Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

besten Kleider, steckte das Empfehlungsschreiben
zu mir, und setzte mich alsbald auf den Weg
zu dem Manne, der mir bei meinen bescheide-
nen Hoffnungen förderlich sein sollte.

Nachdem ich die lange Norderstraße hinauf-
gestiegen, und das Thor erreicht, sah ich bald die
Säulen durch das Grüne schimmern -- "also
hier," dacht' ich. Ich wischte den Staub von
meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, setzte
mein Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes
Namen die Klingel. Die Thür' sprang auf. Auf
dem Flur hatt' ich ein Verhör zu besteh'n, der
Portier ließ mich aber anmelden, und ich hatte
die Ehre, in den Park gerufen zu werden, wo
Herr John -- mit einer kleinen Gesellschaft sich
erging. Ich erkannte gleich den Mann am Glanze
seiner wohlbeleibten Selbstzufriedenheit. Er em-
pfing mich sehr gut, -- wie ein Reicher einen
armen Teufel, wandte sich sogar gegen mich, ohne
sich jedoch von der übrigen Gesellschaft abzuwen-
den, und nahm mir den dargehaltenen Brief aus
der Hand. -- "So, so! von meinem Bruder,
ich habe lange nichts von ihm gehört. Er ist doch
gesund? -- Dort," fuhr er gegen die Gesell-

beſten Kleider, ſteckte das Empfehlungsſchreiben
zu mir, und ſetzte mich alsbald auf den Weg
zu dem Manne, der mir bei meinen beſcheide-
nen Hoffnungen förderlich ſein ſollte.

Nachdem ich die lange Norderſtraße hinauf-
geſtiegen, und das Thor erreicht, ſah ich bald die
Säulen durch das Grüne ſchimmern — «alſo
hier,» dacht’ ich. Ich wiſchte den Staub von
meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, ſetzte
mein Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes
Namen die Klingel. Die Thür’ ſprang auf. Auf
dem Flur hatt’ ich ein Verhör zu beſteh’n, der
Portier ließ mich aber anmelden, und ich hatte
die Ehre, in den Park gerufen zu werden, wo
Herr John — mit einer kleinen Geſellſchaft ſich
erging. Ich erkannte gleich den Mann am Glanze
ſeiner wohlbeleibten Selbſtzufriedenheit. Er em-
pfing mich ſehr gut, — wie ein Reicher einen
armen Teufel, wandte ſich ſogar gegen mich, ohne
ſich jedoch von der übrigen Geſellſchaft abzuwen-
den, und nahm mir den dargehaltenen Brief aus
der Hand. — «So, ſo! von meinem Bruder,
ich habe lange nichts von ihm gehört. Er iſt doch
geſund? — Dort,» fuhr er gegen die Geſell-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="20"/>
be&#x017F;ten Kleider, &#x017F;teckte das Empfehlungs&#x017F;chreiben<lb/>
zu mir, und &#x017F;etzte mich alsbald auf den Weg<lb/>
zu dem Manne, der mir bei meinen be&#x017F;cheide-<lb/>
nen Hoffnungen förderlich &#x017F;ein &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>Nachdem ich die lange Norder&#x017F;traße hinauf-<lb/>
ge&#x017F;tiegen, und das Thor erreicht, &#x017F;ah ich bald die<lb/>
Säulen durch das Grüne &#x017F;chimmern &#x2014; «al&#x017F;o<lb/>
hier,» dacht&#x2019; ich. Ich wi&#x017F;chte den Staub von<lb/>
meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, &#x017F;etzte<lb/>
mein Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes<lb/>
Namen die Klingel. Die Thür&#x2019; &#x017F;prang auf. Auf<lb/>
dem Flur hatt&#x2019; ich ein Verhör zu be&#x017F;teh&#x2019;n, der<lb/>
Portier ließ mich aber anmelden, und ich hatte<lb/>
die Ehre, in den Park gerufen zu werden, wo<lb/>
Herr <hi rendition="#g">John</hi> &#x2014; mit einer kleinen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;ich<lb/>
erging. Ich erkannte gleich den Mann am Glanze<lb/>
&#x017F;einer wohlbeleibten Selb&#x017F;tzufriedenheit. Er em-<lb/>
pfing mich &#x017F;ehr gut, &#x2014; wie ein Reicher einen<lb/>
armen Teufel, wandte &#x017F;ich &#x017F;ogar gegen mich, ohne<lb/>
&#x017F;ich jedoch von der übrigen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft abzuwen-<lb/>
den, und nahm mir den dargehaltenen Brief aus<lb/>
der Hand. &#x2014; «So, &#x017F;o! von meinem Bruder,<lb/>
ich habe lange nichts von ihm gehört. Er i&#x017F;t doch<lb/>
ge&#x017F;und? &#x2014; Dort,» fuhr er gegen die Ge&#x017F;ell-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0026] beſten Kleider, ſteckte das Empfehlungsſchreiben zu mir, und ſetzte mich alsbald auf den Weg zu dem Manne, der mir bei meinen beſcheide- nen Hoffnungen förderlich ſein ſollte. Nachdem ich die lange Norderſtraße hinauf- geſtiegen, und das Thor erreicht, ſah ich bald die Säulen durch das Grüne ſchimmern — «alſo hier,» dacht’ ich. Ich wiſchte den Staub von meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, ſetzte mein Halstuch in Ordnung, und zog in Gottes Namen die Klingel. Die Thür’ ſprang auf. Auf dem Flur hatt’ ich ein Verhör zu beſteh’n, der Portier ließ mich aber anmelden, und ich hatte die Ehre, in den Park gerufen zu werden, wo Herr John — mit einer kleinen Geſellſchaft ſich erging. Ich erkannte gleich den Mann am Glanze ſeiner wohlbeleibten Selbſtzufriedenheit. Er em- pfing mich ſehr gut, — wie ein Reicher einen armen Teufel, wandte ſich ſogar gegen mich, ohne ſich jedoch von der übrigen Geſellſchaft abzuwen- den, und nahm mir den dargehaltenen Brief aus der Hand. — «So, ſo! von meinem Bruder, ich habe lange nichts von ihm gehört. Er iſt doch geſund? — Dort,» fuhr er gegen die Geſell-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/26
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/26>, abgerufen am 22.12.2024.