber uͤbel belohnt dahin ſtirbt. Der Tugendhaffte Agricola hat beydes erfahren. Doch wie alle Dinge der Menſchen Periodiſch ſind; alſo iſt bey eben dieſem Volcke ein tapfferer Brutus unter den Thraͤ- nen des gantzen Volckes begraben/ und ein geneigter Pu- blicola, wie jener ein gantzes Jahr ſchmertzlich betrauret wor-

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Zitationshilfe: Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686, S. 88[96]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/358833/96>, abgerufen am 24.11.2024.