tung von mir geheischt ward, eben rettend blind- lings hinzuzuspringen? denn die letzte Stunde schlug. -- Denke nicht so niedrig von mir, mein Adelbert, als zu meinen, es hätte mich irgend ein geforderter Preis zu theuer gedünkt, ich hätte mit irgend Etwas, was nur mein war, mehr als eben mit Gold gekargt. -- Nein, Adel- bert; aber mit unüberwindlichem Hasse gegen diesen räthselhaften Schleicher auf krummen We- gen war meine Seele angefüllt. Ich mochte ihm Unrecht thun, doch empörte mich jede Gemein- schaft mit ihm. -- Auch hier trat, wie so oft schon in mein Leben, und wie überhaupt so oft in die Weltgeschichte, ein Ereigniß an die Stelle einer That. Später habe ich mich mit mir sel- ber versöhnt. Ich habe erstlich die Nothwendig- keit verehren lernen, und was ist mehr als die gethane That, das geschehene Ereigniß ihr Ei- genthum! Dann hab' ich auch diese Nothwen- digkeit als eine weise Fügung verehren lernen, die durch das gesammte große Getrieb' weht, darin wir blos als mitwirkende, getriebene trei- bende Räder eingreifen; was sein soll, muß ge- schehen, was sein sollte, geschah, und nicht ohne jene Fügung, die ich endlich noch in meinem
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tung von mir geheiſcht ward, eben rettend blind- lings hinzuzuſpringen? denn die letzte Stunde ſchlug. — Denke nicht ſo niedrig von mir, mein Adelbert, als zu meinen, es hätte mich irgend ein geforderter Preis zu theuer gedünkt, ich hätte mit irgend Etwas, was nur mein war, mehr als eben mit Gold gekargt. — Nein, Adel- bert; aber mit unüberwindlichem Haſſe gegen dieſen räthſelhaften Schleicher auf krummen We- gen war meine Seele angefüllt. Ich mochte ihm Unrecht thun, doch empörte mich jede Gemein- ſchaft mit ihm. — Auch hier trat, wie ſo oft ſchon in mein Leben, und wie überhaupt ſo oft in die Weltgeſchichte, ein Ereigniß an die Stelle einer That. Später habe ich mich mit mir ſel- ber verſöhnt. Ich habe erſtlich die Nothwendig- keit verehren lernen, und was iſt mehr als die gethane That, das geſchehene Ereigniß ihr Ei- genthum! Dann hab’ ich auch dieſe Nothwen- digkeit als eine weiſe Fügung verehren lernen, die durch das geſammte große Getrieb’ weht, darin wir blos als mitwirkende, getriebene trei- bende Räder eingreifen; was ſein ſoll, muß ge- ſchehen, was ſein ſollte, geſchah, und nicht ohne jene Fügung, die ich endlich noch in meinem
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tung von mir geheiſcht ward, eben rettend blind-
lings hinzuzuſpringen? denn die letzte Stunde
ſchlug. — Denke nicht ſo niedrig von mir, mein
Adelbert, als zu meinen, es hätte mich irgend
ein geforderter Preis zu theuer gedünkt, ich hätte
mit irgend Etwas, was nur mein war, mehr
als eben mit Gold gekargt. — Nein, Adel-
bert; aber mit unüberwindlichem Haſſe gegen
dieſen räthſelhaften Schleicher auf krummen We-
gen war meine Seele angefüllt. Ich mochte ihm
Unrecht thun, doch empörte mich jede Gemein-
ſchaft mit ihm. — Auch hier trat, wie ſo oft
ſchon in mein Leben, und wie überhaupt ſo oft
in die Weltgeſchichte, ein Ereigniß an die Stelle
einer That. Später habe ich mich mit mir ſel-
ber verſöhnt. Ich habe erſtlich die Nothwendig-
keit verehren lernen, und was iſt mehr als die
gethane That, das geſchehene Ereigniß ihr Ei-
genthum! Dann hab’ ich auch dieſe Nothwen-
digkeit als eine weiſe Fügung verehren lernen,
die durch das geſammte große Getrieb’ weht,
darin wir blos als mitwirkende, getriebene trei-
bende Räder eingreifen; was ſein ſoll, muß ge-
ſchehen, was ſein ſollte, geſchah, und nicht ohne
jene Fügung, die ich endlich noch in meinem
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/113>, abgerufen am 27.07.2024.
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