Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696.
II. Nun sehen wir der gottlosen sicherheit oder unachtsam-
II. Nun sehen wir der gottlosen sicherheit oder unachtsam- <TEI> <text> <body> <div type="fsSermon" n="1"> <div type="fsExordium" n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0016" n="168"/><lb/> stadt Hippo<note xml:id="a71" next="#e71" type="editorial" n="71"/> oder Bona<note xml:id="a72" next="#e72" type="editorial" n="72"/>/ dero Bischoff er gewest/ belaͤgert war/ daß nach<lb/> seinem gebet Gott ihn noch eher weggenommen/ als die stadt von den<lb/> Wandalen und Gothen gewonnen wurde.<note xml:id="a73" next="#e73" type="editorial" n="73"/>Also hat auch unser Luthe-<lb/> rus von sich bezeugt/ <hi rendition="#aq">T. 9. Alt. fol. 701. a.</hi><note xml:id="a74" next="#e74" type="editorial" n="74"/><hi rendition="#fr">Also werden wir auch im<lb/> frieden sterben/ ehe dann das ungluͤck und jammer uͤber Teutsch-<lb/> land wird angehen.</hi> Wie dann auch der Theure mann kaum die<lb/> augen geschlossen hatte/ da der ungluͤckliche Smalcaldische krieg<note xml:id="a75" next="#e75" type="editorial" n="75"/> anginge<lb/> So schrieb er auch <choice><sic>anderwertlich</sic><corr>anderweitlich</corr></choice> <hi rendition="#aq">T 3 Lat. Jen. f. 434. b.</hi><note xml:id="a77" next="#e77" type="editorial" n="77"/><hi rendition="#fr">Also wirds uns<lb/> auch gehen. Es leben noch hin und wieder einige umb dero<lb/> willen GOtt die Straffe verschiebt. Sind die hin/ so wird<lb/> Teutschlands untergang folgen.</hi></p> </div><lb/> <div n="3"> <p>II. Nun sehen wir <hi rendition="#fr">der gottlosen sicherheit</hi> oder <hi rendition="#fr">unachtsam-<lb/> keit</hi> : da heist es nun/ <hi rendition="#fr">niemand ist/ der es zu hertzen nimmt/ und<lb/> niemand achtet drauff</hi>. Es scheinet/ der meister des buchs der Weiß-<lb/> heit<note xml:id="a78" next="#e78" type="editorial" n="78"/> von dem Propheten<note xml:id="a79" next="#e79" type="editorial" n="79"/> dieses entlehnet zu haben/ wann er auch auff<lb/> gleichen schlag redet c. 4/ 14. <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <choice><abbr>f.</abbr><expan>folgende</expan></choice><note xml:id="a80" next="#e80" type="editorial" n="80"/> <hi rendition="#fr">Seine</hi> (des gerechten) <hi rendition="#fr">seele gefaͤlt G<lb/> ott wol/ darum eilet er mit ihm aus dem boͤsen leben. Aber<lb/> die leute/ so es sehen/ achtens nicht/ und nehmens nicht zu her-<lb/> tzen/ nemlich daß die heiligen Gottes in gnade und barmher-<lb/> tzigkeit seyn/ und daß er ein auffsehen auff seine außerwaͤhlte<lb/> hat.</hi> Wiederumb<note xml:id="a81" next="#e81" type="editorial" n="81"/> : <hi rendition="#fr">Sie sehen wol des weisen ende/ aber sie mer-<lb/> cken nicht/ was der HErr uͤber ihn bedencket/ und warum er<lb/> ihn bewahret. Sie sehen wol/ und achtens nicht.</hi> Nun es<lb/> heisset hie I. Wenn der gerechte umkommt/ <hi rendition="#fr">und niemand ist/ der es zu<lb/> hertzen nehme</hi>/ das ist/ daruͤber traurig werde. Wo sonst jemand stir-<lb/> bet/ so erwecket das natuͤrliche mitleiden eine traurigkeit <hi rendition="#fr">:</hi> Jsts aber ein<lb/> mann gewesen/ dessen man sonderlich bedorfft/ oder nutzen von ihm ge-<lb/> habt/ so ist die betruͤbniß so viel groͤsser/ als<lb/> man ihn hoͤher gehalten/ daß man ihn hertzlich beklaget. Hingegen ists eine art einer verachtung/<lb/> wann man eines todt nicht zu hertzen zeucht/ und zeiget an/ man halte