Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.Du weißt, mein Freund, daß ich deutlich Du weißt, mein Freund, daß ich deutlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0122" n="108"/> <p>Du weißt, mein Freund, daß ich deutlich<lb/> erkannt habe, ſeitdem ich den Philoſophen durch<lb/> die Schule gelaufen, daß ich zur philoſophiſchen<lb/> Spekulation keineswegs berufen bin, und daß<lb/> ich mir dieſes Feld völlig abgeſprochen habe;<lb/> ich habe ſeither Vieles auf ſich beruhen laſſen,<lb/> Vieles zu wiſſen und zu begreifen Verzicht ge-<lb/> leiſtet, und bin, wie Du es mir ſelber gera-<lb/> then, meinem geraden Sinn vertrauend, der<lb/> Stimme in mir, ſo viel es in meiner Macht<lb/> geweſen, auf dem eigenen Wege gefolgt. Nun<lb/> ſchien mir dieſer Redekünſtler mit großem Ta-<lb/> lent ein feſt gefügtes Gebäude aufzuführen, das<lb/> in ſich ſelbſt begründet ſich emportrug, und wie<lb/> durch eine innere Nothwendigkeit beſtand. Nur<lb/> vermißt’ ich ganz in ihm, was ich eben darin<lb/> hätte ſuchen wollen, und ſo ward es mir zu<lb/> einem bloßen Kunſtwerk, deſſen zierliche Geſchloſ-<lb/> ſenheit und Vollendung dem Auge allein zur Er-<lb/> götzung diente; aber ich hörte dem wohlberedten<lb/> Manne gerne zu, der meine Aufmerkſamkeit von<lb/> meinen Leiden auf ſich ſelbſt abgelenkt, und ich<lb/> hätte mich ihm willig ergeben, wenn er meine<lb/> Seele wie meinen Verſtand in Anſpruch genom-<lb/> men hätte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [108/0122]
Du weißt, mein Freund, daß ich deutlich
erkannt habe, ſeitdem ich den Philoſophen durch
die Schule gelaufen, daß ich zur philoſophiſchen
Spekulation keineswegs berufen bin, und daß
ich mir dieſes Feld völlig abgeſprochen habe;
ich habe ſeither Vieles auf ſich beruhen laſſen,
Vieles zu wiſſen und zu begreifen Verzicht ge-
leiſtet, und bin, wie Du es mir ſelber gera-
then, meinem geraden Sinn vertrauend, der
Stimme in mir, ſo viel es in meiner Macht
geweſen, auf dem eigenen Wege gefolgt. Nun
ſchien mir dieſer Redekünſtler mit großem Ta-
lent ein feſt gefügtes Gebäude aufzuführen, das
in ſich ſelbſt begründet ſich emportrug, und wie
durch eine innere Nothwendigkeit beſtand. Nur
vermißt’ ich ganz in ihm, was ich eben darin
hätte ſuchen wollen, und ſo ward es mir zu
einem bloßen Kunſtwerk, deſſen zierliche Geſchloſ-
ſenheit und Vollendung dem Auge allein zur Er-
götzung diente; aber ich hörte dem wohlberedten
Manne gerne zu, der meine Aufmerkſamkeit von
meinen Leiden auf ſich ſelbſt abgelenkt, und ich
hätte mich ihm willig ergeben, wenn er meine
Seele wie meinen Verſtand in Anſpruch genom-
men hätte.
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