Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.ich nicht verstand, aber deren zauberischer Silberklang Und dieser Auftritt, lieber Freund, mitten in der ich nicht verſtand, aber deren zauberiſcher Silberklang Und dieſer Auftritt, lieber Freund, mitten in der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="264"/> ich nicht verſtand, aber deren zauberiſcher Silberklang<lb/> mein Ohr und Herz berauſchte, — es war mir, als waͤre<lb/> ſchon einmal die himmliſche Erſcheinung an mir voruͤber<lb/> gewallt. Der Chor fiel ein und ſang das Lob eines guten<lb/> Koͤnigs und das Gluͤck ſeines Volkes.</p><lb/> <p>Und dieſer Auftritt, lieber Freund, mitten in der<lb/> Sonne! — Sie kniete noch immer zwei Schritte von mir,<lb/> und ich, ohne Schatten, konnte die Kluft nicht uͤber-<lb/> ſpringen, nicht wieder vor dem Engel auf die Kniee fallen.<lb/> O, was haͤtt’ ich nicht da fuͤr einen Schatten gegeben! Ich<lb/> mußte meine Scham, meine Angſt, meine Verzweiflung<lb/> tief in den Grund meines Wagens verbergen. <hi rendition="#g">Bendel</hi><lb/> beſann ſich endlich fuͤr mich, er ſprang von der andern<lb/> Seite aus dem Wagen heraus, ich rief ihn noch zuruͤck<lb/> und reichte ihm aus meinem Kaͤſtchen, das mir eben zur<lb/> Hand lag, eine reiche diamantene Krone, die die ſchoͤne<lb/><hi rendition="#g">Fanny</hi> hatte zieren ſollen. Er trat vor, und ſprach im<lb/> Namen ſeines Herrn, welcher ſolche Ehrenbezeugungen nicht<lb/> annehmen koͤnne noch wolle; es muͤſſe hier ein Irrthum<lb/> vorwalten; jedoch ſeien die guten Einwohner der Stadt<lb/> fuͤr ihren guten Willen bedankt. Er nahm indeß den<lb/> dargehaltenen Kranz von ſeinem Ort und legte den brillan-<lb/> tenen Reif an deſſen Stelle; dann reichte er ehrerbietig<lb/> der ſchoͤnen Jungfrau die Hand zum Aufſtehen, entfernte<lb/> mit einem Wink Geiſtlichkeit, <hi rendition="#aq">Magistratus</hi> und alle Depu-<lb/> tationen. Niemand ward weiter vorgelaſſen. Er hieß den<lb/> Haufen ſich theilen und den Pferden Raum geben, ſchwang<lb/> ſich wieder in den Wagen, und fort ging’s weiter in ge-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [264/0050]
ich nicht verſtand, aber deren zauberiſcher Silberklang
mein Ohr und Herz berauſchte, — es war mir, als waͤre
ſchon einmal die himmliſche Erſcheinung an mir voruͤber
gewallt. Der Chor fiel ein und ſang das Lob eines guten
Koͤnigs und das Gluͤck ſeines Volkes.
Und dieſer Auftritt, lieber Freund, mitten in der
Sonne! — Sie kniete noch immer zwei Schritte von mir,
und ich, ohne Schatten, konnte die Kluft nicht uͤber-
ſpringen, nicht wieder vor dem Engel auf die Kniee fallen.
O, was haͤtt’ ich nicht da fuͤr einen Schatten gegeben! Ich
mußte meine Scham, meine Angſt, meine Verzweiflung
tief in den Grund meines Wagens verbergen. Bendel
beſann ſich endlich fuͤr mich, er ſprang von der andern
Seite aus dem Wagen heraus, ich rief ihn noch zuruͤck
und reichte ihm aus meinem Kaͤſtchen, das mir eben zur
Hand lag, eine reiche diamantene Krone, die die ſchoͤne
Fanny hatte zieren ſollen. Er trat vor, und ſprach im
Namen ſeines Herrn, welcher ſolche Ehrenbezeugungen nicht
annehmen koͤnne noch wolle; es muͤſſe hier ein Irrthum
vorwalten; jedoch ſeien die guten Einwohner der Stadt
fuͤr ihren guten Willen bedankt. Er nahm indeß den
dargehaltenen Kranz von ſeinem Ort und legte den brillan-
tenen Reif an deſſen Stelle; dann reichte er ehrerbietig
der ſchoͤnen Jungfrau die Hand zum Aufſtehen, entfernte
mit einem Wink Geiſtlichkeit, Magistratus und alle Depu-
tationen. Niemand ward weiter vorgelaſſen. Er hieß den
Haufen ſich theilen und den Pferden Raum geben, ſchwang
ſich wieder in den Wagen, und fort ging’s weiter in ge-
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