Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.ERSTE IDYLLE Blickend, kühlt' ihr die Rechte mit grü-nem Fächer das Antliz; 105 Aber die Linke ruht' in des Jünglinges Arm, und es spielten Ihm in der Hand die warmen und nied- lichen Finger des Mägdleins. Wonne durchströmt' ihm das Herz, er athmete bang', und sprachlos Drückt' er die kleine Hand, mit bebenden Fingern durchfaltend. Also wandelten beide durch Gras und blühende Kräuter, 110 Langsam; heisere Grillen umschwirrten sie; und wie erblödet Sannen sie, flohn den begegnenden Blick, und redeten wenig. Als sie nunmehr, oft seufzend, das schwü- lere Thal durchwandert, ERSTE IDYLLE Blickend, kühlt’ ihr die Rechte mit grü-nem Fächer das Antliz; 105 Aber die Linke ruht’ in des Jünglinges Arm, und es ſpielten Ihm in der Hand die warmen und nied- lichen Finger des Mägdleins. Wonne durchſtrömt’ ihm das Herz, er athmete bang’, und ſprachlos Drückt’ er die kleine Hand, mit bebenden Fingern durchfaltend. Alſo wandelten beide durch Gras und blühende Kräuter, 110 Langſam; heiſere Grillen umſchwirrten ſie; und wie erblödet Sannen ſie, flohn den begegnenden Blick, und redeten wenig. Als ſie nunmehr, oft ſeufzend, das ſchwü- lere Thal durchwandert, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="19"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">ERSTE IDYLLE</hi></fw><lb/> Blickend, kühlt’ ihr die Rechte mit grü-<lb/> nem Fächer das Antliz; <lb n="105"/> Aber die Linke ruht’ in des Jünglinges<lb/> Arm, und es ſpielten<lb/> Ihm in der Hand die warmen und nied-<lb/> lichen Finger des Mägdleins.<lb/> Wonne durchſtrömt’ ihm das Herz, er<lb/> athmete bang’, und ſprachlos<lb/> Drückt’ er die kleine Hand, mit bebenden<lb/> Fingern durchfaltend.<lb/> Alſo wandelten beide durch Gras und<lb/> blühende Kräuter, <lb n="110"/> Langſam; heiſere Grillen umſchwirrten<lb/> ſie; und wie erblödet<lb/> Sannen ſie, flohn den begegnenden Blick,<lb/> und redeten wenig.<lb/> Als ſie nunmehr, oft ſeufzend, das ſchwü-<lb/> lere Thal durchwandert,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0029]
ERSTE IDYLLE
Blickend, kühlt’ ihr die Rechte mit grü-
nem Fächer das Antliz; 105
Aber die Linke ruht’ in des Jünglinges
Arm, und es ſpielten
Ihm in der Hand die warmen und nied-
lichen Finger des Mägdleins.
Wonne durchſtrömt’ ihm das Herz, er
athmete bang’, und ſprachlos
Drückt’ er die kleine Hand, mit bebenden
Fingern durchfaltend.
Alſo wandelten beide durch Gras und
blühende Kräuter, 110
Langſam; heiſere Grillen umſchwirrten
ſie; und wie erblödet
Sannen ſie, flohn den begegnenden Blick,
und redeten wenig.
Als ſie nunmehr, oft ſeufzend, das ſchwü-
lere Thal durchwandert,
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Zitationshilfe: | Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_luise_1795/29>, abgerufen am 03.07.2024. |