Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888."Nun?" frug der Alte, als sie in die Stube trat. "Ole wollte es schon besorgen," sagte die Da that es aus dem Lehnstuhl plötzlich einen „Nun?” frug der Alte, als ſie in die Stube trat. „Ole wollte es ſchon beſorgen,” ſagte die Da that es aus dem Lehnſtuhl plötzlich einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0056" n="44"/> <p>„Nun?” frug der Alte, als ſie in die Stube trat.</p><lb/> <p>„Ole wollte es ſchon beſorgen,” ſagte die<lb/> Tochter, ein wenig ſich die Lippen beißend, und<lb/> ſetzte ſich Hauke gegenüber auf einen grobgeſchnitzten<lb/> Holzſtuhl, wie ſie noch derzeit hier an Winter-<lb/> abenden im Hauſe ſelbſt gemacht wurden. Sie hatte<lb/> aus einem Schubkaſten einen weißen Strumpf mit<lb/> rothem Vogelmuſter genommen, an dem ſie nun<lb/> weiterſtrickte; die langbeinigen Creaturen darauf<lb/> mochten Reiher oder Störche bedeuten ſollen. Hauke<lb/> ſaß ihr gegenüber in ſeine Rechnerei vertieft, der<lb/> Deichgraf ſelbſt ruhte in ſeinem Lehnſtuhl und<lb/> blinzelte ſchläfrig nach Hauke's Feder; auf dem<lb/> Tiſch brannten, wie immer im Deichgrafenhauſe,<lb/> zwei Unſchlittkerzen, und vor den beiden in Blei<lb/> gefaßten Fenſtern waren von außen die Läden vor-<lb/> geſchlagen und von innen zugeſchroben; mochte der<lb/> Wind nun poltern, wie er wollte. Mitunter hob<lb/> Hauke ſeinen Kopf von der Arbeit und blickte einen<lb/> Augenblick nach den Vogelſtrümpfen oder nach dem<lb/> ſchmalen ruhigen Geſicht des Mädchens.</p><lb/> <p>Da that es aus dem Lehnſtuhl plötzlich einen<lb/> lauten Schnarcher, und ein Blick und ein Lächeln<lb/> flog zwiſchen den beiden jungen Menſchen hin und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [44/0056]
„Nun?” frug der Alte, als ſie in die Stube trat.
„Ole wollte es ſchon beſorgen,” ſagte die
Tochter, ein wenig ſich die Lippen beißend, und
ſetzte ſich Hauke gegenüber auf einen grobgeſchnitzten
Holzſtuhl, wie ſie noch derzeit hier an Winter-
abenden im Hauſe ſelbſt gemacht wurden. Sie hatte
aus einem Schubkaſten einen weißen Strumpf mit
rothem Vogelmuſter genommen, an dem ſie nun
weiterſtrickte; die langbeinigen Creaturen darauf
mochten Reiher oder Störche bedeuten ſollen. Hauke
ſaß ihr gegenüber in ſeine Rechnerei vertieft, der
Deichgraf ſelbſt ruhte in ſeinem Lehnſtuhl und
blinzelte ſchläfrig nach Hauke's Feder; auf dem
Tiſch brannten, wie immer im Deichgrafenhauſe,
zwei Unſchlittkerzen, und vor den beiden in Blei
gefaßten Fenſtern waren von außen die Läden vor-
geſchlagen und von innen zugeſchroben; mochte der
Wind nun poltern, wie er wollte. Mitunter hob
Hauke ſeinen Kopf von der Arbeit und blickte einen
Augenblick nach den Vogelſtrümpfen oder nach dem
ſchmalen ruhigen Geſicht des Mädchens.
Da that es aus dem Lehnſtuhl plötzlich einen
lauten Schnarcher, und ein Blick und ein Lächeln
flog zwiſchen den beiden jungen Menſchen hin und
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