Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.VII. Ich werde mich Deinem Urtheile blos stellen, lieber Cha- VII. Ich werde mich Deinem Urtheile blos ſtellen, lieber Cha- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0083"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#aq">VII.</hi> </head><lb/> <p>Ich werde mich Deinem Urtheile blos ſtellen, lieber <hi rendition="#g">Cha-<lb/> miſſo</hi>, und es nicht zu beſtechen ſuchen. Ich ſelbſt habe<lb/> lange ſtrenges Gericht an mir ſelber vollzogen, denn ich<lb/> habe den quaͤlenden Wurm in meinem Herzen genaͤhrt.<lb/> Es ſchwebte immerwaͤhrend dieſer ernſte Moment meines<lb/> Lebens vor meiner Seele, und ich vermocht’ es nur zwei-<lb/> felnden Blickes, mit Demuth und Zerknirſchung anzu-<lb/> ſchauen. — Lieber Freund, wer leichtſinnig nur den Fuß<lb/> aus der geraden Straße ſetzt, der wird unverſehens in<lb/> andere Pfade abgefuͤhrt, die abwaͤrts und immer abwaͤrts<lb/> ihn ziehen; er ſieht dann umſonſt die Leitſterne am Him-<lb/> mel ſchimmern, ihm bleibt keine Wahl, er muß unauf-<lb/> haltſam den Abhang hinab, und ſich ſelbſt der Nemeſis<lb/> opfern. Nach dem uͤbereilten Fehltritt, der den Fluch<lb/> auf mich geladen, hatt’ ich durch Liebe frevelnd in eines<lb/> andern Weſens Schickſal mich gedraͤngt; was blieb mir<lb/> uͤbrig, als, wo ich Verderben geſaͤet, wo ſchnelle Rettung<lb/> von mir geheiſcht ward, eben rettend blindlings hinzu zu<lb/> ſpringen? denn die letzte Stunde ſchlug. — Denke nicht<lb/> ſo niedrig von mir, mein <hi rendition="#g">Adelbert</hi>, als zu meinen, es<lb/> haͤtte mich irgend ein geforderter Preis zu theuer geduͤnkt,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
VII.
Ich werde mich Deinem Urtheile blos ſtellen, lieber Cha-
miſſo, und es nicht zu beſtechen ſuchen. Ich ſelbſt habe
lange ſtrenges Gericht an mir ſelber vollzogen, denn ich
habe den quaͤlenden Wurm in meinem Herzen genaͤhrt.
Es ſchwebte immerwaͤhrend dieſer ernſte Moment meines
Lebens vor meiner Seele, und ich vermocht’ es nur zwei-
felnden Blickes, mit Demuth und Zerknirſchung anzu-
ſchauen. — Lieber Freund, wer leichtſinnig nur den Fuß
aus der geraden Straße ſetzt, der wird unverſehens in
andere Pfade abgefuͤhrt, die abwaͤrts und immer abwaͤrts
ihn ziehen; er ſieht dann umſonſt die Leitſterne am Him-
mel ſchimmern, ihm bleibt keine Wahl, er muß unauf-
haltſam den Abhang hinab, und ſich ſelbſt der Nemeſis
opfern. Nach dem uͤbereilten Fehltritt, der den Fluch
auf mich geladen, hatt’ ich durch Liebe frevelnd in eines
andern Weſens Schickſal mich gedraͤngt; was blieb mir
uͤbrig, als, wo ich Verderben geſaͤet, wo ſchnelle Rettung
von mir geheiſcht ward, eben rettend blindlings hinzu zu
ſpringen? denn die letzte Stunde ſchlug. — Denke nicht
ſo niedrig von mir, mein Adelbert, als zu meinen, es
haͤtte mich irgend ein geforderter Preis zu theuer geduͤnkt,
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/83>, abgerufen am 03.03.2025. |