"Als Du, noch ein halber Junge, zu dem Deich- grafen in Dienst gingst, da lag's in Deinem Kopf, das selbst einmal zu werden. Das hatte mich an- gesteckt, und ich dachte auch allmälig, Du seiest der rechte Mann dazu. Aber Dein Erbe war für solch ein Amt zu klein -- ich habe während Deiner Dienstzeit knapp gelebt -- ich dacht' es zu ver- mehren."
Hauke faßte heftig seines Vaters Hände, und der Alte suchte sich aufzurichten, daß er ihn sehen könne. "Ja, ja, mein Sohn," sagte er, "dort in der obersten Schublade der Schatulle liegt das Document. Du weißt, die alte Antje Wohlers hat eine Fenne von fünf und einem halben Demath; aber sie konnte mit dem Miethgelde allein in ihrem krüppelhaften Alter nicht mehr durch- finden; da habe ich allzeit um Martini eine bestimmte Summe, und auch mehr, wenn ich es hatte, dem armen Mensch gegeben; und dafür hat sie die Fenne mir übertragen; es ist Alles gerichtlich fertig. -- -- Nun liegt auch sie am Tode; die Krankheit unserer Marschen, der Krebs, hat sie befallen; Du wirst nicht mehr zu zahlen brauchen!"
„Als Du, noch ein halber Junge, zu dem Deich- grafen in Dienſt gingſt, da lag's in Deinem Kopf, das ſelbſt einmal zu werden. Das hatte mich an- geſteckt, und ich dachte auch allmälig, Du ſeieſt der rechte Mann dazu. Aber Dein Erbe war für ſolch ein Amt zu klein — ich habe während Deiner Dienſtzeit knapp gelebt — ich dacht' es zu ver- mehren.”
Hauke faßte heftig ſeines Vaters Hände, und der Alte ſuchte ſich aufzurichten, daß er ihn ſehen könne. „Ja, ja, mein Sohn,” ſagte er, „dort in der oberſten Schublade der Schatulle liegt das Document. Du weißt, die alte Antje Wohlers hat eine Fenne von fünf und einem halben Demath; aber ſie konnte mit dem Miethgelde allein in ihrem krüppelhaften Alter nicht mehr durch- finden; da habe ich allzeit um Martini eine beſtimmte Summe, und auch mehr, wenn ich es hatte, dem armen Menſch gegeben; und dafür hat ſie die Fenne mir übertragen; es iſt Alles gerichtlich fertig. — — Nun liegt auch ſie am Tode; die Krankheit unſerer Marſchen, der Krebs, hat ſie befallen; Du wirſt nicht mehr zu zahlen brauchen!”
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„Als Du, noch ein halber Junge, zu dem Deich-
grafen in Dienſt gingſt, da lag's in Deinem Kopf,
das ſelbſt einmal zu werden. Das hatte mich an-
geſteckt, und ich dachte auch allmälig, Du ſeieſt
der rechte Mann dazu. Aber Dein Erbe war für
ſolch ein Amt zu klein — ich habe während Deiner
Dienſtzeit knapp gelebt — ich dacht' es zu ver-
mehren.”
Hauke faßte heftig ſeines Vaters Hände, und
der Alte ſuchte ſich aufzurichten, daß er ihn ſehen
könne. „Ja, ja, mein Sohn,” ſagte er, „dort
in der oberſten Schublade der Schatulle liegt das
Document. Du weißt, die alte Antje Wohlers
hat eine Fenne von fünf und einem halben Demath;
aber ſie konnte mit dem Miethgelde allein in
ihrem krüppelhaften Alter nicht mehr durch-
finden; da habe ich allzeit um Martini eine
beſtimmte Summe, und auch mehr, wenn ich es
hatte, dem armen Menſch gegeben; und dafür
hat ſie die Fenne mir übertragen; es iſt Alles
gerichtlich fertig. — — Nun liegt auch ſie am
Tode; die Krankheit unſerer Marſchen, der Krebs,
hat ſie befallen; Du wirſt nicht mehr zu zahlen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/89>, abgerufen am 16.02.2025.
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