Gesellschaft an. Wann ich ausging, wobei mich stets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte, so war es nur nach dem Förstergarten, und um des Einen willen; denn meines Lebens inner- lichstes Herz war meine Liebe.
O mein guter Chamisso, ich will hoffen, Du habest noch nicht vergessen, was Liebe sei! Ich lasse Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes Kind. Ich hatte ihre ganze Phantasie an mich gefesselt, sie wußte in ihrer Demuth nicht, wo- mit sie werth gewesen, daß ich nur nach ihr ge- blickt; und sie vergalt Liebe um Liebe mit der vollen jugendlichen Kraft eines unschuldigen Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin sich opfernd; selbst vergessen, hingegeben den nur meinend, der ihr Leben war; unbekümmert, solle sie selbst zu Grunde gehen, das heißt, sie liebte wirklich. --
Ich aber -- o welche schreckliche Stunden -- -- schrecklich! und würdig dennoch, daß ich sie zurück- wünsche, hab' ich oft an Bendels Brust ver- weint, als nach dem ersten bewußtlosen Rausch ich
Geſellſchaft an. Wann ich ausging, wobei mich ſtets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte, ſo war es nur nach dem Förſtergarten, und um des Einen willen; denn meines Lebens inner- lichſtes Herz war meine Liebe.
O mein guter Chamiſſo, ich will hoffen, Du habeſt noch nicht vergeſſen, was Liebe ſei! Ich laſſe Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes Kind. Ich hatte ihre ganze Phantaſie an mich gefeſſelt, ſie wußte in ihrer Demuth nicht, wo- mit ſie werth geweſen, daß ich nur nach ihr ge- blickt; und ſie vergalt Liebe um Liebe mit der vollen jugendlichen Kraft eines unſchuldigen Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin ſich opfernd; ſelbſt vergeſſen, hingegeben den nur meinend, der ihr Leben war; unbekümmert, ſolle ſie ſelbſt zu Grunde gehen, das heißt, ſie liebte wirklich. —
Ich aber — o welche ſchreckliche Stunden — — ſchrecklich! und würdig dennoch, daß ich ſie zurück- wünſche, hab’ ich oft an Bendels Bruſt ver- weint, als nach dem erſten bewußtloſen Rauſch ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0071"n="47"/>
Geſellſchaft an. Wann ich ausging, wobei mich<lb/>ſtets <hirendition="#g">Bendel</hi> mit Argusaugen bewachen mußte,<lb/>ſo war es nur nach dem Förſtergarten, und um<lb/>
des Einen willen; denn meines Lebens inner-<lb/>
lichſtes Herz war meine Liebe.</p><lb/><p>O mein guter <hirendition="#g">Chamiſſo</hi>, ich will hoffen,<lb/>
Du habeſt noch nicht vergeſſen, was Liebe ſei!<lb/>
Ich laſſe Dir hier Vieles zu ergänzen. <hirendition="#g">Mina</hi><lb/>
war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes<lb/>
Kind. Ich hatte ihre ganze Phantaſie an mich<lb/>
gefeſſelt, ſie wußte in ihrer Demuth nicht, wo-<lb/>
mit ſie werth geweſen, daß ich nur nach ihr ge-<lb/>
blickt; und ſie vergalt Liebe um Liebe mit der<lb/>
vollen jugendlichen Kraft eines unſchuldigen<lb/>
Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin<lb/>ſich opfernd; ſelbſt vergeſſen, hingegeben den<lb/>
nur meinend, der ihr Leben war; unbekümmert,<lb/>ſolle ſie ſelbſt zu Grunde gehen, das heißt, ſie<lb/>
liebte wirklich. —</p><lb/><p>Ich aber — o welche ſchreckliche Stunden ——<lb/>ſchrecklich! und würdig dennoch, daß ich ſie zurück-<lb/>
wünſche, hab’ ich oft an <hirendition="#g">Bendels</hi> Bruſt ver-<lb/>
weint, als nach dem erſten bewußtloſen Rauſch ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[47/0071]
Geſellſchaft an. Wann ich ausging, wobei mich
ſtets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte,
ſo war es nur nach dem Förſtergarten, und um
des Einen willen; denn meines Lebens inner-
lichſtes Herz war meine Liebe.
O mein guter Chamiſſo, ich will hoffen,
Du habeſt noch nicht vergeſſen, was Liebe ſei!
Ich laſſe Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina
war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes
Kind. Ich hatte ihre ganze Phantaſie an mich
gefeſſelt, ſie wußte in ihrer Demuth nicht, wo-
mit ſie werth geweſen, daß ich nur nach ihr ge-
blickt; und ſie vergalt Liebe um Liebe mit der
vollen jugendlichen Kraft eines unſchuldigen
Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin
ſich opfernd; ſelbſt vergeſſen, hingegeben den
nur meinend, der ihr Leben war; unbekümmert,
ſolle ſie ſelbſt zu Grunde gehen, das heißt, ſie
liebte wirklich. —
Ich aber — o welche ſchreckliche Stunden — —
ſchrecklich! und würdig dennoch, daß ich ſie zurück-
wünſche, hab’ ich oft an Bendels Bruſt ver-
weint, als nach dem erſten bewußtloſen Rauſch ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/71>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.