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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

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Wir saßen einst vor einer Höle, welche die
Fremden, die das Gebirg bereisen, zu besuchen
pflegen. Man hört dort das Gebrause unter-
irdischer Ströme aus ungemessener Tiefe her-
aufschallen, und kein Grund scheint den Stein,
den man hineinwirft, in seinem hallenden Fall
aufzuhalten. Er malte mir, wie er öfters that,
mit verschwenderischer Einbildungskraft und im
schimmernden Reize der glänzendsten Farben,
sorgfältig ausgeführte Bilder von dem, was ich
in der Welt, Kraft meines Säckels, ausführen
würde, wenn ich erst meinen Schatten wieder
in meiner Gewalt hätte. Die Ellenbogen auf
die Knie gestützt, hielt ich mein Gesicht in mei-
nen Händen verborgen, und hörte dem Falschen
zu, das Herz zwiefach getheilt zwischen der Ver-
führung und dem strengen Willen in mir. Ich
konnte bei solchem innerlichen Zwiespalt länger
nicht ausdauern, und begann den entscheidenden
Kampf:

"Sie scheinen, mein Herr, zu vergessen,
daß ich Ihnen zwar erlaubt habe, unter gewis-
sen Bedingungen in meiner Begleitung zu blei-
ben, daß ich mir aber meine völlige Freiheit

Wir ſaßen einſt vor einer Höle, welche die
Fremden, die das Gebirg bereiſen, zu beſuchen
pflegen. Man hört dort das Gebrauſe unter-
irdiſcher Ströme aus ungemeſſener Tiefe her-
aufſchallen, und kein Grund ſcheint den Stein,
den man hineinwirft, in ſeinem hallenden Fall
aufzuhalten. Er malte mir, wie er öfters that,
mit verſchwenderiſcher Einbildungskraft und im
ſchimmernden Reize der glänzendſten Farben,
ſorgfältig ausgeführte Bilder von dem, was ich
in der Welt, Kraft meines Säckels, ausführen
würde, wenn ich erſt meinen Schatten wieder
in meiner Gewalt hätte. Die Ellenbogen auf
die Knie geſtützt, hielt ich mein Geſicht in mei-
nen Händen verborgen, und hörte dem Falſchen
zu, das Herz zwiefach getheilt zwiſchen der Ver-
führung und dem ſtrengen Willen in mir. Ich
konnte bei ſolchem innerlichen Zwieſpalt länger
nicht ausdauern, und begann den entſcheidenden
Kampf:

“Sie ſcheinen, mein Herr, zu vergeſſen,
daß ich Ihnen zwar erlaubt habe, unter gewiſ-
ſen Bedingungen in meiner Begleitung zu blei-
ben, daß ich mir aber meine völlige Freiheit

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[98/0126] Wir ſaßen einſt vor einer Höle, welche die Fremden, die das Gebirg bereiſen, zu beſuchen pflegen. Man hört dort das Gebrauſe unter- irdiſcher Ströme aus ungemeſſener Tiefe her- aufſchallen, und kein Grund ſcheint den Stein, den man hineinwirft, in ſeinem hallenden Fall aufzuhalten. Er malte mir, wie er öfters that, mit verſchwenderiſcher Einbildungskraft und im ſchimmernden Reize der glänzendſten Farben, ſorgfältig ausgeführte Bilder von dem, was ich in der Welt, Kraft meines Säckels, ausführen würde, wenn ich erſt meinen Schatten wieder in meiner Gewalt hätte. Die Ellenbogen auf die Knie geſtützt, hielt ich mein Geſicht in mei- nen Händen verborgen, und hörte dem Falſchen zu, das Herz zwiefach getheilt zwiſchen der Ver- führung und dem ſtrengen Willen in mir. Ich konnte bei ſolchem innerlichen Zwieſpalt länger nicht ausdauern, und begann den entſcheidenden Kampf: “Sie ſcheinen, mein Herr, zu vergeſſen, daß ich Ihnen zwar erlaubt habe, unter gewiſ- ſen Bedingungen in meiner Begleitung zu blei- ben, daß ich mir aber meine völlige Freiheit

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/126>, abgerufen am 22.11.2024.