Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

und redete mich an mit leiser, unsicherer Stimme, unge-
fähr im Tone eines Bettelnden.

"Möge der Herr meine Zudringlichkeit entschuldigen,
wenn ich es wage, ihn so unbekannter Weise aufzusuchen,
ich habe eine Bitte an ihn. Vergönnen Sie gnädigst --"
-- "Aber um Gotteswillen, mein Herr!" brach ich
in meiner Angst aus, "was kann ich für einen Mann
thun, der --" wir stutzten Beide, und wurden, wie mir
däucht, roth.

Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder
das Wort: "Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück
genoß, mich in Ihrer Nähe zu befinden, hab' ich, mein
Herr, einige Mal -- erlauben Sie, daß ich es Ihnen
sage -- wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den
schönen, schönen Schatten betrachten können, den Sie in
der Sonne, und gleichsam mit einer gewissen edlen Ver-
achtung, ohne selbst darauf zu merken, von sich werfen,
den herrlichen Schatten da zu Ihren Füßen. Verzeihen
Sie mir die freilich kühne Zumuthung. Sollten Sie sich
wohl nicht abgeneigt finden, mir diesen Ihren Schatten
zu überlassen."

Er schwieg, und mir ging's wie ein Mühlrad im Kopfe
herum. Was sollt' ich aus dem seltsamen Antrag machen,
mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verrückt sein,
dacht' ich, und mit verändertem Tone, der zu der Demuth
des seinigen besser paßte, erwiederte ich also:

"Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem
eignen Schatten genug? das heiß' ich mir einen Handel

und redete mich an mit leiſer, unſicherer Stimme, unge-
faͤhr im Tone eines Bettelnden.

〟Moͤge der Herr meine Zudringlichkeit entſchuldigen,
wenn ich es wage, ihn ſo unbekannter Weiſe aufzuſuchen,
ich habe eine Bitte an ihn. Vergoͤnnen Sie gnaͤdigſt —〞
— 〟Aber um Gotteswillen, mein Herr!〞 brach ich
in meiner Angſt aus, 〟was kann ich fuͤr einen Mann
thun, der —〞 wir ſtutzten Beide, und wurden, wie mir
daͤucht, roth.

Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder
das Wort: 〟Waͤhrend der kurzen Zeit, wo ich das Gluͤck
genoß, mich in Ihrer Naͤhe zu befinden, hab’ ich, mein
Herr, einige Mal — erlauben Sie, daß ich es Ihnen
ſage — wirklich mit unausſprechlicher Bewunderung den
ſchoͤnen, ſchoͤnen Schatten betrachten koͤnnen, den Sie in
der Sonne, und gleichſam mit einer gewiſſen edlen Ver-
achtung, ohne ſelbſt darauf zu merken, von ſich werfen,
den herrlichen Schatten da zu Ihren Fuͤßen. Verzeihen
Sie mir die freilich kuͤhne Zumuthung. Sollten Sie ſich
wohl nicht abgeneigt finden, mir dieſen Ihren Schatten
zu uͤberlaſſen.〞

Er ſchwieg, und mir ging’s wie ein Muͤhlrad im Kopfe
herum. Was ſollt’ ich aus dem ſeltſamen Antrag machen,
mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verruͤckt ſein,
dacht’ ich, und mit veraͤndertem Tone, der zu der Demuth
des ſeinigen beſſer paßte, erwiederte ich alſo:

