Tochter stand ich wie ein ausgescholtener Knabe da, und vermochte kein Wort hervor zu lallen. Ich bat sie endlich stammelnd, dies Fest zu wür- digen, das Amt, deren Zeichen sie schmückte, dar- in zu verwalten. Sie bat verschämt mit einem rührenden Blick um Schonung; aber verschämter vor ihr, als sie selbst, brachte ich ihr als erster Unterthan meine Huldigung in tiefer Ehrfurcht, und der Wink des Grafen ward allen Gästen ein Gebot, dem nachzuleben sich Jeder freudig beeiferte. Majestät, Unschuld und Grazie be- herrschten, mit der Schönheit im Bund, ein frohes Fest. Die glücklichen Eltern Mina's glaubten ihnen nur zur Ehren ihr Kind erhöht, ich selber war in einem unbeschreiblichen Rausch. Ich ließ Alles, was ich noch von den Juwelen hatte, die ich damals, um beschwerliches Gold loß zu werden, gekauft, alle Perlen, alles Edel- gestein in zwei verdeckte Schüsseln legen, und bei Tische unter dem Namen der Königin, ih- ren Gespielinnen und allen Damen herumrei- chen; Gold ward indessen ununterbrochen über die gezogenen Schranken unter das jubelnde Volk geworfen.
Tochter ſtand ich wie ein ausgeſcholtener Knabe da, und vermochte kein Wort hervor zu lallen. Ich bat ſie endlich ſtammelnd, dies Feſt zu wür- digen, das Amt, deren Zeichen ſie ſchmückte, dar- in zu verwalten. Sie bat verſchämt mit einem rührenden Blick um Schonung; aber verſchämter vor ihr, als ſie ſelbſt, brachte ich ihr als erſter Unterthan meine Huldigung in tiefer Ehrfurcht, und der Wink des Grafen ward allen Gäſten ein Gebot, dem nachzuleben ſich Jeder freudig beeiferte. Majeſtät, Unſchuld und Grazie be- herrſchten, mit der Schönheit im Bund, ein frohes Feſt. Die glücklichen Eltern Mina’s glaubten ihnen nur zur Ehren ihr Kind erhöht, ich ſelber war in einem unbeſchreiblichen Rauſch. Ich ließ Alles, was ich noch von den Juwelen hatte, die ich damals, um beſchwerliches Gold loß zu werden, gekauft, alle Perlen, alles Edel- geſtein in zwei verdeckte Schüſſeln legen, und bei Tiſche unter dem Namen der Königin, ih- ren Geſpielinnen und allen Damen herumrei- chen; Gold ward indeſſen ununterbrochen über die gezogenen Schranken unter das jubelnde Volk geworfen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0067"n="43"/>
Tochter ſtand ich wie ein ausgeſcholtener Knabe<lb/>
da, und vermochte kein Wort hervor zu lallen.<lb/>
Ich bat ſie endlich ſtammelnd, dies Feſt zu wür-<lb/>
digen, das Amt, deren Zeichen ſie ſchmückte, dar-<lb/>
in zu verwalten. Sie bat verſchämt mit einem<lb/>
rührenden Blick um Schonung; aber verſchämter<lb/>
vor ihr, als ſie ſelbſt, brachte ich ihr als erſter<lb/>
Unterthan meine Huldigung in tiefer Ehrfurcht,<lb/>
und der Wink des Grafen ward allen Gäſten<lb/>
ein Gebot, dem nachzuleben ſich Jeder freudig<lb/>
beeiferte. Majeſtät, Unſchuld und Grazie be-<lb/>
herrſchten, mit der Schönheit im Bund, ein<lb/>
frohes Feſt. Die glücklichen Eltern <hirendition="#g">Mina’s</hi><lb/>
glaubten ihnen nur zur Ehren ihr Kind erhöht,<lb/>
ich ſelber war in einem unbeſchreiblichen Rauſch.<lb/>
Ich ließ Alles, was ich noch von den Juwelen<lb/>
hatte, die ich damals, um beſchwerliches Gold<lb/>
loß zu werden, gekauft, alle Perlen, alles Edel-<lb/>
geſtein in zwei verdeckte Schüſſeln legen, und<lb/>
bei Tiſche unter dem Namen der Königin, ih-<lb/>
ren Geſpielinnen und allen Damen herumrei-<lb/>
chen; Gold ward indeſſen ununterbrochen über<lb/>
die gezogenen Schranken unter das jubelnde<lb/>
Volk geworfen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[43/0067]
Tochter ſtand ich wie ein ausgeſcholtener Knabe
da, und vermochte kein Wort hervor zu lallen.
Ich bat ſie endlich ſtammelnd, dies Feſt zu wür-
digen, das Amt, deren Zeichen ſie ſchmückte, dar-
in zu verwalten. Sie bat verſchämt mit einem
rührenden Blick um Schonung; aber verſchämter
vor ihr, als ſie ſelbſt, brachte ich ihr als erſter
Unterthan meine Huldigung in tiefer Ehrfurcht,
und der Wink des Grafen ward allen Gäſten
ein Gebot, dem nachzuleben ſich Jeder freudig
beeiferte. Majeſtät, Unſchuld und Grazie be-
herrſchten, mit der Schönheit im Bund, ein
frohes Feſt. Die glücklichen Eltern Mina’s
glaubten ihnen nur zur Ehren ihr Kind erhöht,
ich ſelber war in einem unbeſchreiblichen Rauſch.
Ich ließ Alles, was ich noch von den Juwelen
hatte, die ich damals, um beſchwerliches Gold
loß zu werden, gekauft, alle Perlen, alles Edel-
geſtein in zwei verdeckte Schüſſeln legen, und
bei Tiſche unter dem Namen der Königin, ih-
ren Geſpielinnen und allen Damen herumrei-
chen; Gold ward indeſſen ununterbrochen über
die gezogenen Schranken unter das jubelnde
Volk geworfen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/67>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.