allmälig trat eine Stille ein; die draußen hörten wieder den leisen Nordost, der sich oben an der Kirchthurmspitze brach. Der Horcher trat wieder zu ihnen. "Wen hatten sie da drinnen?" frug der Achtzehnjährige.
"Den da!" sagte Jener und wies auf Hauke; "Ole Peters wollte ihn zum Jungen machen; aber Alle schrieen dagegen. "Und sein Vater hat Vieh und Land," sagte Jeß Hansen; "Ja, Land", rief Ole Peters, "das man auf dreizehn Karren weg- fahren kann?" -- Zuletzt kam Ole Hensen: "Still da!" schrie er; "ich will's Euch lehren: sagt nur, wer ist der erste Mann im Dorf?" Da schwiegen sie erst und schienen sich zu besinnen; dann sagte eine Stimme: "Das ist doch wohl der Deichgraf!" Und alle Andern riefen: "Nun ja; unserthalb der Deichgraf!" -- "Und wer ist denn der Deich- graf?" rief Ole Hensen wieder; "aber nun bedenkt Euch recht!" -- -- Da begann Einer leis zu lachen, und dann wieder Einer, bis zuletzt nichts in der Stube war, als lauter Lachen. "Nun, so ruft ihn;" sagte Ole Hensen; "Ihr wollt doch nicht den Deichgrafen von der Thür stoßen!" Ich glaub', sie lachen noch; aber Ole Peters Stimme war
allmälig trat eine Stille ein; die draußen hörten wieder den leiſen Nordoſt, der ſich oben an der Kirchthurmſpitze brach. Der Horcher trat wieder zu ihnen. „Wen hatten ſie da drinnen?” frug der Achtzehnjährige.
„Den da!” ſagte Jener und wies auf Hauke; „Ole Peters wollte ihn zum Jungen machen; aber Alle ſchrieen dagegen. „Und ſein Vater hat Vieh und Land,” ſagte Jeß Hanſen; „Ja, Land”, rief Ole Peters, „das man auf dreizehn Karren weg- fahren kann?” — Zuletzt kam Ole Henſen: „Still da!” ſchrie er; „ich will's Euch lehren: ſagt nur, wer iſt der erſte Mann im Dorf?” Da ſchwiegen ſie erſt und ſchienen ſich zu beſinnen; dann ſagte eine Stimme: „Das iſt doch wohl der Deichgraf!” Und alle Andern riefen: „Nun ja; unſerthalb der Deichgraf!” — „Und wer iſt denn der Deich- graf?” rief Ole Henſen wieder; „aber nun bedenkt Euch recht!” — — Da begann Einer leis zu lachen, und dann wieder Einer, bis zuletzt nichts in der Stube war, als lauter Lachen. „Nun, ſo ruft ihn;” ſagte Ole Henſen; „Ihr wollt doch nicht den Deichgrafen von der Thür ſtoßen!” Ich glaub', ſie lachen noch; aber Ole Peters Stimme war
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allmälig trat eine Stille ein; die draußen hörten
wieder den leiſen Nordoſt, der ſich oben an der
Kirchthurmſpitze brach. Der Horcher trat wieder
zu ihnen. „Wen hatten ſie da drinnen?” frug
der Achtzehnjährige.
„Den da!” ſagte Jener und wies auf Hauke;
„Ole Peters wollte ihn zum Jungen machen; aber
Alle ſchrieen dagegen. „Und ſein Vater hat Vieh
und Land,” ſagte Jeß Hanſen; „Ja, Land”, rief
Ole Peters, „das man auf dreizehn Karren weg-
fahren kann?” — Zuletzt kam Ole Henſen: „Still
da!” ſchrie er; „ich will's Euch lehren: ſagt nur,
wer iſt der erſte Mann im Dorf?” Da ſchwiegen
ſie erſt und ſchienen ſich zu beſinnen; dann ſagte
eine Stimme: „Das iſt doch wohl der Deichgraf!”
Und alle Andern riefen: „Nun ja; unſerthalb der
Deichgraf!” — „Und wer iſt denn der Deich-
graf?” rief Ole Henſen wieder; „aber nun bedenkt
Euch recht!” — — Da begann Einer leis zu
lachen, und dann wieder Einer, bis zuletzt nichts
in der Stube war, als lauter Lachen. „Nun, ſo
ruft ihn;” ſagte Ole Henſen; „Ihr wollt doch nicht
den Deichgrafen von der Thür ſtoßen!” Ich glaub',
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/69>, abgerufen am 16.02.2025.
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