〟Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem
eignen Schatten genug? das heiß’ ich mir einen Handel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0026" n="244"/>
und redete mich an mit lei&#x017F;er, un&#x017F;icherer Stimme, unge-<lb/>
fa&#x0364;hr im Tone eines Bettelnden.</p><lb/>
          <p>&#x301F;Mo&#x0364;ge der Herr meine Zudringlichkeit ent&#x017F;chuldigen,<lb/>
wenn ich es wage, ihn &#x017F;o unbekannter Wei&#x017F;e aufzu&#x017F;uchen,<lb/>
ich habe eine Bitte an ihn. Vergo&#x0364;nnen Sie gna&#x0364;dig&#x017F;t &#x2014;&#x301E;<lb/>
&#x2014; &#x301F;Aber um Gotteswillen, mein Herr!&#x301E; brach ich<lb/>
in meiner Ang&#x017F;t aus, &#x301F;was kann ich fu&#x0364;r einen Mann<lb/>
thun, der &#x2014;&#x301E; wir &#x017F;tutzten Beide, und wurden, wie mir<lb/>
da&#x0364;ucht, roth.</p><lb/>
          <p>Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder<lb/>
das Wort: &#x301F;Wa&#x0364;hrend der kurzen Zeit, wo ich das Glu&#x0364;ck<lb/>
genoß, mich in Ihrer Na&#x0364;he zu befinden, hab&#x2019; ich, mein<lb/>
Herr, einige Mal &#x2014; erlauben Sie, daß ich es Ihnen<lb/>
&#x017F;age &#x2014; wirklich mit unaus&#x017F;prechlicher Bewunderung den<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen, &#x017F;cho&#x0364;nen Schatten betrachten ko&#x0364;nnen, den Sie in<lb/>
der Sonne, und gleich&#x017F;am mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en edlen Ver-<lb/>
achtung, ohne &#x017F;elb&#x017F;t darauf zu merken, von &#x017F;ich werfen,<lb/>
den herrlichen Schatten da zu Ihren Fu&#x0364;ßen. Verzeihen<lb/>
Sie mir die freilich ku&#x0364;hne Zumuthung. Sollten Sie &#x017F;ich<lb/>
wohl nicht abgeneigt finden, mir die&#x017F;en Ihren Schatten<lb/>
zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en.&#x301E;</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;chwieg, und mir ging&#x2019;s wie ein Mu&#x0364;hlrad im Kopfe<lb/>
herum. Was &#x017F;ollt&#x2019; ich aus dem &#x017F;elt&#x017F;amen Antrag machen,<lb/>
mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verru&#x0364;ckt &#x017F;ein,<lb/>
dacht&#x2019; ich, und mit vera&#x0364;ndertem Tone, der zu der Demuth<lb/>
des &#x017F;einigen be&#x017F;&#x017F;er paßte, erwiederte ich al&#x017F;o:</p><lb/>
          <p>&#x301F;Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem<lb/>
eignen Schatten genug? das heiß&#x2019; ich mir einen Handel<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0026] und redete mich an mit leiſer, unſicherer Stimme, unge- faͤhr im Tone eines Bettelnden. 〟Moͤge der Herr meine Zudringlichkeit entſchuldigen, wenn ich es wage, ihn ſo unbekannter Weiſe aufzuſuchen, ich habe eine Bitte an ihn. Vergoͤnnen Sie gnaͤdigſt —〞 — 〟Aber um Gotteswillen, mein Herr!〞 brach ich in meiner Angſt aus, 〟was kann ich fuͤr einen Mann thun, der —〞 wir ſtutzten Beide, und wurden, wie mir daͤucht, roth. Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder das Wort: 〟Waͤhrend der kurzen Zeit, wo ich das Gluͤck genoß, mich in Ihrer Naͤhe zu befinden, hab’ ich, mein Herr, einige Mal — erlauben Sie, daß ich es Ihnen ſage — wirklich mit unausſprechlicher Bewunderung den ſchoͤnen, ſchoͤnen Schatten betrachten koͤnnen, den Sie in der Sonne, und gleichſam mit einer gewiſſen edlen Ver- achtung, ohne ſelbſt darauf zu merken, von ſich werfen, den herrlichen Schatten da zu Ihren Fuͤßen. Verzeihen Sie mir die freilich kuͤhne Zumuthung. Sollten Sie ſich wohl nicht abgeneigt finden, mir dieſen Ihren Schatten zu uͤberlaſſen.〞 Er ſchwieg, und mir ging’s wie ein Muͤhlrad im Kopfe herum. Was ſollt’ ich aus dem ſeltſamen Antrag machen, mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verruͤckt ſein, dacht’ ich, und mit veraͤndertem Tone, der zu der Demuth des ſeinigen beſſer paßte, erwiederte ich alſo: 〟Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem eignen Schatten genug? das heiß’ ich mir einen Handel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/26
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/26>, abgerufen am 18.12.2024.