Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.nen Schatten, den ich jetzt von einem Fremden, ja von Dieser ging unbekümmert neben her, und pfiff eben Ich setzte meine Reise auf derselben Straße fort; es nen Schatten, den ich jetzt von einem Fremden, ja von Dieſer ging unbekuͤmmert neben her, und pfiff eben Ich ſetzte meine Reiſe auf derſelben Straße fort; es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="304"/> nen Schatten, den ich jetzt von einem Fremden, ja von<lb/> einem Feinde, erborgt hatte.</p><lb/> <p>Dieſer ging unbekuͤmmert neben her, und pfiff eben<lb/> ein Liedchen. Er zu Fuß, ich zu Pferd’, ein Schwindel<lb/> ergriff mich, die Verſuchung war zu groß, ich wandte<lb/> ploͤtzlich die Zuͤgel, druͤckte beide Sporen an, und ſo in<lb/> voller Carriere einen Seitenweg eingeſchlagen; aber ich ent-<lb/> fuͤhrte den Schatten nicht, der bei der Wendung vom<lb/> Pferde glitt und ſeinen geſetzmaͤßigen Eigenthuͤmer auf der<lb/> Landſtraße erwartete. Ich mußte beſchaͤmt umlenken; der<lb/> Mann im grauen Rocke, als er ungeſtoͤrt ſein Liedchen zu<lb/> Ende gebracht, lachte mich aus, ſetzte mir den Schatten<lb/> wieder zurecht, und belehrte mich, er wuͤrde erſt an mir<lb/> feſthangen und bei mir bleiben wollen, wenn ich ihn wie-<lb/> derum als rechtmaͤßiges Eigenthum beſitzen wuͤrde. 〟Ich<lb/> halte Sie,〞 fuhr er fort, 〟am Schatten feſt, und Sie<lb/> kommen mir nicht los. Ein reicher Mann, wie Sie,<lb/> braucht einmal einen Schatten, das iſt nicht anders, Sie<lb/> ſind nur darin zu tadeln, daß Sie es nicht fruͤher einge-<lb/> ſehen haben.〞 —</p><lb/> <p>Ich ſetzte meine Reiſe auf derſelben Straße fort; es<lb/> fanden ſich bei mir alle Bequemlichkeiten des Lebens und<lb/> ſelbſt ihre Pracht wieder ein; ich konnte mich frei und<lb/> leicht bewegen, da ich einen, obgleich nur erborgten, Schat-<lb/> ten beſaß, und ich floͤßte uͤberall die Ehrfurcht ein, die der<lb/> Reichthum gebietet; aber ich hatte den Tod im Herzen.<lb/> Mein wunderſamer Begleiter, der ſich ſelbſt fuͤr den unwuͤr-<lb/> digen Diener des reichſten Mannes in der Welt ausgab,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [304/0092]
nen Schatten, den ich jetzt von einem Fremden, ja von
einem Feinde, erborgt hatte.
Dieſer ging unbekuͤmmert neben her, und pfiff eben
ein Liedchen. Er zu Fuß, ich zu Pferd’, ein Schwindel
ergriff mich, die Verſuchung war zu groß, ich wandte
ploͤtzlich die Zuͤgel, druͤckte beide Sporen an, und ſo in
voller Carriere einen Seitenweg eingeſchlagen; aber ich ent-
fuͤhrte den Schatten nicht, der bei der Wendung vom
Pferde glitt und ſeinen geſetzmaͤßigen Eigenthuͤmer auf der
Landſtraße erwartete. Ich mußte beſchaͤmt umlenken; der
Mann im grauen Rocke, als er ungeſtoͤrt ſein Liedchen zu
Ende gebracht, lachte mich aus, ſetzte mir den Schatten
wieder zurecht, und belehrte mich, er wuͤrde erſt an mir
feſthangen und bei mir bleiben wollen, wenn ich ihn wie-
derum als rechtmaͤßiges Eigenthum beſitzen wuͤrde. 〟Ich
halte Sie,〞 fuhr er fort, 〟am Schatten feſt, und Sie
kommen mir nicht los. Ein reicher Mann, wie Sie,
braucht einmal einen Schatten, das iſt nicht anders, Sie
ſind nur darin zu tadeln, daß Sie es nicht fruͤher einge-
ſehen haben.〞 —
Ich ſetzte meine Reiſe auf derſelben Straße fort; es
fanden ſich bei mir alle Bequemlichkeiten des Lebens und
ſelbſt ihre Pracht wieder ein; ich konnte mich frei und
leicht bewegen, da ich einen, obgleich nur erborgten, Schat-
ten beſaß, und ich floͤßte uͤberall die Ehrfurcht ein, die der
Reichthum gebietet; aber ich hatte den Tod im Herzen.
Mein wunderſamer Begleiter, der ſich ſelbſt fuͤr den unwuͤr-
digen Diener des reichſten Mannes in der Welt ausgab,
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