den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu der Erfüllung aller Ihrer Wünsche gelangen können. Wollen Sie lieber selbst das arme junge Blut dem niederträchtigen Schurken, dem Rascal zustoßen und ausliefern? -- Nein, das müssen Sie doch mit eigenen Augen ansehen; kommen Sie, ich leihe Ihnen die Tarnkappe hier," (er zog etwas aus der Tasche) "und wir wallfahrten ungesehen nach dem Förstergar- ten." --
Ich muß gestehen, daß ich mich überaus schämte, von diesem Manne ausgelacht zu wer- den. Er war mir von Herzensgrunde verhaßt, und ich glaube, daß mich dieser persönliche Wi- derwille mehr als Grundsätze oder Vorurtheile abhielt, meinen Schatten, so nothwendig er mir auch war, mit der begehrten Unterschrift zu er- kaufen. Auch war mir der Gedanke unerträglich, den Gang, den er mir antrug, in seiner Ge- sellschaft zu unternehmen. Diesen häßlichen Schlei- cher, diesen hohnlächelnden Kobold, zwischen mich und meine Geliebte, zwei blutig zerrissene Her- zen, spöttisch hintreten zu sehen, empörte mein innigstes Gefühl. Ich nahm, was geschehen war,
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den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu der Erfüllung aller Ihrer Wünſche gelangen können. Wollen Sie lieber ſelbſt das arme junge Blut dem niederträchtigen Schurken, dem Rascal zuſtoßen und ausliefern? — Nein, das müſſen Sie doch mit eigenen Augen anſehen; kommen Sie, ich leihe Ihnen die Tarnkappe hier,» (er zog etwas aus der Taſche) «und wir wallfahrten ungeſehen nach dem Förſtergar- ten.» —
Ich muß geſtehen, daß ich mich überaus ſchämte, von dieſem Manne ausgelacht zu wer- den. Er war mir von Herzensgrunde verhaßt, und ich glaube, daß mich dieſer perſönliche Wi- derwille mehr als Grundſätze oder Vorurtheile abhielt, meinen Schatten, ſo nothwendig er mir auch war, mit der begehrten Unterſchrift zu er- kaufen. Auch war mir der Gedanke unerträglich, den Gang, den er mir antrug, in ſeiner Ge- ſellſchaft zu unternehmen. Dieſen häßlichen Schlei- cher, dieſen hohnlächelnden Kobold, zwiſchen mich und meine Geliebte, zwei blutig zerriſſene Her- zen, ſpöttiſch hintreten zu ſehen, empörte mein innigſtes Gefühl. Ich nahm, was geſchehen war,
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den Sie zu der Hand Ihrer Geliebten und zu
der Erfüllung aller Ihrer Wünſche gelangen
können. Wollen Sie lieber ſelbſt das arme
junge Blut dem niederträchtigen Schurken, dem
Rascal zuſtoßen und ausliefern? — Nein, das
müſſen Sie doch mit eigenen Augen anſehen;
kommen Sie, ich leihe Ihnen die Tarnkappe
hier,» (er zog etwas aus der Taſche) «und
wir wallfahrten ungeſehen nach dem Förſtergar-
ten.» —
Ich muß geſtehen, daß ich mich überaus
ſchämte, von dieſem Manne ausgelacht zu wer-
den. Er war mir von Herzensgrunde verhaßt,
und ich glaube, daß mich dieſer perſönliche Wi-
derwille mehr als Grundſätze oder Vorurtheile
abhielt, meinen Schatten, ſo nothwendig er mir
auch war, mit der begehrten Unterſchrift zu er-
kaufen. Auch war mir der Gedanke unerträglich,
den Gang, den er mir antrug, in ſeiner Ge-
ſellſchaft zu unternehmen. Dieſen häßlichen Schlei-
cher, dieſen hohnlächelnden Kobold, zwiſchen mich
und meine Geliebte, zwei blutig zerriſſene Her-
zen, ſpöttiſch hintreten zu ſehen, empörte mein
innigſtes Gefühl. Ich nahm, was geſchehen war,
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/93>, abgerufen am 22.07.2024.
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