Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.Mensch hat keinen Schatten!" Das fing an mich Sobald ich mich in der rollenden Kutsche al- Menſch hat keinen Schatten!» Das fing an mich Sobald ich mich in der rollenden Kutſche al- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="34"/> Menſch hat keinen Schatten!» Das fing an mich<lb/> zu verdrießen, und ich vermied ſehr ſorgfältig,<lb/> in die Sonne zu treten. Das ging aber nicht<lb/> überall an, zum Beiſpiel nicht über die Breite-<lb/> ſtraße, die ich zunächſt durchkreuzen mußte, und<lb/> zwar, zu meinem Unheil, in eben der Stunde,<lb/> wo die Knaben aus der Schule gingen. Ein<lb/> verdammter buckeliger Schlingel, ich ſeh’ ihn noch,<lb/> hatte es gleich weg, daß mir ein Schatten fehle.<lb/> Er verrieth mich mit großem Geſchrei der ſämmt-<lb/> lichen literariſchen Straßenjugend der Vorſtadt,<lb/> welche ſofort mich zu rezenſiren und mit Koth<lb/> zu bewerfen anfing: «Ordentliche Leute pflegten<lb/> ihren Schatten mit ſich zu nehmen, wenn ſie in<lb/> die Sonne gingen.» Um ſie von mir abzuweh-<lb/> ren, warf ich Gold zu vollen Händen unter ſie,<lb/> und ſprang in einen Miethswagen, zu dem mir<lb/> mitleidige Seelen verhalfen.</p><lb/> <p>Sobald ich mich in der rollenden Kutſche al-<lb/> lein fand, fing ich bitterlich an zu weinen. Es<lb/> mußte ſchon die Ahnung in mir aufſteigen: daß,<lb/> um ſo viel das Gold auf Erden Verdienſt und<lb/> Tugend überwiegt, um ſo viel der Schatten hö-<lb/> her als ſelbſt das Gold geſchätzt werde; und wie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [34/0042]
Menſch hat keinen Schatten!» Das fing an mich
zu verdrießen, und ich vermied ſehr ſorgfältig,
in die Sonne zu treten. Das ging aber nicht
überall an, zum Beiſpiel nicht über die Breite-
ſtraße, die ich zunächſt durchkreuzen mußte, und
zwar, zu meinem Unheil, in eben der Stunde,
wo die Knaben aus der Schule gingen. Ein
verdammter buckeliger Schlingel, ich ſeh’ ihn noch,
hatte es gleich weg, daß mir ein Schatten fehle.
Er verrieth mich mit großem Geſchrei der ſämmt-
lichen literariſchen Straßenjugend der Vorſtadt,
welche ſofort mich zu rezenſiren und mit Koth
zu bewerfen anfing: «Ordentliche Leute pflegten
ihren Schatten mit ſich zu nehmen, wenn ſie in
die Sonne gingen.» Um ſie von mir abzuweh-
ren, warf ich Gold zu vollen Händen unter ſie,
und ſprang in einen Miethswagen, zu dem mir
mitleidige Seelen verhalfen.
Sobald ich mich in der rollenden Kutſche al-
lein fand, fing ich bitterlich an zu weinen. Es
mußte ſchon die Ahnung in mir aufſteigen: daß,
um ſo viel das Gold auf Erden Verdienſt und
Tugend überwiegt, um ſo viel der Schatten hö-
her als ſelbſt das Gold geſchätzt werde; und wie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |