Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.er mich es ruhig und gefaßt ertragen sah. Denn solche "Bendel," hub ich an, "Du weißt mein Loos. Mit gebrochenem Herzen mußte der Redliche diesem er mich es ruhig und gefaßt ertragen ſah. Denn ſolche 〟Bendel,〞 hub ich an, 〟Du weißt mein Loos. Mit gebrochenem Herzen mußte der Redliche dieſem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="300"/> er mich es ruhig und gefaßt ertragen ſah. Denn ſolche<lb/> Geſtaltung hatte nun die Verzweiflung in mir genommen.<lb/> Ich ſah mein Elend rieſengroß, unwandelbar vor mir,<lb/> ich hatte ihm meine Thraͤnen ausgeweint, es konnte kein<lb/> Geſchrei mehr aus meiner Bruſt preſſen, ich trug ihm<lb/> kalt und gleichguͤltig mein entbloͤßtes Haupt entgegen.</p><lb/> <p>〟<hi rendition="#g">Bendel</hi>,〞 hub ich an, 〟Du weißt mein Loos.<lb/> Nicht ohne fruͤheres Verſchulden trifft mich ſchwere Strafe.<lb/> Du ſollſt laͤnger nicht, unſchuldiger Mann, Dein Schickſal<lb/> an das meine binden, ich will es nicht. Ich reite die<lb/> Nacht noch fort, ſattle mir ein Pferd, ich reite allein; Du<lb/> bleibſt, ich will’s. Es muͤſſen hier noch einige Kiſten Gol-<lb/> des liegen, das behalte Du. Ich werde allein unſtaͤt in<lb/> der Welt wandern; wann mir aber je eine heitere Stunde<lb/> wieder lacht und das Gluͤck mich verſoͤhnt anblickt, dann<lb/> will ich Deiner getreu gedenken, denn ich habe an Deiner<lb/> getreuen Bruſt in ſchweren, ſchmerzlichen Stunden geweint.〞</p><lb/> <p>Mit gebrochenem Herzen mußte der Redliche dieſem<lb/> letzten Befehle ſeines Herrn, woruͤber er in der Seele er-<lb/> ſchrak, gehorchen; ich war ſeinen Bitten, ſeinen Vorſtellun-<lb/> gen taub, blind ſeinen Thraͤnen; er fuͤhrte mir das Pferd<lb/> vor. Ich druͤckte noch einmal den Weinenden an meine<lb/> Bruſt, ſchwang mich in den Sattel und entfernte mich<lb/> unter dem Mantel der Nacht von dem Grabe meines Le-<lb/> bens, unbekuͤmmert, welchen Weg mein Pferd mich fuͤhren<lb/> werde; denn ich hatte weiter auf Erden kein Ziel, keinen<lb/> Wunſch, keine Hoffnung.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [300/0088]
er mich es ruhig und gefaßt ertragen ſah. Denn ſolche
Geſtaltung hatte nun die Verzweiflung in mir genommen.
Ich ſah mein Elend rieſengroß, unwandelbar vor mir,
ich hatte ihm meine Thraͤnen ausgeweint, es konnte kein
Geſchrei mehr aus meiner Bruſt preſſen, ich trug ihm
kalt und gleichguͤltig mein entbloͤßtes Haupt entgegen.
〟Bendel,〞 hub ich an, 〟Du weißt mein Loos.
Nicht ohne fruͤheres Verſchulden trifft mich ſchwere Strafe.
Du ſollſt laͤnger nicht, unſchuldiger Mann, Dein Schickſal
an das meine binden, ich will es nicht. Ich reite die
Nacht noch fort, ſattle mir ein Pferd, ich reite allein; Du
bleibſt, ich will’s. Es muͤſſen hier noch einige Kiſten Gol-
des liegen, das behalte Du. Ich werde allein unſtaͤt in
der Welt wandern; wann mir aber je eine heitere Stunde
wieder lacht und das Gluͤck mich verſoͤhnt anblickt, dann
will ich Deiner getreu gedenken, denn ich habe an Deiner
getreuen Bruſt in ſchweren, ſchmerzlichen Stunden geweint.〞
Mit gebrochenem Herzen mußte der Redliche dieſem
letzten Befehle ſeines Herrn, woruͤber er in der Seele er-
ſchrak, gehorchen; ich war ſeinen Bitten, ſeinen Vorſtellun-
gen taub, blind ſeinen Thraͤnen; er fuͤhrte mir das Pferd
vor. Ich druͤckte noch einmal den Weinenden an meine
Bruſt, ſchwang mich in den Sattel und entfernte mich
unter dem Mantel der Nacht von dem Grabe meines Le-
bens, unbekuͤmmert, welchen Weg mein Pferd mich fuͤhren
werde; denn ich hatte weiter auf Erden kein Ziel, keinen
Wunſch, keine Hoffnung.
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