ihn<lb/> vor solchen/ an dem nicht viel gelegen waͤre. Also ists auch eine unverant-<lb/> wortliche unachtsamkeit der welt/ wo Gott deroselben nutzliche fromme<lb/> leut gegeben/ die ihr mit arbeit/ lehr/ rath/ exempel/ gebet und auff alle<lb/> weise gutes gethan (wie dann was auch die boͤse welt von GOtt bekommt/<lb/> alles um der frommen willen geschiehet) und er nimmt sie wieder weg/<lb/> daß sie es nicht zu hertzen zeucht; dann das weiset/ daß sie das jenige<lb/> nicht erkenne/ was sie biß dahin ihrer genossen hat. So vielmehr/ wo<lb/> es noch gar dahin kommet (wie dann auch/ solche stuffe der boßheit nicht<lb/> gar seltsam ist) daß rohe leut uͤber den todt der frommen sich freuen.</p><lb/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0016]
stadt Hippo oder Bona/ dero Bischoff er gewest/ belaͤgert war/ daß nach
seinem gebet Gott ihn noch eher weggenommen/ als die stadt von den
Wandalen und Gothen gewonnen wurde.Also hat auch unser Luthe-
rus von sich bezeugt/ T. 9. Alt. fol. 701. a.Also werden wir auch im
frieden sterben/ ehe dann das ungluͤck und jammer uͤber Teutsch-
land wird angehen. Wie dann auch der Theure mann kaum die
augen geschlossen hatte/ da der ungluͤckliche Smalcaldische krieg anginge
So schrieb er auch anderweitlich T 3 Lat. Jen. f. 434. b.Also wirds uns
auch gehen. Es leben noch hin und wieder einige umb dero
willen GOtt die Straffe verschiebt. Sind die hin/ so wird
Teutschlands untergang folgen.
II. Nun sehen wir der gottlosen sicherheit oder unachtsam-
keit : da heist es nun/ niemand ist/ der es zu hertzen nimmt/ und
niemand achtet drauff. Es scheinet/ der meister des buchs der Weiß-
heit von dem Propheten dieses entlehnet zu haben/ wann er auch auff
gleichen schlag redet c. 4/ 14. u. f. Seine (des gerechten) seele gefaͤlt G
ott wol/ darum eilet er mit ihm aus dem boͤsen leben. Aber
die leute/ so es sehen/ achtens nicht/ und nehmens nicht zu her-
tzen/ nemlich daß die heiligen Gottes in gnade und barmher-
tzigkeit seyn/ und daß er ein auffsehen auff seine außerwaͤhlte
hat. Wiederumb : Sie sehen wol des weisen ende/ aber sie mer-
cken nicht/ was der HErr uͤber ihn bedencket/ und warum er
ihn bewahret. Sie sehen wol/ und achtens nicht. Nun es
heisset hie I. Wenn der gerechte umkommt/ und niemand ist/ der es zu
hertzen nehme/ das ist/ daruͤber traurig werde. Wo sonst jemand stir-
bet/ so erwecket das natuͤrliche mitleiden eine traurigkeit : Jsts aber ein
mann gewesen/ dessen man sonderlich bedorfft/ oder nutzen von ihm ge-
habt/ so ist die betruͤbniß so viel groͤsser/ als
man ihn hoͤher gehalten/ daß man ihn hertzlich beklaget. Hingegen ists eine art einer verachtung/
wann man eines todt nicht zu hertzen zeucht/ und zeiget an/ man halte ihn
vor solchen/ an dem nicht viel gelegen waͤre. Also ists auch eine unverant-
wortliche unachtsamkeit der welt/ wo Gott deroselben nutzliche fromme
leut gegeben/ die ihr mit arbeit/ lehr/ rath/ exempel/ gebet und auff alle
weise gutes gethan (wie dann was auch die boͤse welt von GOtt bekommt/
alles um der frommen willen geschiehet) und er nimmt sie wieder weg/
daß sie es nicht zu hertzen zeucht; dann das weiset/ daß sie das jenige
nicht erkenne/ was sie biß dahin ihrer genossen hat. So vielmehr/ wo
es noch gar dahin kommet (wie dann auch/ solche stuffe der boßheit nicht
gar seltsam ist) daß rohe leut uͤber den todt der frommen sich freuen.
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/3490624_6/16>, abgerufen am 03.07.2024. |