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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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ängstigendsten Zweifeln. Ich wagte keinen Schritt aus
meiner Thür und ließ Abends vierzig Wachskerzen in
meinem Saal anzünden, bevor ich aus dem Dunkel heraus
kam. Ich gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auf-
trittes mit den Schulknaben. Ich beschloß, so viel Muth
ich auch dazu bedurfte, die öffentliche Meinung noch einmal
zu prüfen. -- Die Nächte waren zu der Zeit mondhell.
Abends spät warf ich einen weiten Mantel um, drückte
mir den Hut tief in die Augen, und schlich, zitternd wie
ein Verbrecher, aus dem Hause. Erst auf einem entlegenen
Platz trat ich aus dem Schatten der Häuser, in deren
Schutz ich so weit gekommen war, an das Mondeslicht
hervor; gefaßt, mein Schicksal aus dem Munde der Vor-
übergebenden zu vernehmen.

Erspare mir, lieber Freund, die schmerzliche Wieder-
holung alles dessen, was ich erdulden mußte. Die Frauen
bezeugten oft das tiefste Mitleid, das ich ihnen einflößte;
Aeußerungen die mir die Seele nicht minder durchbohrten,
als der Hohn der Jugend und die hochmüthige Verachtung
der Männer, besonders solcher dicken, wohlbeleibten, die
selbst einen breiten Schatten warfen. Ein schönes, holdes
Mädchen, die, wie es schien, ihre Eltern begleitete, indem
diese bedächtig nur vor ihre Füße sahen, wandte von un-
gefähr ihr leuchtendes Auge auf mich; sie erschrak sicht-
barlich, da sie meine Schattenlosigkeit bemerkte, verhüllte
ihr schönes Antlitz in ihren Schleier, ließ den Kopf sinken,
und ging lautlos vorüber.

Ich ertrug es länger nicht. Salzige Ströme brachen

aͤngſtigendſten Zweifeln. Ich wagte keinen Schritt aus
meiner Thuͤr und ließ Abends vierzig Wachskerzen in
meinem Saal anzuͤnden, bevor ich aus dem Dunkel heraus
kam. Ich gedachte mit Grauen des fuͤrchterlichen Auf-
trittes mit den Schulknaben. Ich beſchloß, ſo viel Muth
ich auch dazu bedurfte, die oͤffentliche Meinung noch einmal
zu pruͤfen. — Die Naͤchte waren zu der Zeit mondhell.
Abends ſpaͤt warf ich einen weiten Mantel um, druͤckte
mir den Hut tief in die Augen, und ſchlich, zitternd wie
ein Verbrecher, aus dem Hauſe. Erſt auf einem entlegenen
Platz trat ich aus dem Schatten der Haͤuſer, in deren
Schutz ich ſo weit gekommen war, an das Mondeslicht
hervor; gefaßt, mein Schickſal aus dem Munde der Vor-
uͤbergebenden zu vernehmen.

Erſpare mir, lieber Freund, die ſchmerzliche Wieder-
holung alles deſſen, was ich erdulden mußte. Die Frauen
bezeugten oft das tiefſte Mitleid, das ich ihnen einfloͤßte;
Aeußerungen die mir die Seele nicht minder durchbohrten,
als der Hohn der Jugend und die hochmuͤthige Verachtung
der Maͤnner, beſonders ſolcher dicken, wohlbeleibten, die
ſelbſt einen breiten Schatten warfen. Ein ſchoͤnes, holdes
Maͤdchen, die, wie es ſchien, ihre Eltern begleitete, indem
dieſe bedaͤchtig nur vor ihre Fuͤße ſahen, wandte von un-
gefaͤhr ihr leuchtendes Auge auf mich; ſie erſchrak ſicht-
barlich, da ſie meine Schattenloſigkeit bemerkte, verhuͤllte
ihr ſchoͤnes Antlitz in ihren Schleier, ließ den Kopf ſinken,
und ging lautlos voruͤber.

Ich ertrug es laͤnger nicht. Salzige Stroͤme brachen

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[251/0037] aͤngſtigendſten Zweifeln. Ich wagte keinen Schritt aus meiner Thuͤr und ließ Abends vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzuͤnden, bevor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich gedachte mit Grauen des fuͤrchterlichen Auf- trittes mit den Schulknaben. Ich beſchloß, ſo viel Muth ich auch dazu bedurfte, die oͤffentliche Meinung noch einmal zu pruͤfen. — Die Naͤchte waren zu der Zeit mondhell. Abends ſpaͤt warf ich einen weiten Mantel um, druͤckte mir den Hut tief in die Augen, und ſchlich, zitternd wie ein Verbrecher, aus dem Hauſe. Erſt auf einem entlegenen Platz trat ich aus dem Schatten der Haͤuſer, in deren Schutz ich ſo weit gekommen war, an das Mondeslicht hervor; gefaßt, mein Schickſal aus dem Munde der Vor- uͤbergebenden zu vernehmen. Erſpare mir, lieber Freund, die ſchmerzliche Wieder- holung alles deſſen, was ich erdulden mußte. Die Frauen bezeugten oft das tiefſte Mitleid, das ich ihnen einfloͤßte; Aeußerungen die mir die Seele nicht minder durchbohrten, als der Hohn der Jugend und die hochmuͤthige Verachtung der Maͤnner, beſonders ſolcher dicken, wohlbeleibten, die ſelbſt einen breiten Schatten warfen. Ein ſchoͤnes, holdes Maͤdchen, die, wie es ſchien, ihre Eltern begleitete, indem dieſe bedaͤchtig nur vor ihre Fuͤße ſahen, wandte von un- gefaͤhr ihr leuchtendes Auge auf mich; ſie erſchrak ſicht- barlich, da ſie meine Schattenloſigkeit bemerkte, verhuͤllte ihr ſchoͤnes Antlitz in ihren Schleier, ließ den Kopf ſinken, und ging lautlos voruͤber. Ich ertrug es laͤnger nicht. Salzige Stroͤme brachen

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/37>, abgerufen am 24.11.2024.