Bendel am andern Morgen eröffnete mir im Vertrauen, der Verdacht, den er längst gegen Rascal's Redlichkeit gehegt, sei nunmehr zur Gewißheit worden. Er habe gestern ganze Säcke Goldes unterschlagen. "Lasset uns," erwiedert' ich, "dem armen Schelmen die kleine Beute gön- nen, ich spende gern Allen, warum nicht auch ihm? Gestern hat er mir, haben mir alle neuen Leute, die du mir gegeben, redlich gedient, sie ha- ben mir froh ein frohes Fest begehen helfen." --
Es war nicht weiter die Rede davon. Ras- cal blieb der erste meiner Dienerschaft, Bendel war aber mein Freund und mein Vertrauter. Die- ser war gewohnt worden, meinen Reichthum als unerschöpflich zu denken, und er spähte nicht nach dessen Quellen. -- Er half mir vielmehr, in mei- nen Sinn eingehend, Gelegenheiten ersinnen, ihn darzuthun und Gold zu vergeuden. Von je- nem Unbekannten, dem blassen Schleicher, wußt' er nur so viel: Ich dürfe allein durch ihn von dem Fluche erlöst werden, der auf mir lastete, und fürchte ihn, auf dem meine einzige Hoffnung ruh- te. Uebrigens sei ich davon überzeugt, er könne
Bendel am andern Morgen eröffnete mir im Vertrauen, der Verdacht, den er längſt gegen Rascal’s Redlichkeit gehegt, ſei nunmehr zur Gewißheit worden. Er habe geſtern ganze Säcke Goldes unterſchlagen. “Laſſet uns,„ erwiedert’ ich, “dem armen Schelmen die kleine Beute gön- nen, ich ſpende gern Allen, warum nicht auch ihm? Geſtern hat er mir, haben mir alle neuen Leute, die du mir gegeben, redlich gedient, ſie ha- ben mir froh ein frohes Feſt begehen helfen.„ —
Es war nicht weiter die Rede davon. Ras- cal blieb der erſte meiner Dienerſchaft, Bendel war aber mein Freund und mein Vertrauter. Die- ſer war gewohnt worden, meinen Reichthum als unerſchöpflich zu denken, und er ſpähte nicht nach deſſen Quellen. — Er half mir vielmehr, in mei- nen Sinn eingehend, Gelegenheiten erſinnen, ihn darzuthun und Gold zu vergeuden. Von je- nem Unbekannten, dem blaſſen Schleicher, wußt’ er nur ſo viel: Ich dürfe allein durch ihn von dem Fluche erlöſt werden, der auf mir laſtete, und fürchte ihn, auf dem meine einzige Hoffnung ruh- te. Uebrigens ſei ich davon überzeugt, er könne
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Bendel am andern Morgen eröffnete mir
im Vertrauen, der Verdacht, den er längſt gegen
Rascal’s Redlichkeit gehegt, ſei nunmehr zur
Gewißheit worden. Er habe geſtern ganze Säcke
Goldes unterſchlagen. “Laſſet uns,„ erwiedert’
ich, “dem armen Schelmen die kleine Beute gön-
nen, ich ſpende gern Allen, warum nicht auch
ihm? Geſtern hat er mir, haben mir alle neuen
Leute, die du mir gegeben, redlich gedient, ſie ha-
ben mir froh ein frohes Feſt begehen helfen.„ —
Es war nicht weiter die Rede davon. Ras-
cal blieb der erſte meiner Dienerſchaft, Bendel
war aber mein Freund und mein Vertrauter. Die-
ſer war gewohnt worden, meinen Reichthum als
unerſchöpflich zu denken, und er ſpähte nicht nach
deſſen Quellen. — Er half mir vielmehr, in mei-
nen Sinn eingehend, Gelegenheiten erſinnen, ihn
darzuthun und Gold zu vergeuden. Von je-
nem Unbekannten, dem blaſſen Schleicher, wußt’
er nur ſo viel: Ich dürfe allein durch ihn von dem
Fluche erlöſt werden, der auf mir laſtete, und
fürchte ihn, auf dem meine einzige Hoffnung ruh-
te. Uebrigens ſei ich davon überzeugt, er könne
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/68>, abgerufen am 27.07.2024.
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